
25. Oktober 2017, 4:36 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Seit das elastische Flossband unter Physiotherapeuten bekannt wurde, legte es eine steile Karriere hin. Das feste Umwickeln von Gliedmaßen und Gelenken soll Schmerzen lindern und Patienten beweglicher machen. Was ist dran?
Wenn ein Fußballprofi von Hannover 96 Schmerzen hat oder seine Glieder sich etwas steif anfühlen, dann greifen die Physiotherapeuten des Bundesligisten gerne zum Flossband. Das ist ein zwei Meter langes und fünf Zentimeter breites Naturkautschuk- oder Latexband. Hat der Spieler etwa Knieschmerzen, wickeln sie das Band sehr fest um das Gelenk und lassen ihn zum Beispiel Kniebeugen machen. Für die Patienten ist das schmerzhaft, häufig fühlen sie sich danach aber besser. „Es ist fast täglich im Einsatz“, sagt 96-Gesundheitsmanager Dominik Suslik.
So funktioniert das Flossband
Physiotherapeut Thomas Metzger bietet Flossing in seiner Praxis in Schwäbisch Gmünd an. Er bezeichnet es als therapeutisches Werkzeug zur Kompression und Mobilisation. Bindet man Gewebe etwa am Arm ab, werden an dieser Stelle alle Ströme einschließlich der Blutzufuhr unterbrochen, erklärt er. Löst man das Band wieder, würde das Gewebe kräftig durchspült. Die Phase des Einwickelns dauert ein bis drei Minuten.
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Metzger kombiniert die Behandlung stets mit Bewegungsübungen. Ihm zufolge entstehen dadurch – ähnlich den Übungen im Faszientraining mit der so genannten „Blackroll“ – Reibungen, die die Gewebeschichten gegeneinander verschieben. Das löse Verklebungen und erhöhe die Beweglichkeit des Patienten, erklärt der Physiotherapeut.
Suslik betont einen Effekt, der im Fokus aller Behandlungen von Beschwerden und Verletzungen steht: Schmerzlinderung. Weil der Therapeut mit dem Flossband direkt auf der Haut arbeitet, beeinflusst er die Mechanorezeptoren. Stimuliere man sie, würden sie die Schmerzsensoren überlagern. „Je aktivierter die Mechanorezeptoren sind, desto stärker werden Schmerzen gehemmt.“
Das Flossing selbst ist für Patienten allerdings schmerzhaft und die Bewegungen gegen den Druck des Bandes sehr anstrengend. Das ist gewollt, um den besten Effekt zu erzielen. „Es ist aber noch nicht ganz klar, wie viel Druck dem Gewebe wirklich gut tut“, sagt Metzger. „Das kann bei bestimmten Patienten auch zu viel sein.“ Dann wickelt er das Band lockerer.
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Manchmal sollte man es ganz lassen. Als Ausschlussfaktoren nennen die Experten zum Beispiel Hautkrankheiten, Knochenbrüche, Thrombosen, eine Herzinsuffizienz oder Nervenerkrankungen.
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Auch wenn viele Patienten gute Erfahrungen mit dem Flossband machen: Wissenschaftlich bewiesen ist seine Wirkung noch nicht. Professor Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule in Köln findet das aber nicht schlimm: „Wer heilt, hat Recht. Da muss man nicht immer alles beweisen“, sagt der Leiter des Instituts für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation.

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Ein bekannter Fitness-Prof bleibt skeptisch
Froböse ist allerdings skeptisch, ob Flossing mehr als ein vorübergehender Trend sein kann. „Die Methode hat einen kleinen Vorteil im therapeutischen Alltag. Man braucht keine hohe mechanische Belastung und benötigt daher weniger Zeit“, sagt er. Dass man mit dem Abschnüren und dem Unterbrechen der Blutzufuhr den gleichen Effekt wie beim Krafttraining erzielt, bezweifelt er aber.
Zwar bringt man den Körper in beiden Fällen in eine Sauerstoffnot, wodurch die Muskeln eventuell wachsen. „Beim Flossing habe ich aber nicht die neuro-muskuläre Stimulation der Muskelfasern“, sagt Froböse. Gerade die sei ihm zufolge aber wichtig für die Stabilität und Leistungsfähigkeit des Körpers im Alltag.