13. November 2024, 11:08 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Husten, Keuchen, Kurzatmigkeit oder auch ein Engegefühl in der Brust: All diese Symptome können auf Asthma hinweisen. Und offenbar beeinträchtigt die Erkrankung nicht nur die Atemwege, sondern auch das Gehirn von Kindern. Amerikanische Wissenschaftler fanden kürzlich heraus, dass diese chronische Lungenerkrankung sowohl das Gedächtnis der Kinder als auch ihre kognitiven Fähigkeiten beeinflusse – FITBOOK-Redakteurin Sophie Brünke berichtet.
Forscher der Universität Kalifornien untersuchten erstmals die Frage, ob Asthma im Kindesalter mit einem schlechteren Gedächtnis und verminderten kognitiven Fähigkeiten verbunden ist. Denn Asthma ist unter Kindern die am weitesten verbreitete chronische Erkrankung und betrifft weltweit schätzungsweise 262 Millionen Menschen.1 In Deutschland erkranken etwa 10 bis 15 Prozent der Kinder.2 Grund genug, die Auswirkungen und Folgen der Erkrankung näher zu betrachten.
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Übersicht
Über 2.000 Kinder im Grundschulalter untersucht
Die Studienautoren verwendeten einen Datensatz aus der „Adolescent Brain Cognitive Development (ABCD) Study“, einer großen, nationalen Längsschnittstudie zur Gehirnentwicklung und Kindergesundheit in den USA. Sie führten zum einen eine Querschnittsanalyse anhand der Daten von 2.062 Kindern durch, als auch eine Längsschnittanalyse mit einer Stichprobe aus 473 Kindern. Zu Beginn waren die Kinder neun bis zehn Jahre alt, die Nachbeobachtungszeit betrug zwei Jahre.3
In der Querschnittanalyse konzentrierten sich die Wissenschaftler auf Kinder mit Asthma, deren Eltern zu einem beliebigen Zeitpunkt im Laufe der Nachbeobachtung Asthmaindikatoren meldeten. In der Längsschnittanalyse hingegen bezogen sie Zeitpunkte ein, für die sowohl Indikatoren für Asthma als auch für kognitive Leistungsfähigkeit verfügbar waren. Zusätzlich differenzierten sie zwischen Kindern, deren Eltern zu Beginn und zum Ende der Nachbeobachtungszeit Asthmaindikatoren meldeten (Gruppe mit früherem Krankheitsbeginn in der Kindheit), und Kindern, deren Eltern erstmals nach den zwei Jahren Nachbeobachtungszeit Asthmaindikatoren meldeten (Gruppe mit späterem Krankheitsbeginn in der Kindheit).
Die Kontrollgruppen der beiden Analysen bestanden aus Teilnehmern der ABCD-Studie, die nicht an Asthma erkrankt waren. Hauptgegenstand der Untersuchung war das episodische Gedächtnis der Kinder.
Das episodische Gedächtnis speichert autobiografisches Wissen, etwa Wissen über die eigene Person, Erfahrungen und Emotionen, wie Ereignisse und die Menschen und Gegenstände, die dabei eine Rolle spielten. Das semantische Gedächtnis hingegen ist für Fakten verantwortlich. Hier findet sich erlerntes Wissen, z. B. aus der Schule, welches unabhängig von bestimmten Ereignissen ist.
Kinder führten drei verschiedene Tests durch
Im Rahmen der ABCD-Studie wurden verschiedene kognitive Messungen durchgeführt. Dazu zählen:
- Bildsequenz-Gedächtnistest, testet das episodische Gedächtnis daran, inwieweit sich die Kinder beliebige Sequenzen von Objekten merken können
- Geschwindigkeitstest für die Mustervergleichsverarbeitung, beurteilt die Verarbeitungsgeschwindigkeit von Paaren von Objektbildern
- Flanker-Hemmungskontrolle und Aufmerksamkeitstest, misst die Reaktionshemmung und Aufmerksamkeit, indem Teilnehmer aus einer Reihe einen passenden Richtungspfeil auswählen
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Asthma erhöhte das Risiko von Gedächtnisproblemen
Die Studie zeigte, dass Kinder mit Asthma bei Tests zum episodischen Gedächtnis schlechter abschnitten als Kinder ohne Asthma. In der Längschnittanalyse mit 473 Kindern, die zwei Jahre lang beobachtet wurden, zeigte sich, dass Kinder mit einem früheren Asthmaanfall, die die Krankheit über einen längeren Zeitraum hatten, im Laufe der Zeit auch eine langsamere Entwicklung des Gedächtnisses aufwiesen.
Hauptautorin der Studie, Simona Ghetti, erklärt in einer Mitteilung der Universität: „Diese Studie unterstreicht, wie wichtig es ist, Asthma als mögliche Ursache kognitiver Probleme bei Kindern zu betrachten. Wir werden uns zunehmend bewusst, dass chronische Krankheiten, nicht nur Asthma, sondern auch Diabetes, Herzkrankheiten und andere, bei Kindern ein erhöhtes Risiko kognitiver Probleme darstellen können.“4
Mechanismus ist unbekannt
Ghetti weist jedoch darauf hin, dass es wichtig sei, die Risiko erhöhenden Faktoren zu verstehen, um diesen gezielt entgegenzuwirken. In der vorliegenden Studie wurde nicht untersucht, auf welche Weise Asthma die Gedächtnisprobleme verursachen könnte. Als mögliche Faktoren nannten die Wissenschaftler eine lang anhaltende Entzündung durch Asthma oder wiederholte Störungen der Sauerstoffversorgung des Gehirns aufgrund von Asthmaanfällen. Die Autoren weisen weiterhin auf frühere Forschungsarbeiten mit Nagetieren hin, in denen gängige Asthmamedikamente einen messbaren Effekt auf den Hippocampus im Gehirn hatten. Diese Hirnregion spielt auch bei Menschen eine wichtige Rolle für das episodische Gedächtnis.
Im Alter könnten kognitive Beeinträchtigungen Folge sein
Die Gedächtnisdefizite der Kinder könnten längerfristige Folgen haben. Ghettis Kollege Hayes erklärt: „Asthma kann bei Kindern einen Verlauf nehmen, der ihr Risiko erhöht, später als Erwachsene an einer ernsteren Krankheit wie Demenz zu erkranken.“ , Frühere Studien mit älteren Erwachsenen und Tieren hätten Asthma mit einem höheren Risiko für Demenz und Alzheimer in Verbindung gebracht, welche beide das Gedächtnis beeinträchtigen.
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Einordnung der Studie
Die vorliegende Studie nutze keine Krankenakten, sondern die Angaben der Eltern. Daher konnte weder der Schweregrad des Asthmas noch der genaue Beginn der Krankheit festgestellt werden. Die Asthmaindikatoren der ABCD-Studie wurden jedoch in anderen Untersuchungen bestätigt. Weiterhin erhoben die Forscher keine Daten, ob verschreibungspflichtige Asthmamedikamente eingenommen wurden und wie diese die Kognition beeinflussten. Außerdem untersuchte die ABCD-Studie in erster Linie neurokognitive Entwicklungen. Entsprechend war nicht optimal dazu konzipiert, Zusammenhänge zwischen Asthma und Gedächtnis zu untersuchen. Da Tierversuche bei den Medikamenten einen entscheidenden Einfluss vermuten lassen, sollten zukünftige Studien ihre Dosierung und Anwendungshäufigkeit berücksichtigen.