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Bei Experten nachgefragt

Wie gefährlich ist es, Schmerzmittel vor dem Sport einzunehmen?

Schmerzmittel Sport: Junger Mann läuft auf einer Straße
Mit Medikamenten kann man auch dann laufen gehen, wenn Schmerzen es eigentlich nicht zulassen würden. Vernünftig ist das aber nicht! Foto: Getty Images
Laura Pomer

31. August 2023, 11:16 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Viele Sportler setzen auf die Einnahme von Schmerzmitteln, um beim Training oder in einer Wettkampfsituation körperliche Grenzen zu überschreiten. Wer keine (oder weniger) Schmerzen hat, kann härter und länger Gas geben – aber was ist der Preis dafür? FITBOOK hat Alarmierendes herausgefunden.

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Mit fachlicher Beratung von
Dr. Matthias Riedl, Internist, Ernährungsmediziner, Diabetologe und ärztlicher Leiter des Medicum Hamburg

Mit Kopfschmerzen oder Gelenkbeschwerden müsste das Training eigentlich ausfallen. Und ebenso wenig fühlt man sich sporttauglich, wenn sich ein Infekt anbahnt. Statt sich zu schonen, setzen viele allerdings einfach auf Schmerzmittel vor dem Sport. Sie betäuben, dass beispielsweise der Schädel dröhnt, und lassen auch Schwellungen zurückgehen.

Wie wirken gängige Schmerzmittel?

Aspirin, Ibuprofen oder Diclofenac sind nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR), enthalten also keine Steroide. Sie wirken schmerzlindernd, indem sie die Cyclooxygenase hemmen. Jene Enzyme sind normalerweise für die Bildung von Prostaglandinen verantwortlich, also von Gewebshormonen, die Schmerzen, Entzündungen und auch Fieber hervorrufen.

Die genannten Schmerzmittel sind (je nach Dosierung) rezeptfrei und relativ günstig erhältlich. Viele führen Aspirin oder Ibuprofen immer in der Tasche mit sich, um für plötzlich auftretendes Kopfweh oder Erkältungserscheinungen gewappnet zu sein – oder, um für den Sport etwa ein schmerzendes Gelenk ruhigzustellen.

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Sportlerin
Wenn das lädierte Knie nicht mitmachen will, lockt der Griff zum Schmerzmittel. Dadurch drohen dauerhaft jedoch noch schlimmere Beschwerden. Foto: Getty Images

Den Schmerz für den Sport unterdrücken

Wie üblich diese Praxis in Sportlerkreisen ist, belegt etwa ein Report im Fachblatt „British Journal of Sports Medicine“.1 Es geht darin um den „Medikamentenmissbrauch“ im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika. Der Veröffentlichung nach hatten über 70 Prozent der teilnehmenden Athleten Schmerzmittel eingenommen. Davon sollen es 40 Prozent vor jedem Spiel getan haben, 60 Prozent mindestens einmal im Laufe der WM.

Auch eine Studie aus Deutschland ist zu einem alarmierenden Ergebnis gekommen. „Mehr als die Hälfte der Freizeitläufer schluckt vor einem Marathonlauf ein Analgetikum“, also ein „schmerzstillendes Mittel“. Das schrieb Prof. Dr. Kay Brune (inzwischen im Ruhestand) vom Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie an der FAU Erlangen-Nürnberg schon 2009 in einem Fachartikel.2 Der Wissenschaftler wies darauf hin, dass sowohl bei Freizeit- als auch bei Hochleistungssportlern dadurch schwere gesundheitliche Schäden auftreten können. Damit sind neben chronischen Gelenk- und Muskelschmerzen, unter anderem auch Störungen und Blutungen in verschiedenen Organsystemen gemeint.

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Schmerzmittel können viele Nebenwirkungen haben

Ähnlich beeindruckend ist, was man beim Blick in den Beipackzettel der vermeintlich harmlosen Arzneimittel erfährt. Etwa bei Ibuprofen werden als „sehr häufig auftretende Nebenwirkungen“, also bei mehr als einem von zehn Einnehmern, zahlreiche Magen-Darm-Beschwerden aufgeführt; darunter Sodbrennen, Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung und sogar Blutungen im Verdauungstrakt.

Die Liste der häufig auftretenden Nebenwirkungen (bei etwa einem von 100 Einnehmern) ist noch länger. Es kommen zentralnervöse Störungen (z. B. Schlaflosigkeit, Schwindel und Reizbarkeit) hinzu, mögliche Blutungen in Hirn und Atemwegen und Hautreaktionen wie Rötungen, Brennen und Ausschläge mit Pustel- und Bläschenbildungen.

Bei Aspirin verhält es sich ganz ähnlich. Asthmatiker sollten zudem wissen, dass die Einnahme Asthmaanfälle auslösen kann, weil das Mittel die Bildung bronchienverengender Botenstoffe fördert.

Diclofenac wird gemeinhin die kürzere Halbwertzeit (ein bis zwei Stunden) kritisch betrachtet. Diese bedingt, dass man das Mittel recht hoch dosieren muss, um eine längere Schmerzlinderung zu erzielen – und genau das soll mit schwereren gesundheitlichen Folgen einhergehen können. 2013 machte die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) auf Risiken für das Herz-Kreislauf-System aufmerksam, die durch eine dauerhafte und regelmäßige Einnahme wachsen sollen.

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Experte warnt vor Schmerzmittel-Dauereinnahme

Trotz möglicher Nebenwirkungen – wovon kein Arzneimittel frei ist – werden schmerzlindernde Medikamente bei der entsprechenden Indikation von Medizinern verordnet. Aber: Nur für einen begrenzten Zeitraum – und „nie länger als eine Woche“; zumindest, wenn es sich um einen (eigentlich gesunden, aber) nur durch Sport verletzten Erwachsenen handelt. Das betont Ernährungsmediziner und Internist Dr. med. Matthias Riedl im Gespräch mit FITBOOK. Wenn Schmerzen im Bewegungsapparat nicht weggehen wollen, rät Dr. Riedl dringend zum Termin beim Orthopäden und unbedingter Schonung. „Das braucht das Gelenk!“

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Unter Schmerzmittel ist man beim Sport verletzungsanfälliger

Laut Dr. Riedl sind es oft Läufer, die für das Training und/oder den eigentlichen Marathon zum Schmerzmittel greifen, um drohenden Schmerzen zuvorzukommen. Das führt dazu, dass sie eine Überlastung bereits angegriffener Stellen kaum noch oder gar nicht mehr wahrnehmen; und auch neu entstehende Verletzungen spürt man deutlich weniger. Das Medikament betäubt das Signal, auf das eigentlich eine Pause folgen sollte. Dadurch können Verletzungen schwerer und schlimmstenfalls chronisch werden. Und, logisch: Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens möglicher Nebenwirkungen erhöht sich, je häufiger man ein Medikament einnimmt. Laut Dr. Riedl kommt es in Sportlerkreisen, in denen Schmerzmittel missbraucht werden, besonders häufig zu Nierenversagen, chronischen Magenentzündungen, -geschwüren und -blutungen.

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Schmerzmittel führen zu Abhängigkeit

Durch die Tabletten-Routine riskiert man dauerhaft eine generelle Verschiebung des Schmerzniveaus. Das erklärt uns ein Fachmitarbeiter der Berliner Apotheke Axel-Springer-Passage. Sind körperliche Empfindungen ständig betäubt, schmerzt es dann, wenn man sich tatsächlich verletzt, umso mehr, und generell ist man bald sensibler für Schmerzen. Diesem Effekt kann man scheinbar nur Herr werden, wenn man weiterhin zum Schmerzmittel greift. Und das müsste auf Dauer sogar erhöht werden.

„Auch die stärksten Schmerzmittel verlieren nach zwei bis drei Monaten ihre Wirkung“, steht etwa in einem Ratgeber zur Medikamentenentwöhnung des Therapiezentrums Koblenz. Der Körper reagiert dann nicht mehr wie gewünscht auf den Wirkstoff, „sodass die Schmerzen wiederkommen.“ Um wieder einen Effekt zu erzielen, müsste man die Dosis des Schmerzmittels erhöhen – und hätte nach einigen Wochen wieder dasselbe Problem, verbunden mit einem stark erhöhten Risiko auf unerwünschte Nebenwirkungen.

Fazit – Schmerzmittel vor dem Sport sind keine gute Idee

Bei Krankheit oder Verletzungen helfen schmerzlindernde und entzündungshemmende Medikamente uns dabei, durch den Tag zu kommen. Dass wir uns dadurch besser fühlen, bedeutet aber nicht, dass wir uns so verhalten sollten, als wäre nichts. Das würde uns kurzfristig verletzungsanfälliger machen und kann bestehende Blessuren verschlimmern. Zudem drohen durch die unnötige Schmerzmitteleinnahme schnell Gewöhnung und einige sehr unangenehme Nebenwirkungen. Besser, man hebt sich die Option für den Ernstfall auf. Schmerzmittel und Sport zu kombinieren, ist jedenfalls keine gute Idee.

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Quellen

Themen Medikamente
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