
23. April 2025, 16:50 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Normalerweise assoziiert man die Alzheimer-Erkrankung mit älteren Menschen. Nun haben Forscher erstmals gezeigt, dass bereits im jungen Alter Warnzeichen im Gehirn erkennbar sind. Dabei spielt unerwarteterweise nicht die Genetik eine Rolle.
Laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e. V. lebten Ende 2023 in Deutschland rund 1,8 Millionen Menschen mit Demenz.1 Die meisten davon litten unter der Alzheimer-Erkrankung, einer besonderen Art der Demenz. Das Erschreckende dabei: Allein im Jahr 2023 sind etwa 445.000 Deutsche neu an Demenz erkrankt. Die Tendenz ist steigend. Doch nun gibt es eine gute Nachricht: Laut einer neuen US-Studie kann man schon im jungen Alter erste Warnzeichen im Gehirn für eine spätere Alzheimer-Erkrankung erkennen. Und wir können offenbar selbst vorbeugen und somit das Risiko für eine spätere Erkrankung reduzieren.
Jetzt dem FITBOOK-Kanal bei Whatsapp folgen!
Übersicht
Forscher untersuchten einen breiten Bevölkerungsausschnitt
Für die Alzheimer-Studie griffen die amerikanischen Forscher auf die Daten von Tausenden von Probanden zurück.2 Sie alle hatten an einer früheren Studie teilgenommen, der „National Longitudinal Study of Adolescent to Adult Health“ aus den 1990er Jahren. Die Größe der analysierten Stichproben reichte in der ersten Welle von 4507 bis 11.449 Teilnehmern und in der zweiten Welle von 529 bis 1121 Teilnehmern. In der ersten Welle lag das Durchschnittsalter der Befragten bei 28 Jahren. Die Befragten wurden zum ersten Mal im Alter von 24 bis 34 Jahren und etwa zehn Jahre später im Alter von 34 bis 44 Jahren untersucht. In der zweiten Welle wurden sie zehn Jahre später befragt. Hier lag das Durchschnittsalter bei 38 Jahren. Hier noch einige interessante Fakten zu den Probanden:
- rund die Hälfte der analysierten Teilnehmer in der ersten Welle war weiblich
- etwa 72 waren Weißamerikaner
- die restlichen 28 Prozent waren Schwarze und Latinos
- in der zweiten Welle waren die prozentualen Verhältnisse ähnlich, wobei der Anteil der Afroamerikaner auf etwa 20 Prozent stieg
Probanden wurden anhand des CAIDE-Score bewertet
Um das Risiko für eine spätere Alzheimer-Erkrankung zu bewerten, haben die Forschenden den sogenannten CAIDE-Score benutzt. Hierbei werden verschiedene Faktoren berücksichtigt wie Alter, Bildung, Geschlecht, Blutdruck, Body-Mass-Index, Cholesterinwerte und die körperliche Aktivität. Je höher der Score, desto höher das Risiko für eine Demenz. Obwohl der CAIDE-Score zur Vorhersage des Demenzrisikos bei älteren Erwachsenen entwickelt wurde, zeigten die Ergebnisse, dass es bereits bei Menschen in ihren 20ern Zusammenhänge mit der Gehirnfunktion zu geben scheint.
Die Forscher bewerteten nicht nur die kognitive Leistung, sondern untersuchten auch die kardiovaskuläre Gesundheit sowie bestimmte Proteine und Entzündungsmoleküle im Blut der Teilnehmer. Hierbei stellten sie fest, dass die Gesamtmenge des Tau-Proteins, das sich im Gehirn von Alzheimer-Patienten ansammelt, bei Erwachsenen im Alter von 34 bis 44 Jahren mit einem schlechteren unmittelbaren Worterinnerungsvermögen in Verbindung steht.
Mehrere Entzündungsmarker zeigten ebenfalls Zusammenhänge mit der kognitiven Leistung. Proteine, die an der Kommunikation des Immunsystems beteiligt sind, wurden mit schlechteren Leistungen in mehreren kognitiven Tests in Verbindung gebracht. Auch interessant: Die Zusammenhänge waren stärker, je älter die Teilnehmer wurden, was auf eine progressive Entwicklung im Alter hindeutet.
Die erforschten Alzheimer Warnzeichen sind nicht genetisch bedingt
Laut der Studie schnitten junge Erwachsene mit höheren CAIDE-Werten bei Gedächtnistests und kognitiven Aufgaben schlechter ab. Bereits ein Anstieg um einen Punkt beim CAIDE-Wert zeigte sich in einer messbaren Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten wie dem Erinnerungsvermögen und Verarbeiten von Informationen im Kurzzeitgedächtnis. Im Alltag spielen diese negativen Auswirkungen zunächst keine große Rolle, da sie noch gering ausfallen. Doch die Forscher betonen, dass sich so erste negative Muster zeigen, die bisher nur bei älteren Risikogruppen beobachtet wurden. Somit zeigen die Forscher erstmals, dass schon junge Menschen in ihren 20ern kognitive Prozesse aufweisen, die auf ein erhöhtes Demenzrisiko hindeuten.
Eine weitere wichtige Erkenntnis: Die in der Studie ermittelten Alzheimer-Warnzeichen sind nicht genetisch bedingt. Denn anders als erwartet, zeigte die Genvariante „APOE ε4“ bei den jungen Erwachsenen keinen Zusammenhang mit der kognitiven Funktion. Dabei gilt „APOE ε4“ als der bekannteste genetische Risikofaktor für Alzheimer. Das bedeutet, dass der Lebensstil und die Herzgesundheit (die hier untersucht wurden) im frühen Erwachsenenalter offenbar einen starken Einfluss darauf haben, ob man später an Alzheimer erkrankt oder nicht.
Auch interessant: Alzheimer-Gen! Was Chris Hemsworth deshalb in seinem Leben verändert hat
Alzheimer-Vorbeugung kann schon im jungen Alter beginnen
Diese Studie ist vor allem deswegen wichtig, weil sie aufzeigt, dass die Alzheimer-Entwicklung offenbar ein lebenslanger Prozess ist, der nicht erst im hohen Alter stattfindet. In der Studienauswertung betonen die Forscher, dass sie nicht junge Erwachsene beunruhigen wollen. Schließlich ist Alzheimer eine Krankheit, die meistens erst ab dem 60. Lebensjahr akut wird. Doch die Studie offenbart, dass die biologischen Pfade, die zu Alzheimer führen, viel früher aktiv sein könnten als bislang angenommen.
Somit steht womöglich ein wesentlich größeres Zeitfenster zur Vorbeugung zu Verfügung. Denn die bisherigen Behandlungen zielen meist auf ältere Erwachsene mit bereits vorhandenen Symptomen ab. Sie richten sich gegen Hirnschäden, die Jahrzehnte zuvor begonnen haben. Bislang können Therapien das Fortschreiten zwar etwas abbremsen, aber nicht gänzlich stoppen.
Mithilfe der aktuellen Studie könnten Empfehlungen und Richtlinien für junge Erwachsene entwickelt werden, um sie vor Alzheimer im höheren Alter zu schützen. Basierend auf den Ergebnissen der Studie raten die Forscher zur Kontrolle des Blutdrucks, zum Halten eines gesunden Gewichts, zu viel körperlicher Aktivität und zu geistiger Weiterbildung. Diese Faktoren scheinen sowohl das Herz als auch das Gehirn zu schützen.

Forscher identifizieren Faktor, der genetischem Risiko für Alzheimer entgegenwirkt

Studie identifiziert mögliches Frühwarnzeichen für Alzheimer

Zweimal täglich Zähneputzen kann laut Studie vor Alzheimer schützen
Einschränkungen der Studie
So spannend die Erkenntnisse der Studie sind, so weist sie doch einige Einschränkungen auf. Vor allem der erhebliche Unterschied zwischen den Stichprobengrößen in der ersten und zweiten untersuchten Welle schränkt die statistische Aussagekraft ein. Einige der Biomarker standen nur in der zweiten untersuchten Welle zur Verfügung. Und für die Immunmarker wurden in den verschiedenen Wellen unterschiedliche Entnahmemethoden verwendet. Dies hat zu einigen Unterschiede in den Ergebnissen geführt. Somit braucht es weitere Untersuchungen, um die hier genannten Ergebnisse zu den Alzheimer-Warnzeichen bei jungen Erwachsenen zu verifizieren.