26. Juli 2024, 11:00 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Ungelöste Ängste und Angststörungen können im Alter das Demenzrisiko erhöhen. Das ist das Ergebnis einer australischen Langzeitstudie. Diese zeigt aber auch, wie Betroffene das Risiko wieder senken können. FITBOOK-Autorin Friederike Ostermeyer stellt die wichtigsten Erkenntnisse vor.
Angst ist weitverbreitet, aber die Auswirkungen von chronischer Angst auf Demenz sind noch kaum erforscht. Jetzt zeigt eine neue Studie: Es scheint tatsächlich einen Zusammenhang zwischen Angststörungen und Demenzrisiko zu geben. Dabei macht es offenbar kaum einen Unterschied, ob die Ängste neu aufgetreten sind oder schon viele Jahre bestehen. Die Studie macht aber auch Hoffnung.
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Übersicht
So lief die Studie ab
Forscher der Universität Newcastle (Australien) analysierten die Daten von 2.132 Personen im Alter zwischen 55 und 85 Jahren. Das Durchschnittsalter betrug 76 Jahre. Diese nahmen an der „Hunter Community Study“ teil. Dabei handelt es sich um eine umfassende, australische bevölkerungsbasierte Kohortenstudie, die wichtige Faktoren wie Gesundheit, Wohlbefinden und die wirtschaftlichen Folgen des Alterns untersucht. Die Teilnehmer wurden zehn Jahre lang beobachtet. 64 Teilnehmer (drei Prozent) entwickelten in diesem Zeitraum eine Demenz. Mit speziellen Fragebögen wurden die Angstsymptome und der jeweilige Umgang damit erfasst. Dabei stellten die Forscher fest, dass Angststörungen – entweder chronisch oder neu aufgetreten – das Demenzrisiko um das 2,8- bzw. 3,2-fache erhöhten. Auffällig: Bei den unter 70-Jährigen war der Zusammenhang stärker ausgeprägt, heißt es in der Studie, die kürzlich im „Journal of the American Geriatrics Society“ veröffentlicht wurde. Bei ihnen belief sich die Risikoerhöhung auf das 4,6-fache bei chronischer Angst sowie das 7,21-fache bei neu auftretender Angst.1
Angst als neuer Risikofaktor
Im Jahr 2020 werden weltweit mehr als 55 Millionen Menschen mit Demenz leben, bis 2030 wird diese Zahl voraussichtlich auf 78 Millionen und bis 2050 auf 139 Millionen ansteigen.2 Da es keine wirksame Behandlung für Demenz gibt, sucht die Wissenschaft nach Ansätzen, um der Krankheit wirksam vorzubeugen. „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Angst ein neuer Risikofaktor sein könnte, der bei der Prävention von Demenz berücksichtigt werden sollte“, erklärt Studienautorin Dr. Kay Khaing in einer Pressemitteilung.3 Als eine der ersten Studien, die die Auswirkungen von anhaltender Angst (chronische vs. überwundene vs. neue Angst) und des Zeitpunkts der Angstbelastung auf das Demenzrisiko untersucht, sind die Ergebnisse für die Wissenschaftlerin und ihr Team von entscheidender Bedeutung.
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Eine überwundene Angststörung senkt das Demenzrisiko
Die Forscher untersuchten auch, wie sich das Demenzrisiko bei Menschen entwickelt, die ihre Angststörung überwunden haben. Die gute Nachricht: Das Risiko war ähnlich hoch wie bei Menschen, die noch nie mit starken Angstsymptomen zu kämpfen hatten. Angst ist also nichts, was sich zwangsläufig im Gehirn „festsetzen“ muss, sondern kann – mitsamt ihren Folgen für die körperliche Gesundheit – tatsächlich rückgängig gemacht werden. Körperlich sind damit auch die neuronale Apoptose (Selbstzerstörung von Gehirnzellen), die Hirnatrophie (Abnahme der Hirnmasse) und Herz-Kreislauf-Erkrankungen gemeint. „All dies sind bekannte Risikofaktoren für Demenz.“
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Angstzustände rechtzeitig behandeln
Die beteiligten Forscher vermuten auch, dass Angst ein Vorsymptom von Demenz sein könnte. Und: je stärker die Angst, desto höher das Demenzrisiko. „Wir weisen aber auch darauf hin, dass die Behandlung von Angst dieses Risiko verringern könnte.“ Das Bewusstsein dafür zu schärfen und gleichzeitig flächendeckend psychotherapeutische Angebote bereitzustellen, könnte also auch ein Schlüssel sein, um den vermuteten starken Anstieg der Neuerkrankungen an Demenz in den kommenden Jahrzehnten einzudämmen.