2. April 2020, 16:34 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Die ersten zwei Monate meiner Vegan-Challenge sind um und am besten lässt sich diese Zeit mit einer emotionalen Achterbahnfahrt für mich vergleichen. Die Möglichkeit, durch die Kolumne interessante Leute kennenzulernen, spannende Projekte zu realisieren und sich auf Veranstaltungen mit dem „Who’s who“ der veganen Szene zu unterhalten, zählt definitiv zu den Highlights und machte mich zwischenzeitlich auch sehr zuversichtlich, die Challenge zu packen. Doch dann kam Corona!
Bevor es im März zu Quarantänen und „social distancing“ kommen sollte, bekam ich die Möglichkeit, meine körperliche Verfassung in Monat 2 meiner Vegan-Challenge mit einer ganz besonderen Person auf den Prüfstand zu stellen: Im Berliner Spitfire Gym konnte ich zwei Trainingstage mit der MMA-Weltmeisterin Julia Dorny verbringen! Spoiler: Athletik ist, zu meinem eigenen Erstaunen, bei mir nicht vorhanden! Mir war klar, dass Pumpen kein Indikator für einen leistungsfähigen Körper ist. Dass es mir beim Training aber dermaßen an den Kragen gehen würde, das hätte ich dann trotzdem nicht erwartet.
Fleisch- UND saftlos? Mein Training mit einem MMA-Champion
Die Nacht vor dem ersten Trainingstag war kurz. Mit zitternden Händen betrat ich am nächsten Tag das Gym. Ich wusste, dass ich mich als absoluter Kampfsport-Laie zum Klops machen würde. Nach dem Aufwärmen verbrachte ich die erste Session hauptsächlich damit, wie ein nasser Sack durch die Luft geschleudert zu werden. Stichwort: Die ungewohnten Bewegungen aus den Beinen heraus und meine vergeblichen Versuche, meine Gegnerin wenigstens einmal auf den Boden zu kriegen, sorgten dafür, dass ich nach 10 Minuten in meinem eigenen Schweiß hätte nach Hause rudern können. Hier eine gute bildliche Zusammenfassung der anderthalb Stunden mit Julia.
Nachdem ich am Vortag erst gegen 22 Uhr von der Julia-Dresche zurückkam, begann das nächste Training schon um 9 Uhr in der Früh. Ich dachte, anstrengender als gestern kann es sicher nicht werden. Nun ja, falsch gedacht! Schon der Aufwärmkreis hat mir den Rest gegeben. Danach standen noch Mobility und Athletiktraining auf der Tagesordnung. Halbtot schleppte ich mich durch die Einheiten.
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Nach einer fünfminütigen Pause, die gefühlt mit einem Augenzwinkern vorbei war, ging es weiter in den Ring. Pratzentraining war angesagt. Für mich als friedliebenden Mitmenschen war es durchaus ungewohnt, auf jemand Unbekanntes einzuschlagen. Spaß hat’s trotzdem gemacht, was auch an Julias nettem (aber knallhartem) Trainer lag.
Zusammenfassend muss ich sagen, dass ich von der Athletik und Kondition aller anwesenden Sportler extrem beeindruckt war. In solchen Momenten fällt mir immer wieder auf, dass Pumpen – zumindest so, wie ich es betreibe – „nur“ eine Ästhetikkorrektur ist.
Fleischlos? Ja! Saftlos? Auf jeden Fall! Jedoch hat das eine nichts mit dem anderen zu tun. Fleischlos lebe ich erst seit zwei Monaten, saftlos, seitdem ich vor Jahren jegliches Cardiotraining verbannt habe. Viel Zeit zum Ausruhen hatte ich aber nicht, weil am nächsten Tag schon wieder gut Programm war.
Auf zur VeggieWorld!
Völlig kaputt und mit blauen Flecken übersät ging es auf die VeggieWorld in Berlin. Zusammen mit meiner Kollegin Kira Ortmann wollte ich die neusten veganen Trends abchecken. Ich, der Nix-Tierisches-Novize, musste mich erst einmal zurechtfinden, da sich meine Messebesuche bisher auf die Fibo beschränkten. Dementsprechend interessiert war ich, ob der Fitnesstrend auch auf – bzw. in – der VeggieWorld angekommen ist. Und ja, das ist er! Zwar längst nicht vergleichbar mit der Fibo, aber es haben sich auch einige Supplement-Hersteller blicken lassen, die mit veganen Proteinen werben.
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Abseits der Fitnessschiene war ich überrascht, wie viele tierische Produkte rein pflanzlich imitiert werden können – und dazu auch noch schmecken. Nach vielen kleinen Häppchen waren Kira und ich vollgefuttert und zufrieden. Lediglich der Preis einiger Produkte war, für den täglichen Verzehr, noch sehr hoch. Neun Euro für 100 Gramm Käse find ich dann doch etwas zu happig.
Bevor uns Corona alle in die Häuser trieb, machte ich mir regelmäßig Gedanken darüber, wie lange ich die Challenge wohl noch durchhalten würde. Das Verlangen nach Fleisch und die Gefahr, rückfällig zu werden, wuchsen immer weiter an. Da halfen selbst so positive Erlebnisse wie der Besuch auf der VeggieWorld nichts.
Ich hätte mir einfach wieder gerne kiloweise Huhn reingestopft. Nicht zuletzt, weil ich überall – ob auf dem Weg zur Arbeit oder direkt aufs Handy – mit Werbung für Fleisch bombardiert wurde. Ich fühlte mich wie ein Pawlowscher Hund: Sobald ich Werbung sah, setze der Speichelfluss ein.
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Durch den Gang ins Studio konnte ich mich mental über Wasser halten. Mein Gym ist mein Zufluchtsort, an dem ich den Stress des Alltags abstreifen und in Ruhe über mein Leben nachdenken kann. Hier fühlt sich alles irgendwie einfacher für mich an. Hier ist egal, wo du herkommst, was du arbeitest oder was du isst. Nur der Sport zählt!
Und plötzlich stand alles auf dem Kopf!
Von einem Tag auf den anderen waren die Studios dicht – das soziale Leben stand still! Ein Umstand, den ich ehrlich gesagt nicht habe kommen sehen. Wie die meisten ging ich mit der Corona-Pandemie anfangs ziemlich locker um und dachte, dass sich alles im Sande verlaufen würde. Plötzlich musste ich mir Gedanken machen, wie mein sportliches und soziales Leben weitergehen soll. Überforderung machte sich breit!
Aus Fitnesssicht ist Corona für mich eine Katastrophe. Ich habe das Gefühl, dass mir ein Großteil meines Lebens entrissen wurde. Für viele mag das übertrieben klingen – ich will an der Stelle aber zu bedenken geben, dass ich über die letzten fünf Jahre so ziemlich alles in meiner Freizeit auf das Pumpen ausgerichtet habe.
Jedoch haben Ausgangsbeschränkungen auch einen Vorteil: Ich werde nicht mehr ständig mit Werbung für Fleisch zugeschüttet. Will sagen: Ein veganer Lebensstil war seit Beginn meiner Challenge nie einfacher als gerade. Was auch daran liegt, dass niemand veganes Putenfilet hamstert.
Alle bisherigen Teile zum Nachlesen
- Warum ich mich ein halbes Jahr vegan ernähren möchte
- So lief meine erste Woche als Veganer
- Wie hat sich mein Fleischkonsum auf meine Gesundheit ausgewirkt?
- So lief mein erster Monat ohne massenweise Fleisch und Eier
- Wie Corona mein Leben als Pumper verändert
Wie treibe ich gerade Sport?
In den letzten Tagen habe ich viel über mich selbst gelernt – größtes Learning: Ich weiß wieder, warum ich Joggen so hasse! Nachdem ich es seit etlichen Jahren mal wieder probiert habe, lautet mein abschließendes Fazit. Laufen? Nie wieder!
Damit meine ich aber nicht zügige Spaziergänge durch unbekannte Gegenden in (Ost-)Berlin, die bringen mich gut runter. Allgemein sehe ich in der Krise auch die Chance, ein bisschen zu entschleunigen und meinen Körper nach den Schuftereien der letzten Jahre etwas zur Ruhe kommen zu lassen. Auch wenn ich in einer Tour gegen den „Kopfkasper“ ankämpfen muss, der mit rapidem Muskelverlust droht.
Zumindest habe ich die letzten Tage genutzt, um ein Home-Gym zu planen, damit ich nicht ganz auf dem Trockenen sitzen muss. Schließlich ist völlig unklar, wie lange die Situation andauern wird. Sobald die Geräte geliefert werden, kann es wieder mit Bankdrücken und Co. losgehen.
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Nach 2 Monaten Vegan-Challenge: Was macht mein Gewicht?
Leider habe ich keine Waage in den eigenen vier Wänden stehen und kann dementsprechend nicht viel zu meinen körperlichen Veränderungen sagen. Vor dem Shutdown hatte ich 14 Kilo seit Challenge-Beginn abgenommen. Durch die fehlende Bewegung haben sich sicherlich einige Pfunde wieder dazugesellt. Jedoch heißt das nicht, dass es mir körperlich schlechter geht. Ich fühle mich soweit wohl und kann mich in meiner dazugewonnenen Freizeit mehr mit Kochen beschäftigen und mich an neuen Rezepten versuchen.
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Im Video FITBOOK-Reporter steigt mit MMA-Weltmeisterin in den Käfig
So geht es weiter
Sobald sich was an der jetzigen Corona-Situation ändert, ich wieder ins Studio kann oder mein Home-Gym eingerichtet ist, melde ich mich zurück! Andernfalls bin ich spätestens mit dem Resümee der ersten drei Monate wieder zur Stelle.
Bis dahin und bleibt gesund!