29. Dezember 2023, 15:47 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten
Das Whoop-Armband soll dabei unterstützen, sein volles Potenzial ausschöpfen zu können. Dafür sammelt der Tracker Daten zu Belastung, Erholung und Schlaf. FITBOOK-Redakteurin Alexandra Grauvogl hat das Whoop 4.0 beim Marathon-Laufen getragen – hier sind ihre wichtigsten Erkenntnisse aus dem Test.
Derzeit stolpern Anhänger eines gesunden Lebensstils auf Social Media vermehrt über Werbung für Whoop 4.0. Das Fitness-Armband soll dabei unterstützen, seine Gesundheit generell und die Leistungsfähigkeit – bspw. im Sport oder Job – zu verbessern. Der Fitness-Tracker sammelt dafür wichtige Daten zu Schlaf, Erholung und Belastung. In der zugehörigen App erfolgt deren Analyse, woraus wiederum KI-basierte Coach-Empfehlungen resultieren. Ich habe das Whoop-4.0-Armband fünf Monate getragen. In dieser Zeit bin ich drei Marathons gelaufen (das ist eine andere Geschichte). Meine Erfahrungen, wichtigen Erkenntnisse und was mir am Whoop-Band nicht so gut gefallen hat, teile ich in diesem Testbericht.
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Übersicht
Whoop 4.0: So funktioniert das Fitness-Armband
Whoop ist ein US-amerikanisches Unternehmen und versteht sich als „Human Performance Company“. Durch die 24/7-Messung von Daten wie Herzfrequenz, Herzfrequenzvariabilität, Bewegungs- bzw. Schlafmuster u.v.m. soll Whoop zur Verbesserung von Gesundheit und Leistungsfähigkeit beitragen. Diese Daten werden über das Armband, das in einem sehr schlichten Design ohne Display daher kommt, gesammelt und in der App analysiert. Dort erhält man durch den KI-basierten Coach Empfehlungen für gesündere Verhaltensweisen – bspw. optimale Schlafenszeit, Erholungsmaßnahmen wie Eisbäder oder Atemübungen – und die richtige Belastung für ein effektiveres Training.
Bei Whoop kauft man nicht die Hardware, also das Armband, sondern die Mitgliedschaft in einem Abo-Modell (ein Monat kostet derzeit 30 Euro). Darin ist die Bereitstellung des Fitness-Armbands Whoop 4.0 enthalten. Entscheidet man sich bspw. für eine Jahres- oder Zweijahresmitgliedschaft, wird es deutlich günstiger (je nach Aktion ca. 15 Euro pro Monat).
Whoop 4.0 – das Gerät
Der Sensorbereich verfügt über fünf LEDs mit grünem und infrarotem Licht, vier Fotodioden und Algorithmen, um die Hauttemperatur und den Blutsauerstoff zu messen und präzise Herzfrequenzmessungen zu ermöglichen. Die Akkulaufzeit beträgt etwa fünf Tage. Mit einem wasserdichten Akkupack kann der Whoop 4.0 auch unterwegs aufgeladen werden.
Was ist bedeuten die Werte für Schlaf, Erholung und Belastung?
Whoop unterteilt die Analyse der Daten und daraus resultierende Empfehlungen durch den KI-basierten Coach in drei Bereiche: Schlaf, Erholung und Belastung. Die Schlafleistung auf einer Skala von 0 bis 100 Prozent wird ermittelt anhand des Vergleichs von geschlafenen Stunden und der benötigten Menge an Schlaf. Dabei kann man sich intensiv mit den einzelnen Schlafphasen, der Atemfrequenz, Schlafbeständigkeit und -effizienz beschäftigen.
Schlaf spielt eine wichtige Rolle bei der Erholung, ist aber längst nicht der einzige Faktor. Auch Flüssigkeitszufuhr, Alkoholkonsum, Ernährung oder soziale Kontakte beeinflussen sie. Der Erholungswert auf einer Skala von 0 bis 100 Prozent gibt an, wie schnell man nach Stress (Belastung, Krankheit, mentaler Stress) wieder auf den Ausgangswert zurückkehrt und basiert auf 4 wichtigen Messwerten: Herzfrequenzvariabilität, Ruheherzfrequenz, Atemfrequenz und geschlafene Stunden.
Die Tagesbelastung setzt sich in der Whoop-Analyse aus den Belastungen durch Aktivität (Trainingseinheiten) und Nicht-Aktivität zusammen (z. B. Schlaf, Stress, Hausarbeit). Die Skala reicht von 0 bis 21. Dementsprechend gibt Whoop die Empfehlung, einen bestimmten Belastungswert (z. B. 10,4) zu erreichen. Im Chat mit dem KI-Coach erhalte ich sogar konkrete Vorschläge:
Wichtige Funktionen
Zu den smarten Funktionen gehören unter anderem
- Sleep Coach: Abgestimmt auf die individuellen Schlaf- und Aufwachzeiten wird man bspw. über Vibrationen des Armbands benachrichtigt, wenn man seine optimale Erholung erreicht hat
- Gesundheitsmonitor: In der App lassen sich Herzfrequenz, Hauttemperatur, Blutsauerstoffgehalt, Ruheherzfrequenz und Herzfrequenzvariabilität live verfolgen. Außerdem können 30- bzw. 180-Tage-Auswertungen erstellt werden, die man als PDF downloaden und bspw. mit dem Hausarzt oder Fitnesstrainer teilen kann.
- Stressmonitor: Die aktuelle Herzfrequenz und Herzfrequenzvariabilität sind physiologische Reaktionen auf Stress. Die Messungen werden mit deinen Normalwerten der letzten 14 Tage verglichen, um einen Stresswert zwischen 0 und 3 zu berechnen. Dabei werden Bewegungen des Körpers berücksichtigt, um positive Stressfaktoren wie Sport von anderen Faktoren zu unterscheiden.
- Strength-Trainer: Anhand dieser Funktion werden Gewichte, Wiederholungen und Sätze getrackt, um die muskuläre Belastung durch Workouts zu berechnen und aufzuzeigen, wie sehr Muskeln, Knochen, Gelenke und Gewebe beansprucht werden.
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Ohne konsequente Logbuch-Einträge ist alles nichts
Was Whoop 4.0 meiner Erfahrung nach besser kann als andere Fitness-Tracker, ist das Erkennen von Zusammenhängen bestimmter Gewohnheiten und deren Einfluss auf Schlaf, Erholung und Leistungsfähigkeit. Mehr als 140 Gewohnheiten und Handlungen können in das Logbuch eingetragen werden – von der Einnahme bestimmter Medikamente, Koffein– und Alkoholkonsum, Snackverhalten, Reisen, Stillen, Menstruation, Medienkonsum im Bett bis hin zu Sex.
Whoop ermittelt, wie sich die getrackten Gewohnheiten auf die biometrischen Werte und Erholung auswirken, und gibt konkrete Empfehlungen. Hat die Tasse Kaffee am Nachmittag einen negativen Einfluss auf den Schlaf? Einmal den Blutdrucksenker vergessen wird schon nicht so schlimm fürs Herz-Kreislaufsystem sein, oder? Hilft mir eine kalte Dusche oder Sauna nach einer Trainingseinheit für die Regeneration? Je detaillierter und konsequenter über einen längeren Zeitraum diese Angaben gemacht werden, umso interessanter die Analyse.
Und hier liegt nach meiner Erfahrung mit dem Whoop 4.0 auch der Hund begraben: Es erfordert schon einiges an Disziplin, sich täglich durch das Logbuch zu klicken. Wenn man es nicht nur nach Schema F – heißt: Die Daten des Vortags übernehmen – macht, sondern auch ungewöhnliche Faktoren berücksichtigt (das späte Essen mit Freunden inklusive Alkohol, ein stressiges Telefonat, das neue Nahrungsergänzungsmittel vom Kumpel, das man getestet hat), kann es schon mal zehn Minuten dauern, den Tag zu reflektieren. Verpasste Tage kann man übrigens nachtragen, macht man aber erst recht nicht nach meiner Erfahrung mit dem Whoop-Band. Ein schlampig geführtes Logbuch lässt also weniger spannende Zusammenhänge erkennen.
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Erfahrung mit dem Whoop-Band: Der Nachteil gegenüber einer klassischen Laufuhr
Während ich die eben geschilderte Logbuch-Funktion als sehr hilfreich empfand, hat mich als das Whoop-Armband als Trainingsbegleiter, speziell beim Laufen, nicht überzeugt. Das liegt insbesondere daran, dass es ohne Display nicht möglich ist, live am Handgelenk wichtige Daten wie Herzfrequenz, Geschwindigkeit, Zeit oder gelaufene Kilometer zu verfolgen. Dazu muss man a) das Handy mitschleppen und b) die App öffnen. Das ist nicht praktikabel. Im Gym legt man sich vielleicht noch eher das Smartphone hin, um Gewichte und Übungen zu tracken. Aber ambitionierte Läufer, Schwimmer, Radfahrer und andere Outdoor-Sportler kommen wohl für eine sinnvolle Trainingssteuerung nicht um eine klassische Sportuhr herum. Das Whoop-Armband zusätzlich zu tragen, ist kein Hindernis und kann weitere wertvolle Daten zur Belastung und Erholung liefern.
Wer nur gelegentlich sportliche Aktivitäten tracken möchte, kann das aber durchaus mit Whoop 4.0 machen. Die Aktivität kann über Sportprofile (von A wie American Football bis Z wie Zirkuskünste) in der App manuell gestartet werden. Bestimmte Bewegungsmuster erkennt das Armband aber automatisch, bspw. Joggen oder Rudern, und zeichnet sie auf.
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Das habe ich durch Whoop fürs Marathon-Laufen gelernt
Eingangs habe ich erwähnt, dass ich das Whoop-Band während einer Phase getestet habe, in der ich mehrerer Marathons (2. September Médoc-Marathon, 1. Oktober Köln-Marathon, 12. November Athen-Marathon) gelaufen bin, und meine Erfahrung teilen möchte.
Schlaf
Die Schlafanalyse von Whoop 4.0 hat mir deutlich gezeigt, wie wichtig es ist, dass ich bereits eine gute Woche vor dem angepeilten Marathon-Start konsequent auf ausreichend Schlaf und ein angepasstes Schlafverhalten (etwas früher ins Bett als üblich, dafür etwas früher aufstehen) achten sollte. Denn eines ist sicher: In der Nacht vor dem Start ist nicht mehr viel zu holen. Bedingt durch die meist recht frühen Startzeiten zwischen 8:30 Uhr und 10 Uhr muss man das Bett früh verlassen, um das energieliefernde Frühstück noch mit ausreichend zeitlichem Abstand einzunehmen, und rechtzeitig im Startblock zu stehen (inklusive Anreise, Umziehen, Kleiderbeutelabgabe, Toilettengang). Je nachdem, wie lange man dafür braucht, hieß es für mich zwischen 4:30 Uhr (lange Transferzeit zum Start beim Athen-Marathon) und 6 Uhr aufstehen (etwas spätere Startzeit in Köln).
In der jeweiligen Nacht vor dem Marathon lag meine Schlafleistung nur noch bei 56 bzw. 62 Prozent. Normalerweise komme ich auf 76 bis 100 Prozent. Die geschlafenen Stunden lagen zwischen 4:33 Stunden und 4:57 Stunden. Noch krasser die Werte für erholsamen Schlaf (REM-Schlaf und Tiefschlaf): 33 Prozent und 25 Prozent, nur in Köln kam ich hier auf einen guten Wert von 42 Prozent.
Da dies keine guten Voraussetzungen für hohe Belastungen wie einen Marathon-Lauf sind, sich aber eine gewisse Grundnervosität im Vorfeld nicht vermeiden lässt und dazu Anreisestress, fremdes Bett etc. den Schlaf negativ beeinflussen können, lautet mein Learning: Bereits die ganze Woche vor dem Marathon akribisch auf guten und genügend Schlaf achten, damit das Defizit unmittelbar vor dem Wettkampf nicht zu hart ins Gewicht fällt.
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Stress
Der Stressmonitor hat mir gezeigt, dass es nicht körperliche Belastungen sind, die meinen Stress-Tacho in einen mittleren bis hohen Bereich treiben, sondern emotionaler bzw. mentaler Stress. Bspw. lag der Stress-Wert am Tag des Athen-Marathons bei 0,9 Punkten im niedrigen blauen Bereich. Zwei Tage später, als ich mich tierisch über die mal wieder streikenden Lokführer der GDL aufregen und unnötige Umorganisationsarbeiten bewältigen musste, wanderte die Tachonadel in den orangen Bereich. Generell war mein Stresswert an Tagen ohne körperliche Aktivität in Form von Training deutlich höher. Was mir einmal mehr zeigt, wie wichtig Training für Stressbewältigung ist und dass ich weitere Strategien gegen emotionalen Stress entwickeln sollte.
Erholung
Auch wenn ich mein Logbuch nicht immer penibel gepflegt habe, wurde mir eines deutlich vor Augen geführt: Für die hohe Belastung, die ich während der Vorbereitung bewältigen musste, trinke ich nicht ausreichend Wasser. Beim Wettkampf selbst gelingt mir das gut. Aber es vergehen so manche Arbeitstage im Büro, an denen ich nicht mal einen halben Liter Wasser trinke und abends dann laufen gehe. Ziemlich dumm. Nicht nur im Hinblick auf die Erholung.
Ich bin keine schnelle Läuferin. Marathon laufe ich, um auf ein Ziel hinzuarbeiten, die eigenen Grenzen auszutesten, aber vor allem, um schöne, abenteuerliche und auch schmerzhafte Erfahrungen außerhalb der Komfortzone zu sammeln, die einen weiter bringen. Auch wenn meine Bestzeit „nur“ bei 4:18:48 Stunden liegt, die ich dieses Jahr in Köln gelaufen bin, bin ich auf anderen Fitness- und Gesundheitswerte stolz, die Whoop mir offenbart hat. Bereits zwei Tage nach dem Marathon war ich laut Whoop wieder bei sehr guten Erholungswerten bereit „für Höchstleistungen“. Natürlich habe ich das nicht zu wörtlich genommen und zunächst mit lockeren Einheiten begonnen, aber mein subjektives Gefühl (kaum Muskelkater) deckte sich mit den Werten.
Wie sich drei Marathons in drei Monaten auf meine Gesundheitswerte auswirkten
Meine Herzfrequenzvariabilität verbesserte sich zwischen September und November um 10 Prozent, was ein Zeichen für gesteigerte Fitness ist. Mein Ruhepuls blieb trotz kleiner Schwankungen recht stabil (48 Schläge pro Minute), ebenso die Atemfrequenz. Meine Schlafleistung verbesserte sich sogar in den drei Monaten. Meine Befürchtung, dass drei Marathons in drei Monaten sich negativ auf meine Leistung und Gesundheit auswirken, hat sich also nicht bestätigt.
Dabei sollte ich aber noch einmal erwähnen, dass ich nie auf Anschlag gelaufen bin, sondern ein Tempo, das ich gut durchhalten konnte. Außerdem habe ich durch meine Leistungssportvergangenheit eine gute Grundkonstitution und ein Körpergefühl, das mich vor gefährlicher Überlastung schützt. Sollten Sie ein ähnliches Projekt durchziehen wollen, lassen Sie sich unbedingt vorab beim Arzt durchchecken!