7. Juli 2021, 14:31 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
In der Apotheke ist Ihnen wahrscheinlich noch nie dazu geraten worden, bei Kopfschmerzen zur abgelaufenen Aspirintablette zu greifen – der Apotheker tut es aber vielleicht schon noch. Die darin enthaltene Acetylsalicylsäure verliert zwar etwas an Wirksamkeit, wird aber durch seine Zersetzung nicht giftig. Andere Wirkstoffe in Medikamenten werden hingegen toxisch. FITBOOK klärt auf, was bei abgelaufenen Medikamenten zu beachten ist.
Wenn der Joghurt schon ein paar Tage abgelaufen ist, kann man ihn trotzdem noch essen. Aber wie verhält es sich bei Medikamenten? Tabletten und Co. halten meist mehrere Jahre lang. Fällt es dann ins Gewicht, wenn das Verfallsdatum (geringfügig) überschritten wird?
Übersicht
Wie lange sind Medikamente haltbar?
Medikamente sind bis zu fünf Jahre nach ihrer industriellen Produktion noch haltbar. Logischerweise kann es also nicht sein, dass abgelaufene Medikamente auf den Tag genau auch wirklich schlecht werden. Dennoch sollte das auf der Verpackung angegebene Verfallsdatum absolut ernst genommen werden – sagt zumindest die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA): „Verfallsdaten auf Arzneimittelpackungen sind weit mehr als eine Empfehlung. Das unterscheidet sie vom Mindesthaltbarkeitsdatum auf Lebensmitteln.“1
Verpackung von Medikamenten immer aufheben
Anders als Lebensmittel verändern Arzneimittel sich in puncto Aussehen und Geruch nicht. Lässt sich das Verfallsdatum nicht mehr nachvollziehen, da die Verpackung (oder der entsprechende Teil des Tablettenbriefchens, in das es eingestanzt ist) verloren gegangen ist, können selbst Experten wie Medizinerinnen oder Apotheker nicht erkennen, ob abgelaufene Medikamente noch gut sind.
Was kann passieren, wenn man ein abgelaufenes Medikament eingenommen hat?
Die Folgen einer Einnahme von abgelaufenen Medikamenten lässt sich nicht eindeutig beantworten. Auch Experten tun sich schwer, eine klare Aussage zu treffen. Manche Mittel sind ein paar Wochen nach Verfallsdatum noch (fast) genauso wirksam wie vorher. Bei anderen passiert nicht viel, sie verlieren lediglich an Wirksamkeit. In wieder anderen Fällen kann es jedoch sein, dass beim Zersetzen giftige Substanzen freigesetzt werden. Je länger sie abgelaufen sind, desto toxischer. Die Einnahme kann schlimmstenfalls tödlich sein.
Man kann also sagen: Zumindest in Expertenkreisen ist es Ermessenssache, welche Medikamente man gegebenenfalls noch nehmen kann, wenn man es eigentlich nicht mehr sollte. So würden Apotheker ihrer Kundschaft nicht dazu raten, zur abgelaufenen Aspirintablette zu greifen – es selbst aber schon noch tun. Sie wissen: Die darin enthaltene Acetylsalicylsäure verliert zwar etwas an Wirksamkeit, wird aber durch seine Zersetzung nicht giftig. Andere Wirkstoffe werden toxisch. Etwa bei der Zersetzung von Hydrochlorothiazid, enthalten beispielsweise in Blutdrucksenkern, entsteht Formaldehyd. Und die chemische Verbindung ist bekanntermaßen krebserregend. Für Laien gilt also: Sicher ist sicher – und daher jedes Medikament nach Ablaufdatum zu entsorgen.
Abgelaufene Augentropfen können Infektionen auslösen
Es gibt Medikamente, die ihr angegebenes Verfallsdatum gar nicht erst erreichen. Das sind unter anderem Augentropfen in Mehrdosenflaschen, die ab dem Zeitpunkt des ersten Anbrechens noch etwa ein halbes Jahr lang verwendbar sind. Derartige Angaben finden Sie auf der Verpackung des entsprechenden Präparats – und sie sind unbedingt streng einzuhalten! Wenn Augentropfen nicht mehr frisch sind, können sie im Auge Infektionen auslösen, die schlimmstenfalls zur Erblindung führen.
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Wie entsorgt man abgelaufene Medikamente richtig?
Das Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) hat vor einigen Jahren in einer Umfrage festgestellt, dass bei 46 Prozent der Deutschen die Tendenz besteht, flüssige Medikamente hin und wieder in der Spüle oder in der Toilette zu entsorgen; 17 Prozent tun das sogar regelmäßig.2 Das Problem liegt auf der Hand: Arzneimittelwirkstoffe und -rückstände gelangen so in den Wasserkreislauf und werden zur Umweltbelastung.
Die einfachste Methode zur Arzneimittelentsorgung ist aktuell auch die empfohlene: über den Restmüll. Dieser kommt heutzutage nicht mehr auf Deponien, sondern wird vollständig verbrannt – und entsprechend auch darin enthaltene Wirkstoffreste. Viele Verbraucher würden sich wahrscheinlich damit besser fühlen, ihre abgelaufenen Medikamente an Schadstoffmobile oder zur professionellen Entsorgung in Apotheken abzugeben. Ersteres wird in verschiedenen Gemeinden, aber nicht bundesweit angeboten. Und Apotheken sind seit nunmehr zehn Jahren zwar nicht mehr verpflichtet, abgelaufene Medikamente anzunehmen, bieten den Service aber oft noch freiwillig an.
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Abgelaufenes Verbandszeug
Da kann nicht ja viel passieren – würde man vielleicht meinen. Dennoch ist es strafbar (5 Euro nach StZVO § 35h)3, wenn der Inhalt des Verbandskastens im Auto abgelaufen ist. Und tatsächlich kann die Sterilität von Pflastern uns Co. nun nicht mehr gewährleistet werden, wenn das Verfallsdatum überschritten wurde. Bei chronisch infizierten Wunden ist also sehr dringend davon abzuraten, abgelaufenes Verbandsmaterial zu nutzen.
Fazit
Halten Sie Ihre Hausapotheke überschaubar und erneuern Sie den Inhalt regelmäßig! Dann kommen Sie gar nicht erst in Verlegenheit, etwas Verfallenes zu nehmen, und sind im Zweifelsfall auf der sicheren Seite.
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Quellen
- 1. Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Arzneimittel nach Ablauf des Verfalldatums entsorgen. (2019, aufgerufen am 7.7.2021)
- 2. Götz K, Sunderer G, Birzle-Harder B. Charakterisierung, Kommunikation und Minimierung von Risiken durch neue Schadstoffe und Krankheitserreger im Wasserkreislauf. Institut für sozial-ökologische Forschung. (2015, aufgerufen am 7.7.2021)
- 3. Bundesamt für Justiz. Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) § 35h Erste-Hilfe-Material in Kraftfahrzeugen. (aufgerufen am 7.7.2021)