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Studie

Der Einfluss einer ADHS-Erkrankung auf die Lebenserwartung

ADHS beeinflusst offenbar die Lebenserwartung
Eine Studie zeigt, dass ADHS die Lebenszeit verkürzen kann – und bei Frauen offenbar noch mehr als bei Männern Foto: Getty Images

18. Februar 2025, 19:00 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Menschen mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) haben nicht nur mit alltäglichen Herausforderungen zu kämpfen – offenbar müssen sie auch damit rechnen, früher zu sterben als Menschen ohne ADHS-Diagnose. Zu dieser Erkenntnis kommt eine aktuelle britische Studie. Die Details erklärt FITBOOK-Redaktionsleiterin Melanie Hoffmann.

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ADHS ist eine neurobiologische Störung, die oft als Kinderkrankheit wahrgenommen wird, aber in vielen Fällen bis ins Erwachsenenalter bestehen bleibt. Betroffene haben ein erhöhtes Risiko für psychische und körperliche Erkrankungen sowie soziale und wirtschaftliche Schwierigkeiten. Frühere Studien zeigten bereits, dass Menschen mit ADHS häufiger frühzeitig versterben – doch genaue Daten zur Lebenserwartung fehlten bisher.1,2 Nun liefert eine umfassende Analyse von britischen Gesundheitsdaten erstmals eine Schätzung der durchschnittlichen Lebenserwartung von Erwachsenen mit ADHS auf Basis realer Mortalitätsdaten. Die Ergebnisse: ADHS-Patienten leben kürzer als Menschen ohne ADHS, bei Frauen ist diese Tendenz sogar noch stärker ausgeprägt als bei Männern.3

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Ziel der Studie

Ziel der Studie war, erstmals die Lebenserwartung von Erwachsenen mit diagnostiziertem ADHS in Großbritannien zu schätzen. Bisherige Untersuchungen hatten lediglich das erhöhte Sterberisiko erfasst, ohne konkrete Lebensjahre zu berechnen. Die Forscher nutzten die Lebenstafel-Methode, um zu berechnen, wie viele Lebensjahre Menschen mit ADHS im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung verlieren.4 Dabei wurden alle Todesursachen einbezogen. So entstand ein umfassendes Bild der Auswirkungen von ADHS auf die Lebenserwartung.

ADHS wird oft mit impulsivem Verhalten, erhöhtem Unfallrisiko und psychischen Erkrankungen in Verbindung gebracht.5 Zudem leiden Betroffene häufiger unter Begleiterkrankungen. Dazu zählen Herz-Kreislauf-Probleme, Diabetes und Depressionen.6 Wie bereits erwähnt, deuteten frühere Untersuchungen schon auf eine erhöhte Sterblichkeit hin. Fehlende Daten zur Lebenserwartung erschwerten jedoch bislang eine genaue Einschätzung des Problems. Die aktuelle Studie wollte diese Lücke schließen und aufzeigen, wie dringend Verbesserungen in der Versorgung und Unterstützung von Menschen mit ADHS sind.

Studiendesign und Methoden

Die Studie wurde als retrospektive Kohortenstudie mit „gematchten“ Vergleichspersonen durchgeführt. Dazu wurden anonymisierte elektronische Gesundheitsdaten aus britischen Hausarztpraxen analysiert, die im „IQVIA Medical Research Data (IMRD)“-System gespeichert sind. Diese Datenbank umfasst etwa zehn Prozent der britischen Bevölkerung und ermöglicht eine realitätsnahe Untersuchung langfristiger Gesundheitstrends.

Die Forscher identifizierten 30.039 Erwachsene mit einer ADHS-Diagnose und ordneten jedem Betroffenen zehn Vergleichspersonen ohne ADHS zu, die in Alter, Geschlecht und behandelnder Hausarztpraxis übereinstimmten („Matching“). Die Beobachtungszeit erstreckte sich von 2000 bis 2019. Der Fokus der Auswertung lag auf der Gesamtsterblichkeit der Probanden. Um die Lebenserwartung von Männern und Frauen mit ADHS zu ermitteln, nutzten die Wissenschaftler ein Poisson-Modell. Dabei handelt es sich um ein statistisches Verfahren, um die Häufigkeit eines Ereignisses über eine gewisse Zeit zu bestimmen. Das Modell wurde mit altersabhängigen Sterbedaten gefüttert.

Ein wichtiger Aspekt der Studie war die Berücksichtigung von Begleiterkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und psychischen Störungen, um mögliche Ursachen für die reduzierte Lebenserwartung besser einordnen zu können.

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Erkenntnis: Lebenserwartung bei Menschen mit ADHS offenbar reduziert

Die Ergebnisse der Studie zeigen eine signifikant reduzierte Lebenserwartung für Menschen mit diagnostiziertem ADHS.

Männer mit ADHS hatten eine geschätzte Lebenserwartung von 73,26 Jahren, verglichen mit 80,03 Jahren bei nicht betroffenen Männern. Frauen mit ADHS hatten eine geschätzte Lebenserwartung von 75,15 Jahren, während Frauen ohne ADHS durchschnittlich 83,79 Jahre alt wurden. Anders ausgedrückt: Die in der Studie betrachteten Männer mit ADHS lebten durchschnittlich 6,78 Jahre kürzer als Männer ohne ADHS-Diagnose. An ADHS erkrankte Frauen verloren im Durchschnitt sogar 8,64 Lebensjahre.

Das Risiko eines vorzeitigen Todes stieg mit zunehmendem Alter exponentiell an. Die Studie liefert jedoch keine direkten Daten zu den Ursachen der erhöhten Sterblichkeit. Frühere Untersuchungen legen nahe, dass Suizid, Unfälle oder Folgeerkrankungen von Risikoverhalten wie Rauchen und Alkoholmissbrauch eine Rolle spielen könnten.7,8

Bei unseren Kolleginnen von STYLEBOOK erfahren Sie, wieso ADHS bei Frauen oft (erst) im Erwachsenenalter diagnostiziert wird

Welche Bedeutung haben die Ergebnisse?

Die deutliche Reduktion der Lebenserwartung zeigt, dass ADHS nicht nur eine psychische Störung ist, sondern potenziell auch erhebliche Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit und das Sterberisiko hat. Dabei könnten viele der mit ADHS verbundenen Risiken vermeidbar sein.

Eine mögliche Erklärung für die Ergebnisse der britischen Studie könnte der unzureichende Zugang zu spezialisierten Gesundheitsdiensten für Erwachsene mit ADHS in Großbritannien sein. Viele Betroffene bleiben unbehandelt, obwohl es wirksame medikamentöse und therapeutische Interventionen gibt. Zudem haben Menschen mit ADHS häufig soziale und berufliche Schwierigkeiten, was Stress, finanzielle Unsicherheit und schlechtere Lebensbedingungen begünstigt – alles Faktoren, die das Sterberisiko erhöhen könnten.

Die Studienergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit weiterer Forschung sowie gezielter Maßnahmen zur Unterstützung von Menschen mit ADHS. Dazu könnten Programme zur Rauchentwöhnung, psychologische Unterstützung und eine bessere Integration in das Gesundheitssystem gehören.

Auch interessant: Kampagne will mit „Mythen“ über ADHS aufräumen

Einordnung der Studie und mögliche Einschränkungen

Diese Studie liefert die erste direkte Schätzung der Lebenserwartung von Menschen mit ADHS in Großbritannien anhand realer Mortalitätsdaten und bestätigt Ergebnisse aus internationalen Untersuchungen.

Dennoch gibt es einige Einschränkungen

Keine Angaben zur Todesursache

Die Studie untersucht die Gesamtsterblichkeit, liefert aber keine direkten Daten zu spezifischen Todesursachen.

Mögliche Verzerrung durch selektive Diagnostik

Menschen mit ADHS werden häufig erst diagnostiziert, wenn sie bereits psychische oder gesundheitliche Probleme haben, was die Schätzung des Lebenszeitverlusts beeinflussen könnte.

Sozioökonomische Faktoren

Diese wurden nicht separat analysiert, obwohl sie eine Rolle bei der erhöhten Sterblichkeit spielen könnten.

Generalisierbarkeit

Die Ergebnisse beziehen sich auf Großbritannien und sind nicht ohne Weiteres auf andere Länder übertragbar.

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Fazit

Die britische Studie zeigt eindrucksvoll, dass ADHS weit über eine Konzentrationsstörung hinausgeht – sie kann mit einer deutlichen Reduktion der Lebenserwartung einhergehen. Männer mit ADHS verlieren im Durchschnitt fast sieben Jahre, Frauen sogar fast neun Jahre ihrer potenziellen Lebenszeit.

Da viele der Risikofaktoren, die die kürzere Lebenserwartung erklärten könnten, potenziell vermeidbar sind, besteht dringender Handlungsbedarf. Eine bessere Diagnostik, gezielte Unterstützung und der Ausbau von Behandlungsangeboten könnten dazu beitragen, die Lebenserwartung und Lebensqualität von Menschen mit ADHS nachhaltig zu verbessern.

Themen ADHS

Quellen

  1. Catalá-López, F., Hutton, B., Page, M.J. et al. (2022). Mortality in persons with autism spectrum disorder or attention-deficit/hyperactivity disorder. JAMA Pediatr. ↩︎
  2. Jokela, M, Ferrie, J, Kivimäki, M. (2009). Childhood problem behaviors and death by midlife: the British national child development study. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry. ↩︎
  3. O'Nions, E., El Baou, C.
    Open the ORCID record for Céline El Baou, John, A. et al. (2025). Life expectancy and years of life lost for adults with diagnosed ADHD in the UK: matched cohort study. The British Journal of Psychiatry. ↩︎
  4. Spektrum. Lebenstafel. (aufgerufen am 18.2.2025) ↩︎
  5. Leppert, B., Riglin, L., Wootton, R.E. et al. (2021). The Effect of Attention Deficit/Hyperactivity Disorder on Physical Health Outcomes: A 2-Sample Mendelian Randomization Study. Am J Epidemiol. ↩︎
  6. Li, L., Chang, Z., Sun, J. et al. (2022). Attention-deficit/hyperactivity disorder as a risk factor for cardiovascular diseases: a nationwide population-based cohort study. World Psychiatry. ↩︎
  7. Van Eck, K., Ballard, E., Hart, S. et al. (2015). ADHD and Suicidal Ideation: The Roles of Emotion Regulation and Depressive Symptoms Among College Students. J Atten Disord. ↩︎
  8. Galéra, C., Salla, J., Montagni, I. et al. (2017). Stress, attention deficit hyperactivity disorder (ADHD) symptoms and tobacco smoking: the i-share study. Eur Psychiatry ↩︎
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