9. April 2024, 15:22 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Die Anzahl an Geburten, auf die eine Frau zurückblickt, hat Einfluss auf ihr persönliches biologisches Alter. Das hatten US-Forscher im Rahmen einer Studie bereits herausfinden können. Je kinderreicher, desto schneller schreitet das Altern voran? Das zumindest unterstreicht nun eine weitere Forschung und widerspricht damit den früheren Ergebnissen.
Das chronologische Alter, also die Jahre, die man bereits gelebt hat, sagen meist nur wenig über die Körperbeschaffenheit aus. Umso mehr dafür das biologische Alter: Dieses ergibt sich aus dem Zustand der Organe und des Körpers.1 Besonders durch Faktoren wie Stress, Lebensstil, Genetik, Krankheiten und Ernährung kann der biologische Alterungsprozess beschleunigt werden. Die Folge: Personen mit derartigen hohen bzw. schlechten Umwelteinflüssen weisen ein höheres biologisches Alter auf als diejenigen, die diesen nicht ausgesetzt sind. Doch wie sieht es mit Schwangerschaften aus, die den Körper oftmals fordern und für viele sehr kräftezehrend sind? Inwiefern eine Schwangerschaft das biologische Alter beeinflusst, erklärt FITBOOK.
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Übersicht
Das sagt eine US-Studie aus dem Jahr 2020
Forscher der Pennsylvania State University hatten für eine Studie aus dem Jahr 2020 Gesundheitsinformationen von rund 4500 Frauen aus der National Health and Nutrition Examination Survey bezogen, einem Forschungsprogramm mit statistischen Erhebungen der US-amerikanischen National Center for Health Statistics.2
Die Daten wurden zwischen 1999 und 2010 gesammelt und enthielten u. a. Angaben zum Reproduktionsverhalten der Probandinnen. Allerdings fehlten Informationen zu etwaigen Schwangerschaftsabbrüchen und Fehlgeburten – eine Schwäche ihrer Studie, wie die Forscher anmerken. Unter Vermerk der Anzahl an Geburten maßen die Forscher die biologische Alterung der Probandinnen anhand verschiedener Parameter zur Stoffwechselgesundheit sowie Nieren- und Leberfunktion. Auch ein Aufkommen von Entzündungswerten sowie weiteren Markern im Blutbild flossen in die Beurteilung mit ein. Ebenso das Risiko für verschiedene Krankheiten, welches im Zuge einer Schwangerschaft wachsen bzw. abnehmen kann.
Frauen, die drei oder vier Schwangerschaften hinter sich haben, altern langsamer
Es stellte sich heraus, dass den offenbar günstigsten Einfluss auf das biologische Alter drei bis vier Geburten haben. Jene Frauen altern der Untersuchung zufolge langsamer als solche, die gar keine oder nur ein oder zwei Kinder bekommen haben.
„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Schwangerschaft und Geburt zu Veränderungen […] verschiedener physiologischer Systeme beitragen, welche den Alterungsprozess in der Menopause beeinflussen können“, erklärte Studienleiterin Talia Shirazi in einer Pressemitteilung der Pennsylvania State University.3
Shirazi sieht eine mögliche Erklärung für das langsamere oder schnellere Altern im Vorhandensein bzw. Fehlen sogenannter Ovarialhormone (= weibliche Geschlechtshormone). Diese halten den biologischen Verfallsprozess womöglich im Zaum, was das geringere biologische Alter nach Abschluss der Menopause bedingen könnte.
Evolutionsbedingte Entwicklung?
Was die Ursache für diesen Mechanismus betrifft, konnten die Forscher nur mutmaßen. Sie glaubten an eine Art Kompromiss, den der Körper eingeht, sodass die auslaugenden Auswirkungen einer Schwanger- und Mutterschaft sich bezahlt machen. Laut Shirazi ist das aus evolutionsbiologischer Sicht sinnvoll: So stünde Frauen auch zur körperlichen Aufrechterhaltung und Verteidigung – der Kinder und ihrer selbst – mehr Energie zur Verfügung. Die Grenze liegt aber offenbar bei genau vier zur Welt gebrachten Kindern. Der Studie zufolge altern Frauen wieder schneller, wenn sie mehr als vier Kinder zur Welt gebracht haben.
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Aktuelle Studie weist dagegen auf ein erhöhtes biologisches Alter hin
Eine neue Studie beschäftigte sich ebenfalls mit der Frage, inwiefern Schwangerschaften Einfluss auf das biologische Alter einer Frau nehmen können.4 Hierfür bezogen die Wissenschaftler Daten der Cebu Longitudinal Health and Nutrition Survey von insgesamt 1735 Personen auf den Philippinen im Jahr 2005. Um genauer beurteilen zu können, ob nur Frauen von einem schnelleren Alterungsprozess betroffen sind oder ob auch Männer derartiges nach je gezeugtem Kind aufwiesen, nahm man beide Geschlechter mit in die Untersuchungen auf. So wertete man Daten von 825 Frauen mit einem durchschnittlichen Alter von 21,7 Jahren aus. Ebenso sah man sich Daten von 910 Männern mit demselben durchschnittlichen Alter genauer an. Zusätzlich bildete man eine Untergruppe in der Größe von 331 Teilnehmerinnen, deren Informationen man aus den Jahren 2009 bis 2014 erhob.
Zum einen wurden die Teilnehmer durch einen geschulten Interviewer zu ihrer psychischen und physischen Gesundheit, ihrem Lebensstil und ihrem soziodemografischen Kontext befragt. Bei den Frauen zählte man alle Geburten mit ein – einschließlich Fehl-, Tot- und Lebendgeburten. Bei denjenigen, die Zwillinge oder mehr zur Welt brachten, zählte man eine einzige Schwangerschaft. Das biologische Alter der Probanden bestimmten die Forscher anhand von verschiedenen, bewährten Tests. Unter anderem wurden Blutproben entnommen, um anhand von Biomarkern zu einem Ergebnis zu kommen.
Das biologische Alter nimmt mit jeder Schwangerschaft zu
Zu Studienbeginn hatten bereits 314 Frauen eine Schwangerschaft hinter sich, während 140 Probandinnen bereits zwei oder mehr Geburten erlebten. Bei den Männern hatten dagegen 210 Teilnehmer mindestens für eine Schwangerschaft gesorgt.
Anhand der von jedem Probanden analysierten Ergebnisse verglich man die verschiedenen Gruppen. So stellte man die Frauen, die bereits in ihrem frühen Erwachsenenalter schwanger gewesen waren, mit denjenigen gegenüber, die noch nie eine Schwangerschaft erlebt hatten. Dadurch kamen die Wissenschaftler zu dem Schluss: Die Frauen, die bereits schwanger waren, wiesen ein um 4 bis 14,2-monatiges erhöhtes biologisches Alter auf.
Anschließend verglich man Frauen, die nur eine Schwangerschaft verzeichneten, mit mehrfach schwangeren Probandinnen. Im Gegensatz zu der oben genannten Studie kam man hier zu dem Ergebnis, dass jede weitere Schwangerschaft das biologische Alter um 2 bis 5,2 Monate anhob.
Bei dem Vergleich zwischen Männer und Frauen konnten die Wissenschaftler klar erkennen, dass das männliche Geschlecht keine biologische Alterung durch eine Zeugung aufwies.
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Einordnung der Studien
Die Studien führen in Bezug auf die Anzahl der Schwangerschaften in verschiedene Richtungen. Und dennoch: Beide Untersuchungen liefern Hinweise, dass die Geburten das biologische Alter einer Frau beeinflussen können.
Die erste Studie betrachtete einen längeren Zeitpunkt und konnte einen positiven Effekt auf das biologische Alter erst während der Menopause beobachten. Die zweite und damit aktuellere Forschung verlief gar nicht erst bis zu diesem Lebensabschnitt der Frauen. Demnach ist nicht ganz klar, ob die Wissenschaftler auch hier noch im späteren Verlauf einen positiven Einfluss auf das biologische Alter festgestellt hätten. Zusätzlich beschränkte man sich bei der aktuelleren Forschung lediglich auf Personen auf den Philippinen. Dadurch ist nicht gegeben, dass die Ergebnisse etwa auch auf europäische Frauen zutreffen müssen.
Die ältere Studie rechnete aufgrund von fehlenden Daten keine Fehl- und Totgeburten mit ein, was die Ergebnisse aufgrund der Strapazen für den Körper dahingehend verfälscht haben könnte.
Kurz gesagt bedeutet das: Die Studien liefern Beweise, dass sich Schwangerschaften negativ auf das biologische Alter auswirken können – je nach Anzahl der Geburten. Ob sich das allerdings im Verlauf des Lebens noch umkehren kann, müssen weitere Forschungen erst noch bestätigen.