
24. Januar 2025, 11:08 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Alkohol betrifft uns alle – ob direkt oder indirekt. An die acht Millionen Menschen in Deutschland konsumieren ihn in gesundheitlich riskanter Form, mehr als 1,4 Millionen sind davon richtig abhängig. Jeder kennt also jemanden, der von Alkoholismus betroffen ist. FITBOOK nennt die schleichenden Symptome einer Abhängigkeit und sagt, welche gesundheitlichen Folgen drohen.
Die Zahlen sind schockierend: 1,4 Millionen Menschen in Deutschland sind abhängig von Alkohol (FITBOOK berichtete). Ein großer Teil davon ist in medizinischer Behandlung. Alkohol in gesundheitlich riskanter Form konsumieren 7,9 Mio. Menschen der 18- bis 64-jährigen Bevölkerung.1 Sieht man sich die gesundheitlichen Folgen, wird es nicht minder düsterer. Alkoholismus ist einer der wesentlichen Risikofaktoren für chronische Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebserkrankungen, Fettleber, aber auch psychische Erkrankungen wie Angststörungen sowie neurologische Störungen wie Demenz und Depressionen. Ganz entscheidend ist es, gefährdete Personen frühzeitig zu erkennen. FITBOOK zeigt auf, welche ersten Anzeichen und Warnsignale es für Alkoholismus gibt.
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Übersicht
- So häufig kommt Alkoholismus vor
- Die 5 Jellinek-Typen der Alkohol-Abhängigkeit
- Mögliche erste Anzeichen von Alkoholismus
- Kriterien einer Alkoholabhängigkeit
- Ursachen
- Alkoholismus wesentlicher Risikofaktor für diese Erkrankungen
- Entzugserscheinungen
- Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
- Wo bekomme ich Hilfe?
- Quellen
So häufig kommt Alkoholismus vor
Laut dem Epidemiologischen Suchtsurvey des Instituts für Therapieforschung, der den Substanzkonsum der Bevölkerung in Deutschland regelmäßig erfasst, waren 2018 insgesamt 4,5 Prozent der Männer und 1,7 Prozent der Frauen zwischen 18 und 64 Jahren abhängig von Alkohol.2 In Summe sind das rund 1,6 Millionen wirklich Abhängige. Laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen konsumieren 7,9 Millionen Menschen der 18- bis 64-jährigen Bevölkerung Alkohol in einer gesundheitlich riskanten Form. Davon spricht man ab einem durchschnittlichen Konsum von mehr als zwölf Gramm reinen Alkohol (Frauen) bzw. 24 Gramm (Männer) pro Tag.3 Zwischen zehn und zwölf Gramm reinen Alkohol (und damit einen riskanten Konsum) erreicht man als Frau etwa mit täglich einem 0,3-Liter-Bier; einem 4-cl-Glas Schnaps oder 0,125 Litern Wein. Bei Männern beginnt die riskante Menge entsprechend etwa bei der doppelten Menge. Ein hoher Konsum liegt bei mehr als 80 Gramm Alkohol pro Tag (Frauen) bzw. bei mehr als 120 Gramm (Männer).4
Laut einer Analyse des Barmer Instituts für Gesundheitssystemforschung (bifg) liegt in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen der Anteil alkoholkranker Menschen über ein Drittel höher als im Bundesschnitt (FITBOOK berichtete).
Alkoholbedingte Sterbefälle in Deutschland
Daten des Statistischen Bundesamts von 2007 zeigen: Zwischen 1980 und 2005 hat sich die Zahl der jährlich an alkoholbedingten Krankheiten Verstorbenen von 9.042 auf 16.329 nahezu verdoppelt. Sie liegt etwa deutlich über der Zahl der Menschen, die in Deutschland jährlich durch Verkehrsunfälle ums Leben kommen.5
Die 5 Jellinek-Typen der Alkohol-Abhängigkeit
Die Alkoholsucht wurde erst 1849 ausführlich als Krankheit beschrieben; später setzten sich dann die verschiedenen Alkoholiker-Typen durch, die Elvin Morton Jellinek zwischen 1941 und 1952 untersucht und beschrieben hat. Der US-Mediziner forschte in Yale und an der Stanford Universität und gilt als der Erforscher der Alkoholkrankheit. Jellinek unterscheidet Konflikttrinker, Gelegenheitstrinker, Rauschtrinker, Spiegeltrinker sowie Quartalstrinker.6 Diese Typen dienen einer ersten Einordnung, sie sind sozusagen als Frühwarnsystem hilfreich. Heute werden zur Diagnose einer Alkoholsucht weitaus mehr Kriterien herangezogen. Dennoch möchten wir einmal genauer beleuchten, was Jellinek mit seiner Typologie meint:
- Der Konflikttrinker (Alpha-Typ) nutzt Alkohol als vermeintlichen Problemlöser, indem er ihn zum Stressabbau und zur Entspannung trinkt.
- Der Gelegenheitstrinker oder Gesellschaftstrinker (Beta-Typ) trinkt gerne in geselligen Runden. Er kann jederzeit auf Alkohol verzichten, konsumiert also nicht zwanghaft. Er denkt womöglich vermehrt an Alkohol.
- Der süchtiger Trinker oder Rauschtrinker (Gamma-Typ) trinkt, bis er betrunken ist – ob in Gesellschaft oder alleine. Es gibt zwar auch längere abstinente Phasen, doch es liegt bereits eine Alkoholabhängigkeit vor.
- Der Spiegeltrinker (Delta-Typ) trinkt regelmäßig, um den Pegel zu halten. Wenn ihm Alkohol fehlt, leidet er unter körperlichen Schmerzen und Entzugserscheinungen. Es besteht keine Kontrolle über das Trinkverhalten.
- Der Quartalstrinker (Epsilon-Typ) hat keine Kontrolle über seinen Alkoholkonsum, wenn er sich in einer Trinkphase befindet. Er kann phasenweise auch keinen Alkohol konsumieren; beginnt er zu trinken, verliert er erneut die Kontrolle
Was bringt die Typologie nach Jellinek?
Jellineks Typologie zeigt, dass Alkoholsucht nicht immer gleich abläuft und verschiedene Ursachen haben kann (Stressabbau, physische Abhängigkeit). Jellineks Typen zeigen außerdem, dass diese unterschiedliche therapeutische Ansätze benötigen. Sie bieten eine erste Einordnung, um die Suchtproblematik des Einzelnen zu bewerten und dann gezielt anzugehen.
Auch interessant: Eigenbrauer-Syndrom – wenn man ohne Alkoholkonsum betrunken wird
Mögliche erste Anzeichen von Alkoholismus
Die Entstehung der Sucht ist meist ein schleichender Prozess, der das Verlangen nach Alkohol oft unbemerkt steigert. Meist geht damit ein verschlechterter körperlicher und psychischer Allgemeinzustand einher. Alkoholismus ist als Kreislauf zu betrachten, in dem Betroffene nach dem Versuch erneut mit dem Trinken beginnen und anschließend in das ehemalige Muster zurückfallen, aus dem sie nur erschwert wieder herausfinden. Ein erstes Anzeichen ist ein starkes Verlangen nach Alkohol, das dauerhaft auftritt. Betroffene können nicht einfach so aufhören, zu trinken und entwickeln Strategien, um an Alkohol zu kommen, wenn das Umfeld kontrollierend eingreift. Ein weiteres Anzeichen ist der Kontrollverlust: Alkoholabhängige können nach bspw. einem Glas Wein nicht aufhören, zu trinken – der gesunde Menschenverstand setzt aus, sie denken bspw., dass es kein Problem sei, nach dem x-ten Glas noch Autofahren zu können. Des Weiteren werden häufig Hobbys, Job und die Familie vernachlässigt – denn die Beschaffung von Alkohol ist immer wichtiger. Alkoholsüchtige sehen nicht ein, dass sie ein Problem haben und sie trinken heimlich, wenn das soziale Umfeld sie auf ihr Problem anspricht.
Kriterien einer Alkoholabhängigkeit
Die Kriterien einer Alkoholabhängigkeit laut der Stiftung Gesundheitswissen im Überblick:
- Ein Zwang, Alkohol zu konsumieren
- Schwierigkeiten bei der Kontrolle des Alkoholkonsums
- Körperliche Entzugserscheinungen, wenn zu wenig oder kein Alkohol getrunken wird
- Nachweis einer Toleranz
- Vernachlässigung von Hobbies, Familie usw.
- Nicht aufhören zu trinken trotz körperlichen oder psychischen Folgen7
Ursachen
Bei der Entwicklung einer Alkoholabhängigkeit können sehr unterschiedliche Aspekte eine Rolle spielen: Männer sind grundsätzlich eher betroffen als Frauen. Auch bestimmte genetische Kombinationen, psychische Störungen (wie bspw. Verhaltensstörungen oder Depressionen) und schwierige soziale Situationen erhöhen das Risiko. Als Beispiel wären hier zu nennen: Das Fehlen einer Bezugsperson in der Kindheit oder Eltern, die selbst ein Alkoholproblem haben etc. Bei Jugendlichen hat die Gruppe der Gleichaltrigen (Peergroup) hohen Einfluss auf den Alkoholkonsum – und frühzeitiger Konsum begünstigt natürlich die Entwicklung der Abhängigkeit. Auch hat sich gezeigt, dass es Persönlichkeitsmerkmale gibt, die offenbar Alkoholismus begünstigen. Beispiel Perfektionismus: Eine belgische Studie hat gezeigt, dass viele Alkoholkranke unrealistische Maßstäbe an sich selbst setzen, FITBOOK berichtete.
Alkoholismus wesentlicher Risikofaktor für diese Erkrankungen
Kurzfristig hebt Alkohol die Stimmung des Erkrankten, kann sich aber auch in Aggressivität äußern. Gestört sind Koordinationsfähigkeit und Wahrnehmung. Langfristig werden fast alle Organe zum Teil irreversibel geschädigt, darunter Herz, Gehirn, Leber, Nieren, Magen, Darm.7
Das Risiko diverser chronischer Erkrankungen steigt: Alkoholismus ist einer der wesentlichen Risikofaktoren für Herzinsuffizienz, Fettleber, Krebs und Erkrankungen des Verdauungstrakts wie Entzündungen der Magenschleimhaut. Das Risiko psychischer Erkrankungen steigt, etwa für Depressionen, Angststörungen und Psychosen. Neurologische Störungen drohen, dazu zählen Gehirnschäden oder Demenz. Alkoholismus befeuert familiäre Konflikte, das Risiko von Arbeitslosigkeit steigt. Auf gesellschaftlicher Ebene verursacht die Erkrankung hohe Kosten für das Gesundheitssystem.
Entzugserscheinungen
Wenn der Konsum während einer Alkoholsucht schlagartig gestoppt wird, reagiert der Körper mit Entzugserscheinungen. Diese müssen nicht ausschließlich körperliche Auswirkungen haben und können daher auch psychische Beschwerden hervorrufen. Denn Körper und Psyche befinden sich ab diesem Moment in einem Ungleichgewicht. Sie klingen erst wieder ab, wenn die Sucht des Trinkens wieder aufgenommen wird. Meist wird die Droge in diesem Stadium auch konsumiert, um die Symptome zu lindern.
Liste möglicher Entzugserscheinungen:
- Schlafstörungen
- Schweißausbrüche
- morgendliches Zittern
- Brechreiz
- Unruhe und Angst
- depressive Verstimmungen
- Krampfanfälle
- optische und akustische Halluzinationen
- Delirium tremens (lat. delirium ‚Irresein‘ und tremere ‚zittern‘), auch als ‚Säuferwahn‘ bekannt: Neben Halluzinationen und starkem Zittern auch Verwirrtheit, Angstzustände, Herzklopfen, Schweißausbrüche und potenziell lebensbedrohlich
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Der Körper kann den Alkohol und seine toxischen Abbauprodukte durch eine abrupte Beendigung der Zufuhr loswerden. Eine solche Entgiftung erfolgt auf Einweisung des Hausarztes, dauert etwa ein bis zwei Wochen und findet in der Klinik statt. Von kaltem Entzug ist die Rede, wenn das Ganze ohne ärztliche und medikamentöse Begleitung erfolgt.
Eine anschließende Entwöhnung sollte unmittelbar auf die Entgiftung folgen. Sie durchleuchtet die individuellen Verhaltensmuster und Gewohnheiten des Betroffenen, die zu seinen Alkoholismusrückfällen führen. Die Behandlung muss beantragt werden und kann mehrere Monate dauern. Durchgeführt werden kann eine Entwöhnung sowohl ambulant als auch stationär.
Auch eine Nachsorge ist wichtig, damit der Betroffene abstinent bleibt und akzeptiert, dass er an einer Sucht erkrankt ist. Situationen, die zu einem Rückfall führen können, müssen immer wieder besprochen werden.
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Wo bekomme ich Hilfe?
Suchtberatungsstellen wie die Anonymen Alkoholiker oder Blaues Kreuz, die Freundeskreise für Suchtkranke oder der Kreuzbund sind mögliche erste Anlaufstelle für Menschen, die bei sich oder einer nahestehenden Person ein problematisches Trinkverhalten erkannt haben. Auch der Hausarzt ist eine gute Anlaufstelle bei Verdacht auf Alkoholismus. Wichtig: Der Kreislauf der Alkoholsucht verlangt professionelle Hilfe und Betreuung.