18. November 2020, 15:08 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Wir wissen bereits: Das Corona-Virus kann unterschiedlichste Organe und Gewebe im Körper befallen und deswegen zahlreiche Symptome wie Fieber, Gelenkschmerzen und Kurzatmigkeit auslösen. Bisher ging man jedoch davon aus, dass die Kombination der Symptome zufällig ist. Forschern gelang nun eine Kategorisierung bei milden Verläufen.
Der Katalog an Symptomen ist lang und vielfältig: Erkältungssymptome, Geruchs- und Geschmackstörungen, Gelenk- und Muskelschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden, Augenbindehautentzündungen bis hin zu neurologischen Störungen. Auch das macht die Erkrankung so tückisch. Denn wie sollen wir so erkennen, ob wir gerade nur Kopfschmerzen, eine Erkältung oder doch Corona haben? Wissenschaftler der Uni Wien gingen dieser Frage nach und konnten im Rahmen einer Studie zu milden Corona-Verläufen sieben verschiedene Symptom-Gruppen identifizieren.
Übersicht
Studie an der Uni Wien mit genesenen Covid-19-Patienten
An der Medizinischen Universität Wien hat man untersucht, ob die Corona-Symptome wirklich zufällig auftreten oder ob es eine Ordnung gibt. Die Details der Studie sind im Fachblatt „Allergy“ veröffentlicht. Als Kontrollgruppe nahmen 98 gesunde Probanden teil, außerdem 109 Patienten, die nach einer Infektion genesen waren. Die Genesenen wurden befragt, welche Symptome sie während der akuten Erkrankung hatten. Außerdem wurde ihr Blut zehn Wochen nach der Infektion auf Abwehrzellen und Antikörper untersucht.
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Milde Corona-Verläufe – Symptome treten in bestimmten Kombinationen auf
Und tatsächlich: Bei einem milden Verlauf der Covid-19-Erkrankung ist ein Muster bei den auftretenden Symptomen zu erkennen. Sie treten in bestimmten Gruppen auf. So stehen zum Beispiel bei manchen Patienten grippale Beschwerden im Vordergrund, andere leiden primär unter Magen-Darm-Problemen.
Die Forscher identifizierten folgende sieben Symptom-Gruppen bei milden Corona-Verläufen:
- Grippale Symptome: Fieber, Schüttelfrost, Müdigkeit, Husten
- Schnupfen-Symptome: Schnupfen, Niesen, trockener Hals, Verstopfung der Nase
- Gelenks- und Muskelschmerzen
- Augen- und Schleimhautentzündungen
- Lungenprobleme: Kurzatmigkeit, Lungenentzündung
- Magen-Darm-Probleme: Durchfall, Übelkeit, Kopfweh
- Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns
Immunologe Winfried F. Pickl, einer der Studienautoren, sagt: „Wir konnten ganz klar systemische von organspezifischen Verlaufsformen der primären Covid-19 Erkrankung abgrenzen“. Zu den systemischen zählen etwa Grippesymptome, zu den organspezifischen Magen-Darm-Probleme. Die Studie ergab zudem: Den Geruchs- und Geschmacksinn verlieren hauptsächlich Personen mit „jungem Immunsystem“.
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Corona hinterlässt immunologischen Fingerabdruck
Die Untersuchung des Bluts der Probanden zeigte außerdem: Noch zehn Wochen nach überstandener Erkrankung kämpft das Immunsystem gegen das Virus. Bei den Studienteilnehmern wurde eine deutlich geringere Anzahl an Granulozyten, dem häufigsten Typ weißer Blutkörperchen, gemessen. Diese haben die Aufgabe, bakterielle Infektionen im Körper zu bekämpfen. Außerdem sind bestimmte Gedächtniszellen des Immunsystems weiterhin sehr aktiv. Sie sind dafür zuständig, Zellen abzutöten, die von Viren befallen sind.
„Das zeigt, dass sich das Immunsystem auch viele Wochen nach der ersten Infektion immer noch mit der Krankheit intensiv auseinandersetzt“, so Pickl. Das könnte auch eine Erklärung für Corona-Langzeitfolgen wie Erschöpfung, Herzprobleme oder Kurzatmigkeit sein. Eine weitere Erkenntnis des Forscher-Teams: Je höher das Fieber bei einem milden Verlauf ausgefallen ist, desto höher ist später die Anzahl der Antikörper gegen das Virus im Blut. Das könnte bedeuten, dass man länger gegen eine erneute Infektion immun ist.
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Für die Entwicklung von Impfstoffen ist das neue Wissen über den immunologischen Fingerabdruck besonders wertvoll. Die Wissenschaftler der Medizinischen Uni Wien vergleichen das Immunsystem mit einer Fußballmannschaft: Die Verteidigung übernehmen Immunzellen und Antikörper zusammen. Außerdem merken sich die Zellen „Spielzüge“ des Virus und können so auf diese reagieren. „Nun gehe es darum, diese Erkenntnisse umzusetzen und für die Entwicklung von Impfstoffen auszunutzen“.