22. September 2022, 17:08 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Häufige Albträume können ein früher Indikator für eine mögliche zukünftige Demenz sein, sagt eine neue Studie. Dies gelte vor allem für Männer. Welche Hoffnung hinter dieser Erkenntnis steckt.
Kinder werden besonders häufig von Alpträumen geplagt. Mit fortschreitendem Alter lassen sie in der Regel glücklicherweise nach. Menschen, die ab 35 Jahren aufwärts ungewöhnlich viele Horror-Nächte erleben, sollten dies keineswegs auf die leichte Schulter nehmen, warnt Dr. Abidemi Otaiku, Forscher der University of Birmingham. Seine Studie kommt zu der Erkenntnis, dass Albträume ein frühes Anzeichen für Demenz sein könnten, welche sich erst Jahre später entwickelt. Darin verberge sich aber zugleich die Chance, rechtzeitig zu handeln.
Übersicht
Erstmals Verbindung zwischen Albträumen und Demenz entdeckt
Wir verbringen ein Drittel unseres Lebens schlafend. Und ein Viertel unserer Schlafzeit verbringen wir mit Träumen. Mit 73 Jahren, hat der Mensch durchschnittlich sechs Jahre in seinen Traumwelten verbracht. Und obwohl Träumen eine derart zentrale Rolle im Leben spielt, ist die Wissenschaft noch weit entfernt davon zu verstehen, welche Bedeutung unsere Träume für die Gesundheit haben könnten – insbesondere für die Gehirngesundheit. Die aktuelle Studie kommt nun zu dem Schluss, dass die Art des Traums Informationen darüber preisgeben kann. „Wir haben zum ersten Mal gezeigt, dass Albträume bei gesunden Erwachsenen ein extrem frühes Warnzeichen für Demenz sein können“, erklärt Otaiku in einer Universitätsmitteilung.1 Warum das so ist, darüber hat der Forscher bislang nur Vermutungen.
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Drei große US-Studien mit über 600 Personen analysiert
Der Wissenschaftler analysierte Daten aus drei großen US-Studien zu Gesundheit und Altern. Zusammen waren über 600 Personen zwischen 35 und 64 Jahren und 2.600 Personen ab 79 Jahren beteiligt. Alle Teilnehmer waren zu Beginn der Studie demenzfrei und wurden durchschnittlich neun Jahre in der jüngeren Gruppe und fünf Jahre in der älteren beobachtet. Zu Beginn füllte jeder einen Fragebogen aus, darunter einen, der danach fragte, wie oft schlechte Träume auftauchen. Bei der Auswertung schaute Otaiku, ob eine höhere Häufigkeit von Albträumen mit einem kognitiven Rückgang während der kommenden Jahre verbunden war.2
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Ein Albtraum pro Woche bereits Warnzeichen
Die Forschung zeigte, dass Menschen mittleren Alters (35-64), die mindestens einmal wöchentlich Albträume durchmachen müssen, in den folgenden zehn Jahren mit viermal höherer Wahrscheinlichkeit einen kognitiven Rückgang erleiden, während bei älteren Menschen doppelt so häufig Demenz diagnostiziert wurde. „Es gibt bislang nur sehr wenige Risikoindikatoren für Demenz, die bereits im mittleren Alter identifiziert werden können“, so Dr. Abidemi Otaiku. „Albträume sind nützliche Hinweise, um Personen mit einem hohen Risiko für Demenz zu identifizieren, sowie Strategien zu ihrer Verlangsamung zu entwickeln.“
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Männer stärker betroffen
Interessanterweise war der Zusammenhang zwischen Albträumen und zukünftiger Demenz bei Männern viel stärker als bei Frauen. Zum Beispiel entwickelten ältere Männer, die jede Woche Alpträume hatten, mit einer fünfmal höheren Wahrscheinlichkeit die Krankheit als „Normalträumer“. Bei Frauen betrug die Risikoerhöhung jedoch „nur“ 41 Prozent. So stellte sich für den Forscher die Frage: Sind Albträume möglicherweise sogar Ursache für Demenz? Dass Albträume ein Zeichen für krankhafte Veränderungen im Gehirn sein können, hatte Otaiku übrigens bereits in einer anderen Studie aufzeigen können. Diese hatte einen Zusammenhang zwischen schlechten Träumen und Parkinson entdeckt (FITBOOK berichtete).3
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Albträume sind behandelbar
Die gute Nachricht ist, dass wiederkehrende Albträume behandelbar sind. Für Otaiku ist es deshalb nicht ausgeschlossen, dass Betroffene, die bereits in jüngeren Jahren handeln, womöglich vor dem drohenden kognitiven Verfall verschont bleiben. „Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Therapie von Albträumen dazu beitragen könnte, die Prozesse zu verlangsamen und bei manchen Menschen die Entwicklung einer Demenz gänzlich zu verhindern.“ So gibt es Fallberichte, die Verbesserungen des Gedächtnisses und der Denkfähigkeit nach der Behandlung von Albträumen zeigen.4
Früherkennung Neues Anzeichen für Parkinson entdeckt
Neue Studie Blutdrucksenkende Medikamente könnten Demenz vorbeugen
Laut Studie Albträume können mögliches Frühwarnzeichen einer bestimmten Autoimmunerkrankung sein
Quellen
- 1. University of Birmingham (2022): Nightmares in middle age linked to dementia risk (aufgerufen am 22. September 2022)
- 2. Otaiku AI (2022): Distressing dreams, cognitive decline, and risk of dementia: A prospective study of three population-based cohorts, EClinicalMedicine.
- 3. Otaiku, Abidemi Idowu. (2022). Distressing Dreams and Risk of Parkinson’s Disease. EClinicalMedicine.
- 4. Gop P, Fang Y, Feng M (2022): Case report: Prazosin augmentation for treating comorbid treatment-resistant depression and chronic post-traumatic stress disorder. frontiers.