21. Dezember 2023, 13:29 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Bei der Alzheimer-Therapie lag der Schwerpunkt bislang auf der Vergabe bestimmter Medikamente. Nun rückt eine andere Behandlungsmethode in den Fokus. In einer Studie wollen chinesische Forscher mit dieser beachtenswerte Erfolge an Patienten mit Alzheimer erzielt haben.
Alzheimer ist eine degenerative Erkrankung des Gehirns, die mit dem Verfall zerebraler Nervenzellen einhergeht. Zu den Symptomen zählen Sprachstörungen, zunehmende Vergesslichkeit und Orientierungsprobleme. Mit Medikamenten wie Antidementiva, Neuroleptika und Antidepressiva versucht man, das Fortschreiten der Krankheit im Zaum zu halten. Wie chinesische Forscher nun herausgefunden haben, könnte man die Gedächtnisleistung Betroffener womöglich kurzfristig verbessern, also einem typischen Alzheimer-Symptom gegensteuern: mit Gleichstrom.
Übersicht
Behandlung mit Gleichstrom könnte Alzheimer-Symptome lindern
Die Arbeit erschien kürzlich in der medizinischen Fachzeitschrift „General Psychiatry“.1 Darin haben Forscher der psychiatrischen Abteilung der Ningbo University in Zhejiang die sogenannte transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) an Patienten mit Alzheimer untersucht. Durch zwei tägliche Stimulationen der Probanden mit Gleichstrom will es ihnen gelungen sein, messbare Verbesserungen derer kognitiven Funktionen zu erzielen.
Verbesserte Plastizität des Gehirns
Unter anderem soll die Behandlung sich positiv auf die Plastizität des Gehirns ausgewirkt haben. Hierunter versteht man die Fähigkeit von Hirnstrukturen, sich zu verändern, „zum Beispiel in Anpassung an veränderte Umweltbedingungen“. So erklärt es die Max-Planck-Gesellschaft auf ihrer Website.2
tDCS bereits eine gängige Behandlungsmethode
Die untersuchte Behandlungsmethode mit einem tDCS-Gerät ist keine neue. In verschiedenen medizinischen Bereichen (z. B. in der Schmerztherapie und bei Depressionen) findet Gleichstrom bereits Anwendung. Auch ihre mögliche Relevanz im Zusammenhang mit Alzheimer steht schon länger im Raum. 2021 etwa haben deutsche Forscher tDCS speziell mit Fokus auf das räumliche Gedächtnis von Alzheimer-Patienten beleuchtet. Die randomisierte Studie ist auf dem Open-Access-Publikationsserver der Uni Kiel einzusehen.3
Details der Studie
Das Team unter Studienleiter Xingxing Li arbeitete in seiner aktuellen Studie mit 140 Alzheimer-Patienten. Sie alle hatten das 65. Lebensjahr überschritten, waren mindestens sechs Monate vor Studienbeginn mit der Erkrankung diagnostiziert worden und wiesen jeweils leichte bis mittelschwere Symptome auf.
Für die Untersuchung wurden die Probanden einer von zwei randomisierten Gruppen zugeteilt. Über einen Zeitraum von insgesamt sechs Wochen behandelten die Forscher die Alzheimer-Patienten aus Gruppe eins an fünf Tagen der Woche zweimal täglich mit Gleichstrom in einer moderaten Stärke. Dabei brachten die Forscher die Elektroden des tDCS-Geräts an jenem Bereich auf der Kopfhaut der Frauen und Männer an, unter dem sich ein bestimmter Teil des Frontallappens der Großhirnrinde befindet. Dieser fungiert quasi als „Kommandozentrale“ für bestimmte ausführende Leistungen (z. B. Planungen und Entscheidungen), verschiedene Gedächtnisaufgaben und das Sprachzentrum. Dagegen erhielt die zweite (Kontroll-)Gruppe nur scheinbar eine Behandlung.
Ablauf und Vorgehen
Nach jeweils zwei und sechs Wochen maßen die Forscher die potenziellen Ergebnisse der Behandlung. Hierfür verwendeten sie unter anderem das Mini-Mental State Exam (MMSE): ein in der Medizin übliches Testverfahren zur Einschätzung des Krankheitsfortschritts bei Alzheimer- und Demenzpatienten. Im Vorfeld der Untersuchungsaufnahme hatten alle Probanden bei jenem MMSE mit einem Score abgeschnitten, der offiziell als Hinweis für beeinträchtigte kognitive Fähigkeiten gewertet wird. Die oben erklärte Gehirn-Plastizität der Probanden beurteilten die Forscher vor, im Verlauf und zum Abschluss der Untersuchung anhand ihrer MEP (elektromyographisch motorisch evozierte Potenziale). Jene neurologische Untersuchungsmethode dient der Bewertung der Leit- und Funktionsfähigkeit von Nervenbahnen.
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Vielversprechende Ergebnisse
Nach den ersten zwei Studienwochen konnten Xingxing Li und sein Team bei keinem der Studienteilnehmer kognitive Verbesserungen feststellen. Nach sechs Wochen jedoch hatte sich speziell die Gedächtnisleistung in der tDCS-Gruppe deutlich gesteigert, wie die Studiendokumentation zeigt. „Darüber hinaus wurde das geschädigte MEP-Niveau nach der aktiven Behandlung verbessert“, heißt es in der Abhandlung weiter.
Es sei die erste Studie, die in dieser Form den – offenbar günstigen – Effekt von Gleichstrom auf Alzheimer untersucht hat. Das Team will mit seinen Ergebnissen belegen können, dass eine „kognitive Dysfunktion mit einer gestörten kortikalen Plastizität zusammenhängen könnte“. Die Alzheimer-Forschung sollte sich auf diese wechselseitige Beziehung konzentrieren, empfehlen die Studienautoren. Was die Behandlung betrifft, so könnte die erfolgversprechende Methode wohl allgemein Schule machen. Denn tDCS gilt als nebenwirkungs- und beschwerdefrei, es gibt entsprechende Geräte bereits zur Eigenanwendung für zu Hause.