29. Mai 2024, 21:33 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Schokolade essen gehört bekanntlich nicht zu den gesündesten Dingen – erst recht nicht Vollmilchschokolade, die viel Zucker enthält. Laut einer Studie scheint es für den Schokoladenverzehr jedoch günstigere und weniger günstige Zeitpunkte im Tagesverlauf zu geben – zumindest für Frauen nach der Menopause. Hat Bridget Jones alles richtig gemacht?
Die Frage, „wann“ wir etwas essen, ist ein relevanter Faktor für die Energiebilanz und den Stoffwechsel – aber gilt das auch für den Verzehr von ansonsten sehr ungesunder Vollmilchschokolade? 2021 sorgte eine kleine, nicht repräsentative, Studie zu dem Thema für Aufsehen, die herausfinden wollte: Was geschieht, wenn man wochenlang morgens (vor dem Frühstück) oder abends (vor dem Schlafen) Schokolade isst?
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Übersicht
- Gesundheitsfördernde Wirkung von dunkler Schokolade
- Vollmilchschokolade erhöht das Krankheitsrisiko und übersteuert das Belohnungssystem
- So viel Schokolade essen die Deutschen
- Studie: 4 Wochen lang täglich eine Tafel Schokolade
- Das wohl überraschendste Ergebnis der Studie
- Kann Schokolade zum Frühstück beim Abnehmen helfen?
- Kritik an der Studie
- Quellen
Gesundheitsfördernde Wirkung von dunkler Schokolade
Das Interesse an Schokolade ist aufgrund ihrer physiologischen und potenziell gesundheitlichen Wirkungen gewachsen. Bei regelmäßiger Einnahme soll sie positiv auf die Regulierung des Blutdrucks und des Insulinspiegels wirken, die Gefäßfunktionen unterstützen, antioxidativ wirken und den Fettstoffwechsel ankurbeln.1,2 Mit diesen gesundheitsfördernden Wirkungen wird allerdings nur dunkle Schokolade in Verbindung gebracht: Schokolade mit einem Kakaobohnenanteil von bis zu 80 Prozent und entsprechend niedrigem Zuckergehalt, der bei etwa 20 Prozent liegt.
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Vollmilchschokolade erhöht das Krankheitsrisiko und übersteuert das Belohnungssystem
Den Ruf, die wesentlich ungesündere Sorte zu sein, genießt Milchschokolade: Sie enthält nur 25 bis 30 Prozent Kakao – ein Großteil ist Kakaobutter, der Anteil der Kakaotrockenmasse liegt bei unter drei Prozent – und darüber hinaus viel Zucker, Milchpulver und Lecitihin, das die Schokolade gut fließen lässt. Mit hohem Zuckerkonsum steigt das Risiko für Fettleibigkeit, Diabetes, Bluthochdruck und sogar Krankheiten wie Krebs erheblich (FITBOOK berichtete).
Und: Viel Zucker übersteuert das Belohnungssystem, indem es dazu führt, dass der Körper massenhaft Dopamin ausschüttet. Das ist gemeint, wenn von „Zuckersucht“ die Rede ist.
»Ich rate von einem kalten Zuckerentzug ab
Wer sich Zucker abgewöhnen möchte, sollte keinen „kalten Entzug“ machen. Davon riet die US-amerikanische Neurowissenschaftlerin und Ernährungsexpertin Dr. Nicole Avena in einem früheren Gespräch mit FITBOOK ab. Sie bevorzugt, den Zuckerkonsum in kleinen Schritten zu reduzieren: „Viele versuchen einen kalten Entzug und streichen den Zucker sofort ganz. Ich rate davon ab, weil es sowohl körperlich als auch psychisch schwierig sein kann, vom Zucker wegzubleiben, wenn man seine Ernährung so abrupt ändert. Dies kann zu weiteren Essanfällen führen – und letztlich zu einem kompletten Neustart auf einer Reise bedeuten, für die Sie so hart gearbeitet haben.“
So viel Schokolade essen die Deutschen
Nichtsdestotrotz hängen viele Menschen am Zucker – und Milchschokolade ist eine seiner beliebtesten Konsumformen. Tendenz: steigend. Der Pro-Kopf-Absatz von Schokoladenwaren ist in Deutschland von 5,5 (2018) auf 5,9 (2024) Kilogramm jährlich gestiegen. Die Prognose bis 2028 landet bei 6,5 Kilogramm – 65 Tafeln.3 Am mit Abstand beliebtesten ist Milch- bzw. Vollmilchschokolade, wie 2019 eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Lebensmittelverbands Deutschland gezeigt hat.4
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Studie: 4 Wochen lang täglich eine Tafel Schokolade
65 Tafeln Milchschokolade – auf diese Anzahl kamen die 19 Probandinnen einer Studie des spanischen Instituto de Agroquímica y Tecnología de Alimentos sowie der Harvard Medical School in dem achtwöchigen Studienzeitraum zwar nicht – aber weit waren sie nicht mehr entfernt. Für die Studie, die 2021 im „Fasab Journal“ veröffentlich wurde, aßen die Frauen – allesamt postmenopausal und normalgewichtig – insgesamt vier Wochen lang täglich 100 Gramm Vollmilchschokolade.5 Die Schokolade bestand aus 18,1 Gramm Kakao, 31 Gramm Fett, 58,4 Gramm Kohlenhydraten (davon 57,5 Gramm Zucker), 6,3 Gramm Eiweiß und 1,8 Gramm Ballaststoffen pro 100 Gramm. Enthalten waren 215 Milligramm Theobromin, 2,06 Milligramm Koffein und 854 Milligramm Polyphenole, ebenfalls pro 100 Gramm Schokolade.
Zwei Wochen lang gab’s die Schokolade am Morgen innerhalb einer Stunde nach dem Aufwachen zum Frühstück (14 Tafeln) – und zwei Wochen gab es die gleiche Ration innerhalb einer Stunde vor dem Schlafengehen (14 Tafeln). Zwei weitere Wochen wurde komplett auf Schokolade verzichtet. Darüber hinaus gab es keine Vorschriften hinsichtlich der weiteren Ernährung, auch andere Süßigkeiten durften verzehrt werden.
Die Probandinnen
Das Alter der teilnehmenden Frauen lag zwischen 48 und 56 Jahren, ihr Gewicht lag zwischen 55 und 76 Kilogramm. Ausschlusskriterien für die Probandinnen waren – neben Adipositas – Erkrankungen der Schilddrüse, des Gehirns, der Nieren sowie Ess- oder psychiatrische Störungen.
Die Reihenfolge der Zwei-Wochen-Intervalle wurde zufällig gewählt. In beiden Schokoladen-Phasen ernährten sich die Teilnehmerinnen ansonsten normal, also nach ihrem eigenen Belieben und auf ihre jeweils typische Art. Zwischen den Zweitabschnitten lag jeweils eine Woche, in der die Studienteilnehmerinnen sich ebenfalls normal ernährten, allerdings ganz ohne Schokolade.
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Das wohl überraschendste Ergebnis der Studie
Das wohl überraschendste Ergebnis der Studie: Trotz des zweiwöchigen Schokoladenkonsums – wir sprechen hier von einer Tafel pro Tag à 540 Kalorien, also etwa einem Drittel des täglichen Energiebedarfes – legten die Frauen laut den Forschenden nicht an Gewicht zu. Wahrscheinlicher Grund: Die Energieaufnahme insgesamt ging etwas zurück, wenn die Frauen Schokolade aßen. Das heißt, sie aßen dann einfach weniger.
Taillenumfang der Frauen nahm minimal ab, wenn sie die Schokolade vor dem Frühstück aßen
In der Phase, in der sie die Schokolade zum Frühstück konsumierten, verloren die Studienteilnehmerinnen minimal an Taillenumfang. Mit 1,7 Prozent war der Unterschied allerdings kaum der Rede wert: Bei einem Taillenumfang von 80 Zentimeter entspricht das etwas mehr als einem Zentimeter. Weiter heißt es, Schokoladenkonsum am Morgen hätte den Glukosespiegel im Blut (Blutzucker) der Probandinnen reduziert (minus 4,4 Prozent).
Frauen waren insgesamt weniger hungrig, wenn sie die Schokolade abends aßen
Ansonsten sei noch auffällig gewesen, dass Schokolade am Abend die Produktion von Fettsäuren im Darmmikrobiom deutlich erhöhte. Bei beliebiger Energieaufnahme hätten die Studienteilnehmerinnen im Schnitt weniger Fett und Kohlenhydrate zu sich genommen. Bei den Proteinen habe es keine signifikanten Unterschiede gegeben. Dahingegen seien die Frauen beim Verzehr von Schokolade am Abend, ebenso wie beim Verzicht, weniger hungrig gewesen, als wenn sie morgens süß zuschlagen durften. Und: Das Verlangen nach Süßigkeiten sei in den Phasen mit vorgegebenem Schokoladenkonsum gesunken.
Kann Schokolade zum Frühstück beim Abnehmen helfen?
„Die Einnahme einer relativ hohen Menge Schokolade (100 Gramm), konzentriert in einem engen Zeitfenster (60 Minuten) am Morgen, könnte postmenopausalen Frauen helfen, Körperfett zu verbrennen und den Glukosespiegel zu senken“, schlussfolgerten die Forscher damals.
Des Weiteren habe der abendliche Schokoladenkonsum zu einer leichten Steigerung der körperlichen Aktivität (plus 6,9 Prozent) geführt. Woraus diese Aktivität bestand und wie sie gemessen am Fitnesslevel einzuordnen ist, wird leider nicht thematisiert. Und Schlafaufzeichnungen hätten gezeigt, dass die Frauen einen etwas regelmäßigeren Schlafrhythmus hatten, wenn sie abends Schokolade gegessen hatte. Auch die Zusammensetzung der Darmflora habe sich verändert, heißt es – leider unkommentiert – weiter.
Mit hohem Kakaoanteil 6 wissenschaftlich bewiesene Gründe, warum Schokolade gesund ist
Studienlage Die gesundheitliche Wirkung von dunkler Schokolade ab 70 Prozent
Auswertung von fast 100 Untersuchungen Jeden Tag etwas Joghurt, Käse und Schokolade – Wirkung auf die Gesundheit
Kritik an der Studie
Mit 19 Teilnehmerinnen ist die Studie nicht repräsentativ. Zudem war sie auf post-menopausale Frauen beschränkt. Entsprechend kann keine generelle Aussage zur Wirkung von Schokolade zum Frühstück oder vor dem Schlafengehen getroffen werden. Und so wissen die Frauen, die noch nicht in ihrer Menopause angekommen sind, ebenso wie alle Männer, nicht, ob sie es ebenfalls schaffen würden, mit Schokolade abzunehmen. Auch, warum die einzelnen Effekte erzielt werden, kann auf dieser Grundlage nicht ermittelt werden.
Ansonsten gilt: Vollmilchschokolade erhöht aufgrund ihres hohen Zuckergehalts das Risiko für eine lange Reihe an Gesundheitsgefahren, vom Suchtfaktor ganz abgesehen. Wer von der gesundheitsfördernden Wirkungen von Schokolade profitieren möchte, sollte daher lieber auf dunkle Schokolade setzen. Sonst geht es Ihnen wie Bridget Jones.