18. Februar 2020, 17:13 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Flavios Wohnzimmer ist das Fitnessstudio. Außerdem ist der FITBOOK-Autor bekennender Fleischliebhaber, der jeden Monat einen halben Hühnerstall verdrückt. Das soll sich jetzt ändern: Für sechs Monate will er sich rein vegan ernähren und im Rahmen einer Kolumne über sein neues Leben berichten. Im zweiten Teil berichtet er, wie er die erste Woche als Veganer verkraftet hat. Spoiler: Im Gym gab’s eine Überraschung und die Klopapier-Industrie atmet auf.
„Muskeln werden in der Küche gemacht“, lautet eine bekannte Pumper-Weisheit. Somit ist jeder ernstzunehmende Fitnessjunkie zwangsläufig auch ein kleiner Hobbykoch. Mein Experiment zwingt mich dazu, mich ab jetzt auch mal mit dem veganen Kochen zu beschäftigen. Das bedeutet natürlich, dass sich meine Ernährung ein klitzekleines My ändern muss…
Werde ich aber überhaupt genügend Eiweiß aufnehmen? Die geringere biologische Wertigkeit des pflanzlichen Proteins könnte schließlich meinen Bizeps schrumpfen lassen – keine schöne Vorstellung!
Angespornt, meinen Horizont zu erweitern, mache ich mich auf den Weg zum Supermarkt. So schlimm, wie ich mir die folgende Situation im Kopf ausmale, wird es schon nicht werden…
Der erste vegane Einkauf
Ich nähere mich dem Regal für vegane Produkte. Ein ungewohntes Gefühl macht sich in mir breit. Jetzt stehe ich genau an der Stelle, wo ich andere bisher belächelt und als „Ökos“ abgetan habe. Ich fühle mich dezent beobachtet, in Wirklichkeit guckt aber wahrscheinlich eh kein Mensch.
Die erste Mahlzeit ist schnell zusammengestellt: Ich mache es mir einfach und tausche das Hühnchen gegen Tofu ein. Noch ein schneller Griff zu den Tomaten, Kokosmilch, Kartoffeln und Zwiebeln. Dann ab zur Kasse.
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Die erste Überraschung: An der Kasse stelle ich fest, dass mein rein pflanzlicher Einkauf das Portemonnaie sogar entlastet. Ein halbes Kilo Tofu ist anscheinend günstiger als mein halber Hühnerstall. Der Sparfuchs in mir ist begeistert!
Höhen und Tiefen der ersten Mahlzeit
Wieder zu Hause angekommen, ging es sofort ans Kochen. Nach 20 Minuten ist alles fertig und ich mache es mir auf der Couch bequem.
Der Geschmack vom Tofu ist noch ungewohnt, aber nicht so schlecht, wie es oft von Fleischessern im Internet berichtet wird.
Doch kaum hat die Mahlzeit ihren Weg in den Magen gefunden, muss ich die Füße in die Hand nehmen. Zum Glück ist der Weg zur Toilette in meiner kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung nicht weit. Warum mein Körper so heftig auf die Umstellung reagiert, ist mir unklar. Die nächsten Stunden waren aber erstmal verplant…
Wie war das erste Training?
Mein erstes Training als Veganer muss ich um einen Tag verschieben – die durchschlagenden Ergebnisse meiner Tofu-Premiere zwangen mich zur Bettruhe –, doch verlief dann besser als gedacht.
Mein Vorurteil, dass Veganer außer Salat nichts in den Armen haben, kann ich noch nicht bestätigen. Zumindest hat sich meine Kraft im Studio nicht verschlechtert.
Im Gegenteil: Am ersten Trainingstag habe ich beim Bankdrücken sogar die 130 Kilogramm geschafft. Auch meine Kraftausdauer hat bisher nicht unter dem Ernährungswechsel gelitten. Ich fühle mich weder schwächer noch atemloser während der Übungen.
Der einzige Nachteil ist der fehlende Pump bei den Übungen. Vielleicht muss ich mehr Kohlenhydrate essen.
Wie geht es mir nach einer Woche?
In den Berliner Supermärkten fühle ich mich nach wie vor unwohl. Ich bin aber der Überzeugung, dass der „Kopfkasper“ verschwindet, sobald ich mich an die Abläufe und Produkte gewöhnt habe.
Meine Magenprobleme sind Tag für Tag weniger geworden. Ich fange an, die veganen Lebensmittel besser zu vertragen. Allerdings habe ich bemerkt, dass die tierische Ernährung reichhaltiger ist und ich das Gefühl habe, zu wenig Kalorien zu essen.
Wer über Jahre so viel Fleisch gegessen hat wie ich, merkt schnell, dass pflanzliche Proteine ein anderes körperliches Befinden hervorrufen, das sich schlecht in Worte fassen lässt. Am Besten kann ich das so beschreiben: Im Gegensatz zu tierischen Produkten glaube ich irgendwie zu merken, dass die pflanzlichen Proteine schlechter von meinem Körper aufgenommen werden. Ich habe dementsprechend das Gefühl, mehr essen zu müssen.
Die Ernährungsumstellung zeigt schon nach wenigen Tagen Wirkung auf der Waage. Innerhalb der ersten Woche habe ich sieben Kilo verloren (mein Startgewicht lag bei knapp 104 Kilo).
Skepsis macht sich in mir breit, weil ich nicht weiß, was der Körper abgebaut hat – Wasser, Fett oder Muskeln? Letzteres wäre der Horror für jeden Pumper!
Trotzdem fühle ich mich fit und habe nicht das Gefühl, als würde mein Körper die tierische Ernährung vermissen oder gar unter der veganen leiden.
Ich bin jedenfalls gespannt, wie mein Körper die kommenden Wochen auf die Umstellung reagiert, und werte den Gewichtsverlust erstmal als guten Start in eine Diät, die ich zwar nicht geplant hatte. aber deren Benefits ich gerne mitnehme. Denn: Abgerechnet wird am Strand!
Reaktionen auf mein Experiment
Kaum war der erste Teil meiner Kolumne online, prasselten jede Menge Nachrichten auf den Social-Media-Kanälen ein. Der Großteil war glücklicherweise von Zusprüchen und Tipps geprägt, ein kleiner Teil hingegen war eher negativ.
Darunter befand sich auch allerhand Klugscheißerei und Halbwissen, um mich zu bekehren, nie wieder Fleisch anzurühren. Ein paar Menschen hielten es auch für nötig, mich unbedingt für meinen bisherigen Fleischkonsum unter der Gürtellinie zu beleidigen.
Hier gibt’s alle bisherigen Teile von Flavios Challenge
Fleisch-Junkie wagt große FITBOOK-Challenge Warum ich mich ein halbes Jahr vegan ernähren möchte
Fleisch-Junkie wagt Vegan-Challenge So geht es mir nach 2 Monaten ohne mein geliebtes Fleisch
Fleisch-Junkie wagt Vegan-Challenge So lief mein erster Monat ohne massenweise Fleisch und Eier
So geht es weiter
Während ich diese Zeile schreibe, habe ich soeben meine Blutergebnisse erhalten. Die genaue Auswertung übernimmt Frau Dr. Anne Fleck. Innerhalb der nächsten Wochen wird mir schwarz auf weiß mitgeteilt, wie es um meine Gesundheit nach Jahren fleischreichster Ernährung bestellt ist…
Ihr habt eine Meinung oder Fragen zu Flavios Vegan-Challenge? Dann schreibt ihm eine E-Mail an flavio.treppner@axelspringer.com