21. Dezember 2020, 13:39 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Dass Leute keinen Kaffee mögen, kann ich nicht verstehen, aber akzeptieren. Und mal ehrlich, Leute, die Kaffee trinken, sind auch nicht besser.
Ich trinke Kaffee, seit ich sieben bin. No Joke, mir wurde das damals sogar von einem Arzt verordnet: Weil mein Kreislauf so schwach war, dass mir im Wanderurlaub mit meinen Eltern pro erklommenem Höhenmeter immer flauer wurde, „verschrieb“ der Bergdoktor mir eine halbe Tasse Milchkaffee am Morgen. Ich war glücklich, weil ich mich beim Schlürfen dieses Erwachsenen-Getränks selbst sehr erwachsen gefühlt habe, obwohl ich nur knapp über die Tischkante reichte.
Meine Erziehungsberechtigten waren glücklich, weil sie mich weiterhin auf ihre Alpen-Exkursionen mitnehmen konnten. Und sollte es eine Kaffeegottheit geben, war sie bestimmt auch glücklich, weil sie wusste: In den darauffolgenden 19 Jahren würden sich die Tage, an denen ich keinen Kaffee trinken würde, an einer Hand abzählen lassen.
Verurteile ich Menschen, die Tee zum Frühstück trinken? Vielleicht ein bisschen
Habe ich ein Koffein-Problem? Bin ich süchtig, weil ich seit Kindertagen becherweise die aufputschende Flüssigkeit konsumiere? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur: Kaffee macht mein Leben besser. Doch mein täglicher Kaffeegenuss macht noch etwas anderes mit mir: Er bringt mich, Schande über mein Haupt, auch dazu, Menschen nach ihrem Kaffeekonsum (oder -Nicht-Konsum) zu beurteilen.
Denn sorry, aber Leute, die einfach gar keinen Kaffee trinken, sind mir von Grund auf suspekt. Besonders, wenn sie anfangen zu erklären, warum sie keinen Kaffee trinken. Entweder sind sie einfach zu schwach („Ich fang dann unkontrolliert an zu zittern und zu schwitzen“) oder zu gesundheitsbewusst („Kaffee? Nee du, ich trinke nur Grünen Tee“). Oder sie haben es sich „abgewöhnt“ und sind darauf so stolz wie andere, die mit dem Rauchen aufgehört haben.
Ja, kein Laster zu haben ist schließlich ein Ziel, auf das perfektionsgetriebene Millennials gerne hinarbeiten – aber am Wochenende allerlei Mittelchen zu ziehen, das ist dann natürlich okay. Liebe Freund*innen, natürlich ist es mir in den tiefen meiner Seele echt relativ egal, was ihr so zu euch nehmt, Ernährung und Konsum ist schließlich jedem selbst überlassen. Ob man sich mit Kaffee, Mate, Grünem Tee, veganen Energy-Balls oder sonst was über Wasser hält – I couldn’t care less.
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Was die Art des Kaffeetrinkens über jemanden aussagt
Außer, es geht um mein Dating-Life: Da ist mir der Kaffee-Konsum der anderen Person ziemlich wichtig – man muss schließlich Gemeinsamkeiten im Leben haben, wenn man sich regelmäßig ein Bett teilt und gemeinsam aufwacht. Wer sich nicht die morgendliche Tasse Kaffee mit mir teilen kann, den will ich eigentlich eher ungern in meinen Alltag integrieren.
Und dabei in ich auch gar nicht anspruchsvoll: Es muss echt nicht der perfekt gebrühte Cold Brew sein, der mir in der von Hand gefertigten Porzellan-Tasse ans Bett gebracht wird – wir wollen es ja nicht gleich übertreiben. Und Leuten, die zu exzessiv Barista spielen, würde ich einfach mal unterstellen, dass sie in anderen Lebensbereichen auch höchst unentspannt sind. Genauso schlimm: Typen, die um halb sieben morgens schon damit angeben, dass sie bereits einen halben Liter Kaffee intus haben, der so stark ist, dass das Herzrasen am Frühstückstisch krasser ist als der Orgasmus in der Nacht davor. Ganz nach dem Motto: Schau, was für ein Bad Boy ich bin.
Schon komisch, wie viel die Art und Weise, wie Menschen Kaffee trinken, über sie aussagt. Etwa Leute, die 2020 immer noch lieber schnell einen Coffee-to-go beim Bäcker um die Ecke holen, als die eigene Küche zu benutzen. Die sind meistens latent überarbeitet, haben ihr Leben nicht unter Kontrolle – oder sind einfach überbezahlt.
Auch ein interessanter Charakter: Menschen, die am Frühstückstisch panische Diskussionen lostreten, dass sie nicht auf ihren perfekt aufgeschäumte Hafermilch-Cappuccino verzichten können. Das sind dann meist privilegierte Großstädter*innen, die immer noch nach dem Sinn in ihrem Leben suchen. Und Leute, die ausschließlich edlen Kapsel-Espresso trinken, sind die, die sich mit Mitte 20 ihren ersten Range Rover leasen und einen doppeltürmigen Kühlschrank mit Eiswürfelspender in ihrer Altbauwohnung stehen haben.
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Jedem das eigene Laster
Okay, vielleicht sind mir Kaffee-Trinker*innen sogar noch suspekter als die, die keinen trinken. Aber manchmal ist es auch einfach ganz schön, über das Laster anderer zu lästern – vor allem, wenn man sich selbst an die Nase greifen kann. In meinem Kühlschrank konnten sich manchmal drei bis vier verschiedene vegane und nicht-vegane Milchsorten finden lassen, damit ich ja jeder Person, die zu Besuch kam, die richtige servieren konnte. Außerdem fester Bestandteil meines Haushalts: Ganze vier Geräte zur Kaffeezubereitung – könnte ja mal eines kaputtgehen.
Meine jetzige Freundin, die ich sehr liebe, trinkt morgens übrigens gerne Instant-Kaffee mit Kuhmilch – und ich bin komplett fein damit. Manchmal ist es halt einfach nur ein solider, ganz und gar nicht besonderer Kaffee, den man will. Weil die Person, mit der man ihn trinkt, schon aufregend genug ist.
(dieser Artikel erschien zuerst bei Noizz)