23. September 2019, 16:13 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Laut der Stiftung Deutsche Depressionshilfe leiden in Deutschland jährlich etwa acht Prozent der Bevölkerung an Depressionen – das sind mehr als 5 Millionen Menschen. In vielen Fällen können Medikamente sowie eine Psychotherapie den Betroffenen helfen – allerdings nicht immer. Deswegen erproben Forscher an der Berliner Charité jetzt einen neuen Behandlungsansatz mit Antibiotika.
Depressionen gehören in Deutschland zu den am meisten verbreiteten Erkrankungen – und leider auch zu den am meisten unterschätzten. Wie die Stiftung Deutsche Depressionshilfe erklärt, starben im Jahr 2015 etwa doppelt so viele Menschen durch Suizid als durch Drogen, Verkehrsunfälle und HIV zusammen. Bei der Mehrheit der Selbstmorde war wohl eine unzureichend behandelte Depression mitverantwortlich. Insofern spielt eine erfolgreiche Therapie auch eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Suizidfällen.
Bei der Behandlung von Depressionen wird vor allem auf zwei Säulen gesetzt: Psychotherapie und Medikamente – sogenannte Antidepressiva. Letztere sollen das Ungleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn regulieren und so zu eine Linderung beitragen. Leider spricht rund ein Drittel der Patienten auf herkömmliche Antidepressiva nicht an. Deswegen suchen Mediziner nach neuen Ansätzen, um den Betroffenen zu helfen.
An der Berliner Charité wird derzeit ein Antibiotikum gegen Depressionen getestet. In einer Studie mit 160 Probanden soll die Wirksamkeit von Minocyclin untersucht werden. Neben der Freien Universität Berlin sind auch die Universitätskliniken Aachen, Erlangen, Frankfurt, Göttingen, München und Regensburg sowie das Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München an der Studie beteiligt.
Warum soll ein Antibiotikum gegen Depressionen helfen?
Forscher haben festgestellt, dass bei einigen Patienten mit Depressionen das Immunsystem aktiviert ist – und das, obwohl sie keine Infektion durch Bakterien, Viren oder Pilze aufweisen. Das heißt, dass neben dem Ungleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn auch Entzündungsprozesse bei der Entstehung und Aufrechterhaltung depressiver Symptome eine Rolle spielen. Antidepressiva wirken aber nur bei den Botenstoffen und bekämpfen keine Entzündungen im Gehirn. Das könnte der Grund sein, warum sie bei einem Drittel der Patienten nicht ausreichend helfen.
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Unklar ist, ob Stress die Immunreaktion im Körper auslöst, oder ob durch eine Depression verstärkt Stresshormone ausgeschüttet werden und so das Immunsystem aktiviert wird.
„Auch wenn wir die pathophysiologische Kausalkette noch nicht aufzeigen können: Das bedeutet nicht, dass wir nicht versuchen können, das überaktive Immunsystem zu beruhigen und zwar mit Minocyclin, einem bewährten und gut verträglichen Antibiotikum“, erklärt Dr. Isabella Heuser, Leiterin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité in Berlin.
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Minocyclin kann die Blut-Hirn-Schranke passieren
Da das Gehirn ein eigenes Immunsystem hat, das bei Entzündungsprozessen im Körper aktiviert wird, ist es wichtig, dass das Antibiotikum auch dort wirkt. Dazu muss es die sogenannte Blut-Hirn-Schranke überwinden. Diese schützt das Gehirn vor Krankheitserregern und anderen Stoffen aus dem Blut. Minocyclin kann die Blut-Hirn-Schranke passieren und eignet sich deswegen gut für die Studie. Zudem ist es ein erprobtes und gut verträgliches Antibiotikum.
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In der Studie wird es einigen der 160 Probanden über sechs Wochen verabreicht. Dabei werden weder die Ärzte noch die Probanden wissen, ob sie den Wirkstoff oder ein Placebo erhalten. Anfang 2020 sollen die Ergebnisse vorliegen.
Informationen, einen Selbsttest und Hilfe finden an Depression erkrankte Menschen unter www.deutsche-depressionshilfe.de
Deutschlandweites Info-Telefon Depression: 0800 33 44 5 33
Erfahrungsaustausch für Betroffene und Angehörige gibt es in dem Online-Forum www.diskussionsforum-depression.de