6. Dezember 2022, 13:03 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Es könnte bald möglich sein, per Urintest zu bestimmen, ob eine Person an Alzheimer leidet – und das bereits in einem frühen Stadium der Erkrankung. Chinesische Forscher wollen bestimmte Biomarker ausgemacht haben, die in dem Ausscheidungsprodukt von Alzheimer-Patienten vorkommen.
Alzheimer wird gemeinhin erst dann diagnostiziert, wenn die Erkrankung bereits typische Verhaltensauffälligkeiten aufweist, sprich relativ fortgeschritten ist. Dabei wäre eine möglichst zeitnahe Aufnahme therapeutischer Maßnahmen wichtig, um den geistigen Abbau der Patienten im Zaum zu halten. Denn Alzheimer ist bis heute nicht heilbar. Die Forschung ist daher stets um eine Verbesserung der Alzheimer-Früherkennung bemüht – und könnte nun mit einem simplen Test einen entscheidenden Schritt vorangekommen sein.
Übersicht
Kommt jetzt der Urintest zur Alzheimer-Früherkennung?
Ein Forscherteam des Shanghai Sixth People’s Hospital und der Shanghai Jiao Tong University hat sich bei der Suche nach möglichen Hinweisen auf eine Alzheimer-Erkrankung auf den menschlichen Urin konzentriert.
Frühere Untersuchung sollen sie auf die richtige Fährte gebracht haben, wie aus der Studiendokumentation hervorgeht1. Demnach bestehe seit einigen Jahren die Annahme, dass Alzheimer-Patienten – insbesondere in fortgeschritteneren Erkrankungsstadien – außergewöhnlich hohe Mengen an der chemischen Verbindung Formaldehyd verstoffwechselten. Doch die Untersuchungsmethoden und Erkenntnisse seien nicht vollends zufriedenstellend gewesen2. In ihrer aktuellen Studie fokussierten sich die chinesischen Forscher nicht mehr nur auf Formaldehyd, sondern im Speziellen auf Ameisensäure, zu der Formaldehyd im Körper oxidiert. Diese werten sie nun als einen umso deutlicheren Hinweis auf eine Alzheimer-Erkrankung, und zwar offenbar zu einem bereits frühen Stadium.
Details zur Studie und Erkenntnisse
Die Forscher arbeiteten für ihre Untersuchung mit 574 Probanden. Darunter waren der Studiendokumentation zufolge neben Alzheimer-Patienten in unterschiedlichen Krankheitsstadien auch gesunde Erwachsene als Kontrollgruppe. Sie alle ließen sich Blut abnehmen und unterzogen sich psychologischen Tests, auf Basis derer die Wissenschaftler ihren geistigen Zustand beurteilten. Zuletzt natürlich stellte die Urinanalyse einen wesentlichen Untersuchungsbestandteil dar.
Es zeigte sich: Bei allen an Alzheimer Erkrankten – auch bei solchen in einem sehr frühen Stadium der Erkrankung – waren die Werte der Ameisensäure im Urin auffällig erhöht.
Bisherige Alzheimer-Untersuchungen aufwändig
Ameisensäure scheint den Ergebnissen zufolge ein sensitiver Biomarker für Alzheimer zu sein. Die Forscher sehen darin eine Chance, die Früherkennung zu verbessern und die Diagnosestellung zu erleichtern.
Die Vorgehensweise hier ist bislang relativ kompliziert. Um Alzheimer festzustellen, müssen Anamnesegespräche geführt und verschiedene körperliche Untersuchungen sowie psychologische Testungen erfolgen. Weiterhin sind Blutuntersuchungen nötig sowie abschließend bildgebende Verfahren wie CT und MRT. Manchmal werden zusätzlich Lumbalpunktionen, also Hirnwasseruntersuchung durchgeführt, die zwar keine ernsten Risiken mitbringen sollen, jedoch einen Eingriff bedeuten und daher Patienten und ihre Angehörigen zumindest abschrecken. Der Nachweis von Alzheimer-Biomarkern im Urin wäre dagegen „bequem und kostengünstig“, erklären die Studienautoren. Daher sollten ihrer Überzeugung nach bei älteren Patienten entsprechende Urintests in die Routineuntersuchungspraxis aufgenommen werden.
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Quelle
- 1. Wang, Y., Wang, Y., Zhu, Z. et al. (2022), Systematic evaluation of urinary formic acid as a new potential biomarker for Alzheimer’s disease. Frontiers in Aging Neuroscience.
- 2. Zhao, H., Huang, X., Tong, Z. (2021), Formaldehyde-Crosslinked Nontoxic Aβ Monomers to Form Toxic Aβ Dimers and Aggregates: Pathogenicity and Therapeutic Perspectives. Chemistry Europe.