21. September 2021, 17:33 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Diättrends und Ernährungsglaubenssätze haben einigen Lebensmitteln in den letzten Jahrzehnten ein schlechtes Image verpasst. Dabei beweisen Studien, dass oft das Gegenteil der Fall ist.
Viele haben Brot, Kartoffeln und Schokolade gedanklich unter der Kategorie „Dickmacher“ und „ungesund“ eingespeichert. Besser nicht zu viel davon essen oder gleich ganz weglassen! Aber stimmt das denn? FITBOOK hat eine Liste (sowohl unverarbeiteter als auch verarbeiteter) Lebensmitteln erstellt, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten besonders schlecht hingestellt wurden und eigentlich viel besser sind, als ihr Ruf erwarte lässt. Und auch Ernährungsexperte Sven-David Müller ist daran gelegen, diesen ihre „gesunde Würde“ zurückzugeben!
Butter
Der „Low Fat“-Hype in den 80er- und 90er-Jahren erklärte Butter mit ihren tierischen Fetten zum Bösewicht Nummer eins – und dieser Ruf beschert ihr teils noch heute einen schweren Stand. Dabei gilt die Annahme, dass die in Butter enthaltenen Fettsäuren Herz und Gefäße schädigen sollen, inzwischen als widerlegt. Die wahren Feinde des Menschen sind nämlich Transfette, die in stark verarbeiteten Lebensmitteln wie Pommes, Chips, allen frittierten Lebensmitteln, Müsliriegeln, Frühstücksflocken, Braten-Soßen oder Billigmargarine stecken.
„Das Milchfett der Butter hingegen (daraus besteht Butter zu 80 Prozent, Anm. d. Red.) ist leicht verdaulich und eignet sich sogar für Menschen mit Magenbeschwerden“, sagt Ernährungsexperte Müller. Eine schwedische Studie legt sogar nahe, dass das Milchfett das Herzinfarktrisiko senken könne. Außerdem sei Butter ein guter Lieferant für Vitamin E: Es hemmt Entzündungsprozesse und unterstützt das Immunsystem. Ebenfalls reichlich vorhanden ist Vitamin A, welches wichtig für den Zellwachstum ist. Den höchsten Vitamingehalt soll übrigens Butter aus Weidemilch haben.1
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Brot
Deutschland mit seinen mehr als 300 Brotsorten gilt als Brotland. Das traditionelle Grundnahrungsmittel wird jährlich milliardenfach verkauft, 80 Kilogramm essen wir jedes Jahr davon. Und doch geht es ihm seit einigen Jahren an den Kragen, weil immer mehr Menschen glauben, dass das im Mehlkörper des Korns sitzende Klebereiweiß Gluten schlecht für sie sei. Dabei sind von einer echten Glutenunverträglichkeit nur wenige betroffen, in Deutschland laut Zölliakie Gesellschaft nur ein Prozent der Bevölkerung. In dieser Stimmung wurde Brot zum Krankmacher degradiert – zu Unrecht, findet Müller.
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„Brot ist ein wichtiges Grundnahrungsmittel, reich an sättigenden Ballaststoffen und relativ reich an entzündungshemmendem Zink.“ Vorausgesetzt, man entscheide sich für Brot mit mindestens 95 Prozent Vollkornanteil – ob Dinkel, Roggen oder Weizen, sei übrigens Geschmacksache. Und noch etwas stellt der Experte klar: „Es gibt noch immer keinen einzigen fundierten Beweis, dass Low Carb wirklich gesünder ist als eine normale, kohlenhydratreiche, aber fettarme, vollwertige Ernährungsweise.“
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Kartoffeln
Mit gerade mal 70 Kalorien (100 Gramm gekochte Nudeln kommen mit 150 Kalorien daher!) ist es eigentlich ein Rätsel, wie sich die Kartoffel als Dickmacher in unseren Hinterköpfen hält. Es ist nämlich genau andersherum: Eine Portion Pellkartoffeln (200 Gramm) macht lange satt – die beste Maßnahme gegen Heißhunger –, enthält etwa 30 Milligramm Vitamin C und liefert die Spurenelemente Magnesium, Kalzium, Phosphor und Eisen und Kalium – Letzteres wirkt sich positiv auf Bluthochdruck aus.
Der Experte kennt noch einen kleinen Trick, mit dem sich noch Besseres aus der Knolle herausholen lässt: „Wenn man die Kartoffeln nach dem Kochen abkühlen lässt und erst dann weiter verarbeitet, bildet sich sogenannte restriktive Stärke. Das macht sie noch sättigender und sogar noch ein wenig kalorienärmer.“
Schokolade
Ja, Sie lesen richtig: Auch Schokolade ist ein Lebensmittel, das besser ist, als ihr Ruf vermuten lässt. Greift man zu hochwertiger Schokolade mit einem hohen Kakaoanteil, schmeckt das nicht nur gut, sondern ist auch sehr nahrhaft. Dunkle Schokolade mit einem Kakaoanteil von 70 bis 85 Prozent enthält nämlich einen Haufen Mineralien wie Eisen, Magnesium, Kupfer, Mangan, Kalium, Phospor, Zink und Selen.
Außerdem enthält dunkle Schokolade bzw. Kakao super viele organische Verbindungen, die als Antioxidantien wirken, wie Polyphenole, Flavanole und Catechine. Eine US-Studie hat gezeigt, dass dunkle Schokolade und Kakao davon sogar mehr enthalten als Blaubeeren und Acai-Beeren. Mit knapp 600 Kilokalorien auf 100 Gramm sollte die gesunde Delikatesse allerdings nur in Maßen gegessen werden. Ganz wichtig ist außerdem, dass die Schokolade einen Kakaoanteil von mindestens 70 Prozent hat.2,3
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Eier
Das böse Cholesterin hat das klassische Frühstücksei einst in die Höchstens-einmal-die-Woche-Ecke gestellt. Zum Glück haben zahlreiche jüngere Studien längst aufgezeigt, was wirklich in Eiern steckt – wie beispielsweise die der Universität Peking, die über einen Zeitraum von vier Jahren den Eier-Konsum einer halben Million Erwachsener beobachtete. Erkenntnis: Wer mindestens fünf Eier pro Woche esse, habe ein 18 Prozent geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.4
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Laut Müller sind Eier auch wahre Schlankmacher: „Wer täglich morgens ein hartgekochtes Ei isst, hat in der Regel weniger mit Gewichtsproblemen zu kämpfen.“ Einzigartig sei auch die Qualität der darin enthaltenden Proteine, welche vom menschlichen Körper zu 100 Prozent verwertet werden könnten. Und die enthaltenen Vitamine A, D, K, B2, B6, B12, Folsäure sowieso Phosphor, Natrium, Kalium und Kalzium machen sie zu genialen Nährstoffbomben.
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Kaffee
Lange wurde das Kaffeetrinken als eine Art Laster gesehen. Dabei ist der morgendliche Kaffee auf mehr als eine Art ein „Lebensretter“. Kaffee enthält nämlich neben Koffein auch Phenylindane, ein durch das Rösten der Kaffeebohne entstehender Stoff. Dieser soll vor neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson und Demenz schützen soll. Ebenso soll die Leber von einem vernünftigen Kaffeekonsum profitieren und wie eine koreanische Studie von 2021 sogar gezeigt hat, ab drei Tassen am Tag sogar das Leben verlängern.4,5
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Erdnussbutter
Zugegeben: Mit etwa 650 Kalorien pro 100 Gramm ist Erdnussbutter eine ganz schöne Hausnummer. ABER: Ernährungsexperte Müller zufolge sollten Sie sich nicht von Zahlen täuschen lassen, denn nach ein bis zwei Esslöffeln davon ist man in der Regel ziemlich satt. Zusammen mit ein Stückchen Banane lässt sich mit Erdnussbutter sogar eine Heißhungerattacke auf Süßes in den Griff bekommen. Erdnussbutter sei nicht nur ein leckerer Lieferant für Vitamin B3, Vitamin E und Magnesium, sondern auch gut für die Zähne! Müller: „Durch die cremige, etwas schwerfällige Konsistenz wird die Speichelproduktion angeregt, was wiederum Karies vorbeugt.“ Vorausgesetzt, es handele sich um eine zuckerfreie – oder noch besser – selbstgemachte Version.
Dazu geben Sie 230 Gramm ungesalzene (geröstete) Erdnüsse, ein Esslöffel Agavendicksaft, zwei bis drei Esslöffel Rapsöl und eine Prise Salz in einen Küchenmixer. Die Butter hält sich im Kühlschrank mehrere Wochen.
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Innereien
Zugegebenermaßen ist dieses Lebensmittel vermutlich nicht jedermanns Geschmack. Aber Innereien, also Organfleisch wie Leber, Magen, Zunge und Co., sind richtige Nähstoffbomben. Ob B- und A-, D- und E-Vitamine, Zink, Eisen, Magnesium, Kupfer, Folsäure oder Selen – alles findet man in den Innereien.
Was für Innereien es denn nun sein sollen, kann man nach eigenem Befinden und Vorlieben entscheiden. Schon 100 Gramm Rinderleber deckt weit über den Tagesbedarf hinaus mit Vitamin A sowie Vitmain B12 ein. Außerdem macht der hohe Biotingehalt der Rinderleber Haare, Nägel und Haut schön. Herz vom Rind oder Huhn enthält seltene Antioxidantien, Coenzym Q10 oder Ubichinon-10 die besonders gut für die Herzgesundheit sind und entzündungshemmenden wirken sollen.5,6,7
Alkoholfreies Bier
Nach einer langen Wanderung, einer Radtour oder einfach mal so – ein kühles Bier ist herrlich erfrischend. Dabei entpuppt sich die alkoholfreie Variante als besonders gesund, wie eine im Herbst 2018 durchgeführte Untersuchung offenbarte: Die darin enthaltene Iso-Alphasäuren sowie ein Stoff namens Xanthohumol sollen Fett- und Zuckerstoffwechsel positiv beeinflussen und sogar Leberschäden vorbeugen können.8
Bier erfrischt und ist in der alkoholfreien Variante ein richtig gesunder Mineral-Drink
Foto: Getty Images
Ob das tägliche „Sportbier“ am Ende tatsächlich die Leber schützt, ist noch umstritten. Fest steht, dass alkoholfreies Bier ein gutes isotonisches Getränk ist, das zu großen Teilen aus Wasser besteht (und daher den Durst löscht) und zudem wertvolle Mineralstoffe enthält, die bei körperlicher Aktivität verloren gehen.
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Quellen
- 1. Warensjö, E., Jansson, J., Berglund, L. et al (2007) Estimated intake of milk fat is negatively associated with cardiovascular risk factors and does not increase the risk of a first acute myocardial infarction. A prospective case–control study. British Journal of Nutrition
- 2. US Department of Agriculture. Chocolate, dark, 70-85% cacao solids. (aufgerufen 21.09.2021)
- 3. Crozier, S.J., Preston, A.G., Hurst, J.W. et al. (2011) Cacao seeds are a „Super Fruit“: A comparative analysis of various fruit powders and products. Chemistry Central Journal
- 4. Kim, S., Tan, L., Shin, S. (2021) Coffee Consumption and the Risk of All-Cause and Cause-Specific Mortality in the Korean Population. Journal of the Academy of Nutrition and Dietetics.
- 5. Kennedy, O., Fallowfield, J., Poole, R. et al. (2021) All coffee types decrease the risk of adverse clinical outcomes in chronic liver disease: a UK Biobank study. PMC Public Health
- 6. US Department of Agriculture. Beef liver, braised. (aufgerufen 21.09.2021)
- 7. Hernandez-Camacho, J.D., Bernier, M., Lopes-Lluch, G. et al. (2018) Coenzyme Q10 Supplementation in Aging and Disease. Frontiers in Physiology.
- 8. Langsjoen, P.H., Langsjoen, A.M. (1999) Overview of the use of CoQ10 in cardiovascular disease. Bio Factors
- 9. Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg (2018) „Wer (alkoholfreies) Bier trinkt, lebt hundert Jahre.“