1. November 2023, 4:22 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Wenn es ein Trainingselement gibt, das viele Hobby-Sportler vernachlässigen, dann ist es oft das Stretching, beziehungsweise das Dehnen vor oder nach dem Sport. FITBOOK zeigt, wie Sie mit dem „World’s Greatest Stretch“ den gesamten Körper in weniger als 2 Minuten dehnen. Sportwissenschaftler Jörn Giersberg sieht die Übung dennoch kritisch.
Das Thema Stretching, also Dehnübungen beim Sport, ist umstritten. Die einen schwören darauf beim Aufwärmen zwischen Trainingssätzen oder beim Entspannen nach einer anstrengenden Trainingseinheit. Zumindest für das Muskelwachstum ist es nicht entscheidend. Es kann sich jedoch negativ auswirken, wenn man es zu intensiv zwischen Kraftübungen oder sofort nach dem Training ausführt, wie unser Fitnessprofessor Stephan Geisler in einem anderen Beitrag erklärte. Dennoch sind Dehnübungen wichtig, um die Beweglichkeit des Körpers zu erhöhen. Vor allem ab 40 sollte man auf die Flexibilität und Gelenkigkeit achten, sonst drohen steife Gelenke und eine eingeschränkte Mobilität (FITBOOK berichtete). Viele nehmen sich jedoch ungern Zeit oder verfügen nicht über die Expertise, um den Körper umfangreich zu dehnen. Doch mit dem sogenannten „World’s Greatest Stretch“ gelingt es in weniger als 2 Minuten.
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Übersicht
So wird die Stretching-Übung ausgeführt
Beim „World’s Greatest Stretch“ handelt es sich um eine sogenannte dynamische Dehnübung. Das heißt, man verharrt nicht in einer Position, sondern führt die Übung als eine Bewegungsabfolge aus. Zugegeben, die Ausführung klingt zunächst etwas kompliziert, aber man verinnerlicht sie nach ein paar Durchgängen. Um es besser zu verstehen, haben wir zusätzlich zu der schriftlichen Erklärung noch ein kurzes Vorführvideo gedreht.
Schritt 1
Aus einer aufrecht stehenden Position heraus einen großen Schritt (z. B. zunächst mit dem linken Bein) nach vorn machen und das Knie dabei anwinkeln.
Schritt 2
Die Arme werden mit den Handflächen auf dem Boden parallel zum Fuß absetzt. Dabei achten, dass der Fuß parallel zu beiden Händen auf dem Boden steht. Für Anfänger: Das ausgestreckte hintere Bein kann leicht angewinkelt werden.
Schritt 3
Nun wird die linke Hand leicht vom Boden angehoben und der linke Arm in einer fließenden Bewegung nach rechts vor (oder hinter) dem rechten Arm etwa auf Ellenbogenhöhe durchgeschoben.
Schritt 4
Nachdem der linke Arm vor (oder hinter) dem rechten durchgeschoben wurde, zieht man ihn wieder heraus und rotiert dabei den Oberkörper samt Kopf nach links, während man den Arm nach oben ausstreckt. Diesen Bewegungsablauf führt man fünf- bis zehnmal langsam aus.
Schritt 5
Zum Abschluss streckt man das linke Bein durch und führt nun die Arme seitlich rechts und links neben dem Fuß hinab zum Boden. Dabei sollten die Finger so weit es geht den Boden berühren. Der Rücken sollte möglichst gerade sein.
Schritt 6
Jetzt wird das linke Bein vor dem Körper angewinkelt, das rechte hintere Bein mit dem Knie gen Boden geführt, sodass man eine stabile Lage erreicht wird. Gleichzeitig wird der Oberkörper aufgerichtet und die Arme über den Kopf gerade noch oben ausgestreckt. Dabei wippt man leicht mit der Hüfte Richtung Boden, um die Dehnung zu intensivieren.
Schritt 7
Nun geht man in die Ausgangsposition zurück und macht die ganze Übung entgegengesetzt mit dem rechten Bein vorn.
Diese Vorteile hat der „World’s Greatest Stretch“
Wer schon mal Yoga gemacht hat, dem dürften Teile dieser Übung bekannt vorkommen. Tatsächlich enthält der „World’s Greatest Stretch“ neben etlichen Elementen von Yoga-Grundübungen auch andere Stretching-Elemente. Diese werden hier in einer dynamischen Abfolge ausgeführt. Und das führt zur Dehnung von vielen großen Muskelpartien des Körpers: Sowohl Beine, Arme, Rücken, Schulterblätter als auch Nacken und Gesäß werden bei diesem umfangreichen Stretching gedehnt.
Der besondere Vorteil: Durch die Aneinanderreihung der Dehnelemente und einen kontinuierlichen Bewegungsablauf kann man den gesamten Körper in rund zwei Minuten dehnen. Das ist eine große Zeitersparnis, denn oft dauert eine einzelne Dehnübung mindestens 30 Sekunden.
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Der Fitnessexperte sieht dieses Stretching kritisch
Doch wie sieht der Sportwissenschaftler und Personaltrainer Jörn Giersberg den „World’s Greatest Stretch“? „Aus meiner Sicht ist der Stretch gar nicht so effektiv“, konstatiert der Fitnessexperte. „Es ist nichts Halbes und nichts Ganzes“, sagt Giersberg. Denn beim Stretching gebe es zwei große Varianten: „Normalerweise geht es darum, sich in eine Dehnposition zu begeben und diese über einen längeren Zeitraum von mindestens 20 Sekunden zu halten und immer ein kleines Stück nachzugeben, ohne dabei groß zu wippen“, erklärt der Experte. Hier gehe es darum, die Strukturen beweglicher zu machen und regelrecht auseinanderzuziehen. So könne man die Bewegungsamplitude erhöhen.
Die zweite Dehnungsvariante: „Und es gibt kurze Dehnungen, die man zum Beispiel zwischen den Sätzen macht. Diese sollte man aber bewusst nicht zu lange machen, weil man sonst die Spannung rausnimmt aus dem Muskel, die fürs Training wichtig ist. Damit sorgt man zum Beispiel für eine bessere Durchblutung der Muskulatur“, sagt Jörn Giersberg.
Seiner Meinung nach ist der „World’s Greatest Stretch“ nicht so effektiv, weil die Dehnphasen zu kurz sind bei diesem Übungsablauf. Und die Übung eigne sich auch nicht dazu, sie zwischen einzelnen Sätzen auszuführen. Denn zwischen den Sätzen gehe es darum, nur jene Muskelgruppe kurz zu dehnen, die man gerade trainiert.
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Der „World’s Greatest Stretch“ ist ideal für Einsteiger
Dennoch sagt Giersberg, dass der Stretch ideal für Einsteiger ist, die nicht besonders oft Sport treiben und ihre Beweglichkeit verbessern wollen. Denn die Übung kann man jederzeit leicht zu Hause ausführen und in wenigen Minuten den Körper dehnen. „Vorher sollte man sich etwas aufwärmen, wenn man beispielsweise diese Übung mal zwischendurch zu Hause machen möchte. Es reicht schon, ein paar Treppenstufen zu steigen oder ein paar Lockerungsübungen wie Armkreisen, Schulterheben, Hüftkreisen“, sagt Giersberg, um Verletzungen zu vermeiden. Denn auch beim zu intensiven Dehnen kann man sich verletzen.
Bei der Übungsausführung sei es wichtig, die einzelnen Dehnelemente der Übung richtig auszuführen – sich also auf den Ablauf zu konzentrieren und in den Muskel „reinzugehen“. Wenn möglich, rät er, die Dehnung wenigstens für einen kurzen Moment zu halten.
Stretching ist gut und wichtig, um die eigene Beweglichkeit zu verbessern. Leichtes Dehnen nach dem Training kann aber auch die Regeneration fördern. Jörn Giersberg empfiehlt Stretching insbesondere als eine Art aktive Erholung zwischen den Trainingstagen oder nach einer Trainingseinheit, wenn der Körper gut aufgewärmt ist. Jedoch sollte man erschöpfte Muskeln nicht zu intensiv dehnen, da man ihnen damit eher schadet und selbst den Muskelaufbau hemmt. Zudem ist das Dehnen wichtig, um Verspannung im Körper zu lösen. Sein Motto: „Lieber öfter und weniger als zu intensiv dehnen“.