22. November 2022, 16:34 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Deutlich mehr als eine halbe Million Menschen in Deutschland klettern – die allermeisten davon in einer Halle. Doch seit Bouldern und Hallenklettern immer mehr Begeisterte findet, sind auch die Unfallzahlen gestiegen. Was uns zur Haftungsfrage bringt: Klettert man in Hallen eigentlich auf eigene Gefahr?
Rund 500 solcher Sportstätten mit den bunten Griffen und Tritten sind in den vergangenen knapp 30 Jahren in Deutschland entstanden – und wenn es draußen verregnet oder kalt ist, sind die Kletterhallen rappelvoll. Zwar ist Bouldern eine vergleichsweise risikoarme Sportart, doch sind allein durch die rasante Zunahme der Ausübenden auch die Unfallzahlen gestiegen. Das merken inzwischen auch die Gerichte, denn schnell steht dann die Frage im Raum: Wie ist das im Fall einer Verletzung infolge eines Unfalls beim Hallenklettern? Haftet der Hallenbetreiber?
Übersicht
Wer Bouldern als Freizeitbeschäftigung wahrnimmt, hat die Gefahren oft nicht im Blick
„Das ist grundsätzlich wie in anderen Lebensbereichen auch: Die Freudigkeit, solche Sachen gerichtlich nachzuverfolgen, hat zugenommen“, erläutert der Bergführer und Rechtsanwalt Stefan Beulke. Gerade Menschen, die Klettern vorrangig als hippe Freizeitbeschäftigung wahrnehmen, wären oft regelrecht perplex, dass man sich bei einem Sturz auch verletzen könne.
„Wenn wir in die freie Natur gehen, ist es für uns völlig klar: Es ist Klettern auf eigene Gefahr“, sagte Christoph Ebert, Leitender Oberstaatsanwalt in Memmingen und Mitglied in der Dachkommission Recht im Deutschen Alpenverein (DAV), auf einer Juristentagung des Bayerischen Kuratoriums für alpine Sicherheit in München. Ein nach alter Tradition sozialisierter Kletterer wäre kaum jemals auf die Idee gekommen, seinen Seilpartner zu verklagen – doch in der Halle sieht das oftmals anders aus: „Unglück und Not werden heute nicht mehr als Schicksal hingenommen. Es herrscht die Vorstellung, es müsse für jedes Missgeschick einen Verantwortlichen geben“, erläutert Ebert.
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Hallenbetreiber bei Unfall nicht in der Haftung
Kommt es beim Hallenklettern zu einem Unglück und einer Verletzung, wird dann gerne auf eine vermeintliche Haftung durch den Hallenbetreiber geschielt. Doch der hat juristisch betrachtet nur die Pflicht, eine vernünftige Kletterwand samt Sicherungspunkten zur Verfügung zu stellen und die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung der Besucher zu verhindern. „Er muss aber nicht wie ein Adler durch den Raum schauen, ob da auch sauber geklettert wird und die Sicherungsgeräte richtig benutzt werden“, betont Ebert.
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Letztlich ist es wie im Schwimmbad: Dort darf auch jeder Eintritt zahlen und reingehen, ob er schwimmen kann oder nicht. Solange der Hallenbetreiber also alles beachtet, beispielsweise die Sicherungspunkte und Griffe regelmäßig wartet, ist er im Falle eines Falles nicht in der Haftung. In Bayern etwa, wo Schätzungen zufolge rund ein Drittel aller Kletterer in Deutschland lebt, gab es erst einen einzigen Unfall, bei dem dem Hallenbetreiber eine Schuld nachgewiesen werden konnte.
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Was, wenn der Seilpartner einen Fehler macht?
Kann ein Kletterer dann seinen Seilpartner verklagen, nach dem Motto: Du hättest mich doch halten müssen! Die Chance, das Gerichte das so sehen, ist durchaus gegeben. „Seilkletterer haften in der Regel für leichte Fahrlässigkeit“, betont Ursula Gernbeck von der
Staatsanwaltschaft München I.
Zwar seien die Voraussetzungen dafür im Gesetz recht schwammig formuliert – für die „im Verkehr erforderliche Sorgfalt“ seien die „anerkannten Regeln der jeweiligen Sportart“ ausschlaggebend, sagt Gernbeck. Doch beim Hallenklettern gibt es kein modifiziertes Regelwerk. „Allein dass der DAV irgendwo eine Sicherheitsmeinung publiziert hat, ist nicht ausreichend. Sondern entscheidend ist, ob es sich zu einer Verkehrsnorm verdichtet hat, ob es wirklich praktiziert wird.“
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Aus dieser Argumentation heraus ist es Urteilen zufolge beispielsweise fahrlässig, das Seilende nicht zu sichern, um ein Durchrutschen zu verhindern. Auch der Partnercheck, bei dem beide Kletterer gegenseitig überprüfen, ob der Gurt geschlossen und das Seil richtig eingebunden ist, gilt als Standard. Ebenso muss der Kletternde alle Sicherungspunkte einhängen.
Was jedoch völlig irrelevant ist: Ob jemand das Klettern oder das Sichern formal in einem Kurs gelernt hat. „Auch Selbstbeibringen ist okay“, betont Gernbeck. „Die Frage ist nur, ob man es richtig macht.“
Mit Material von dpa