29. Januar 2025, 20:29 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Personal Trainerin Janine Heinrichs ist eine ambitionierte Läuferin, die auch vor extrem langen Strecken nicht zurückschreckt. Über ihre Herausforderungen, wie sich ihr Körper durch das Lauftraining verändert hat und wie ihr Training aussieht, sprach sie mit FITBOOK im Interview.
Zweiter Platz beim 130-Kilometer-Ultratrail in Wien, erster Platz beim 12-Kilometer-Run in Hamburg, verschiedene Marathons, Trail Runs und ein Iron Man – Personal Trainerin Janine Heinrichs räumt regelmäßig die vorderen Plätze in Triathlons und Ultraläufen ab. Und das, obwohl sie von Ausdauersport früher gar nichts hielt. „Hätte ich damals mein Wissen von heute gehabt, (oder auch meinen Körper) hätte ich sofort meine Laufschuhe gegen eine Gy-Tageskarte eingetauscht“, schreibt Janine unter einem ihrer Posts auf Instagram. Acht Jahre ist der Beitrag nun her, und wie es aussieht, hat die Sportlerin Langhantel und Gewichte inzwischen gegen Laufschuhe eingetauscht. Warum genau verriet sie im Interview mit FITBOOK.
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„Ich laufe nicht, um abzunehmen, sondern um besser im Laufen zu werden“
FITBOOK: Als Personal Trainerin setzen Sie bei Ihren Kunden vor allem auf Krafttraining. Wie erklären Sie ihnen Ihre vielen Laufkilometer in der Woche?
Janine Heinrichs: „Es kommt immer auf das Ziel an. Meine Kunden wollen häufig abnehmen, gesünder werden, Stress besser bewältigen oder altersbedingten Veränderungen entgegenwirken – etwa die Menopause in den Griff bekommen und gesund altern. Das sind nicht meine Ziele. Ich laufe nicht, um abzunehmen, sondern um besser im Laufen zu werden. Dafür muss man nun mal viel und oft laufen. Ausdauer reagiert sehr sensibel auf äußere Einflüsse wie weniger Training, schlechtes Wetter oder schlechten Schlaf. Um ein hohes Niveau zu halten, ist deshalb ein kontinuierliches Laufpensum erforderlich.“
Wie Janine Heinrichs das Laufen für sich entdeckte
Wie und wann sind Sie selbst zum Laufsport gekommen?
„Ich würde jetzt gern eine spektakuläre Geschichte erzählen, aber eigentlich war es ganz simpel: Bei meinen Triathlons habe ich mich immer am meisten auf das Laufen am Ende gefreut. Ich bin nur geschwommen, um danach Rad zu fahren, um dann endlich laufen zu dürfen – eine etwas ungewöhnliche Herangehensweise. Ich liebe es, beim Laufen nur mit mir selbst zu sein. Vor ein paar Jahren habe ich eine Urkunde aus der neunten Klasse wiedergefunden – damals war ich die Schnellste, ganz ohne Training. Ich habe das nie weiter verfolgt, aber als ich die Urkunde wieder in den Händen hielt, dachte ich: ‚Wow, das konntest du ja schon immer ganz gut.‘“
Was war Ihre bisher größte sportliche Herausforderung?
„Definitiv der Großglockner Ultratrail vergangenes Jahr: 110 Kilometer mit 6.500 Höhenmetern. Es war hart, weil ich keine Gruppe gefunden habe, der ich mich anschließen konnte – ich war die ganze Nacht allein. Ich bin hingefallen, hochgestolpert – und das mitten in den Bergen. Ich wusste, dass es irgendwo steil bergab geht, aber gesehen habe ich nichts. Die Stirnlampe leuchtete nur wenige Meter vor mir, von hinten wurde ich überholt, während ich mich fragte: ‚Was mache ich hier eigentlich?‘ Trotzdem habe ich weitergemacht. Es war eine heftige Erfahrung – zumal ich eigentlich Höhenangst habe.“
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„Man glaubt, nicht mehr zu können – und dann schafft man doch noch 30 Prozent mehr“
Was „geben“ Ihnen extreme Wettkämpfe wie ein 24-Stunden-Ultratrail?
„Einerseits Vorfreude und Aufregung. Man trainiert auf ein Ziel hin und will dann endlich abliefern. Andererseits steht man vor einer riesigen Blackbox: Man weiß nicht, wie das Wetter wird, wie der Weg beschaffen ist, ob der Magen mitspielt oder was die Gedanken machen, wenn es richtig hart wird und wie es sich generell anfühlt 110 oder 120 Kilometer zu laufen, weil man die Distanz in der Regel im Training nicht bewältigt. Aber genau das baut mentale Stärke, Disziplin und Selbstbewusstsein auf. Wenn nach dem Wettkampf die Zehennägel abfallen, weiß man: Die eigene Komfortzone war nur der Anfang. Man glaubt, nicht mehr zu können – und dann schafft man doch noch 30 Prozent mehr. Dieses Gefühl ist unbezahlbar. Ich weiß: Egal, was im Leben kommt, ich kann immer noch 130 Kilometer wegrennen.“
Ernährung und Training von Janine Heinrichs
Gehört zu solchen sportlichen Leistungen Talent oder kann jeder mit dem richtigen Training so schnell werden?
„Die Frage ist eher: Will das überhaupt jeder? Viele bleiben gern in ihrer Komfortzone. Ich bin der Meinung, dass man aus sich das Beste herausholen sollte. Ich wurde als Kind wegen eines angeborenen Hüftfehlers mehrfach operiert – die Chance auf ein beschwerdefreies Leben lag bei unter zehn Prozent. Trotzdem laufe ich heute Ultramarathons. Dafür bin ich unendlich dankbar. Und dass meine Hüfte sehr schmal ist, kommt mir beim Laufen sogar zugute.“
Wie viele Stunden pro Woche trainieren Sie?
„Zwischen zehn und 16 Stunden. Für einen normalen Marathon muss man das nicht, aber ich habe noch viel vor. Zusätzlich mache ich zweimal pro Woche Krafttraining und etwas Stabilisationstraining. Schlaf ist auch essenziell – ich schlafe acht bis neun Stunden pro Nacht.“
Bei einem Marathon verbrennen Sie sicher über 1.000 Kalorien. Wie füllen Sie Ihre Energiespeicher wieder auf?
„Ich verpflege mich schon während des Trainings so, dass ich kein Defizit aufbaue. Meist starte ich mit einem Gel. Dazu esse ich täglich ausreichend Proteine – zwei Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. Nach dem Training fülle ich meinen Flüssigkeitshaushalt auf und nehme 15 bis 20 Gramm Proteine zu mir. Das kann förderlich für die Muskulatur sein. Ich würde aber niemals laufen, um mir danach Essen zu ‚verdienen‘ – nach dem Motto: 400 Kalorien verbrennen, um später den Döner zu essen.“
Wie verpflegen Sie sich auf langen Distanzen? Und was halten Sie als Personal Trainerin von Energy-Gels?
„Energy-Gels sind klasse – wer die erfunden hat: Danke! Sie sind leider teuer und nicht jeder verträgt sie. Für lange Läufe nehme ich aber auch einfache Alternativen wie Milchbrötchen oder Hanuta – Hauptsache kohlenhydratreich und leicht verdaulich. Ich empfehle grundsätzlich, sich bei Läufen über 40 bis 50 Minuten mit Energie zu versorgen.“
„Gerade Frauen reagieren empfindlich auf den Trainingsstress“
Wie hat sich Ihr Körper durch den Ausdauersport verändert?
„So stark wie durch das Ausdauertraining hat sich mein Körper noch nie verändert. Als ich mit dem Ironman-Training begann, habe ich plötzlich an Gewicht zugelegt – von 51 auf 58 Kilo. Der Grund: extremer Heißhunger. Mit der Zeit hat sich mein Körper angepasst, und mein Gewicht hat sich wieder eingependelt. Viele denken, Cardiotraining führe automatisch zu Gewichtsverlust, aber das ist nicht immer so. Gerade Frauen reagieren empfindlich, da das Training Stress auslöst – der Körper schützt sich mit Fettreserven. Es kann deshalb sein, dass man durch Cardiotraining zunimmt und mehr Hunger hat. Studien zeigen, dass wir nach einer Cardio-Einheit oft 30 Prozent mehr Kalorien aufnehmen, als wir verbraucht haben. Wer eine definierte Figur will, kommt an Krafttraining nicht vorbei. Laufen allein macht keine gute Figur! Denn der Po baut sich ab, der obere Rücken wird oft runder.“
Sollte Sport uns optisch „schöner machen“? Und würden Sie weiterhin Ultra Runs laufen, wenn sie nachweislich kontraproduktiv für die Figur wären?
„Natürlich soll Sport uns schöner machen – aber die richtige Sportart ist entscheidend. Ultra Runs sind eigentlich ungesund und nicht förderlich für eine gute Figur – und ich mache sie trotzdem. Weil es ein unglaubliches Gefühl ist und weil man süchtig danach wird, die eigenen Grenzen zu verschieben. Meine Figur hat definitiv darunter gelitten, aber das stört mich nicht. Wer die Figur optimieren will, sollte nicht laufen.“
Baut man durch viel Cardiotraining Muskelmasse ab?
Viele Kraftsportler haben Angst, durch zu viel Cardiotraining Muskelmasse zu verlieren. Ist diese Sorge berechtigt? Und wie schützt man die Muskeln davor?
„Ja, die Angst ist nicht unbegründet. Wenn man viel Cardio macht und sich nicht entsprechend ernährt, baut der Körper Muskelmasse ab. Um dem entgegenzuwirken, sind drei Dinge entscheidend: Erstens, Cardio- und Krafttraining sollten zeitlich möglichst weit auseinanderliegen. Zweitens, Krafttraining muss überwiegen und intensiv genug sein, damit der Körper den Muskelaufbau als essenziell ansieht. Drittens, eine ausreichende Proteinzufuhr – idealerweise zwei Gramm pro Kilogramm Körpergewicht.“
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Janine Heinrichs Trainingsempfehlung
Wenn man nur wenig Zeit für Krafttraining hat – was sollte das Minimum sein?
„Ich empfehle ein Ganzkörpertraining mit Grundübungen für die großen Muskelgruppen – keine isolierten Bizeps Curls. Wichtig ist auch der Ausgleich: Wer viel sitzt, sollte den Po trainieren. Wer viel läuft, sollte den oberen Rücken und die Beinmuskeln stärken. Stabilisierende Übungen wie Planks sind ebenfalls sinnvoll, ebenso Beckenbodentraining.“
Haben Sie als Trainerin selbst einen Coach?
„Ja! Sonst würde ich mir nur die angenehmen Einheiten heraussuchen und für mich selbst nicht die besten Entscheidungen treffen. Es ist entspannter, klare Anweisungen zu bekommen – zumal ich mich sonst schwer bremsen könnte.“