12. Mai 2024, 18:01 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Sport macht einen großen Teil Ihres Alltags aus? Dann ist es ja klar, dass sich zunächst mental und im nächsten Schritt auch körperlich etwas verändert, wenn Sie plötzlich nur noch auf der faulen Haut liegen. Doch was passiert eigentlich genau im Körper, wenn man längere Zeit – vier Wochen und mehr – nicht trainiert? FITBOOK klärt auf.
Viele Sportler und Fitness-Fans treibt eine große Sorge um: Was passiert mit meiner mühsam antrainierten Ausdauer, meinem definierten Sixpack oder meiner Leistung beim Bandrücken, wenn ich eine Weile – wir sprechen von mehreren Wochen – keinen Sport mache? Gründe dafür gibt es schließlich viele: sei es ungewöhnlich viel Stress auf der Arbeit, eine Erkrankung oder Verletzung. Dann schafft man es nicht ins Gym und auch lange Einheiten beim Laufen oder auf dem Rad fallen flach. Waren damit all die harten Workouts umsonst, und man muss danach wieder bei null anfangen? Wie lange muss eine Trainingspause sein, damit sie zu unerwünschten Veränderungen im Körper führt – und wie muss man sich diese Folgen vorstellen? FITBOOK klärt auf.
Übersicht
Warum der Fitnessprof ein Fan kurzer Trainingspausen (bis 2 Wochen) ist
„Viele verkrampfen völlig, wenn es ums Thema Trainingspause geht“, weiß Stephan Geisler, Professor für Fitness und Gesundheit an der IST-Hochschule Düsseldorf. Die Gedanken würden nur um die Frage kreisen: „Man muss weiter trainieren! Man muss, man muss.“ So sei es aber nicht, nimmt Geisler im Gespräch mit FITBOOK den Druck heraus – und geht sogar einen Schritt weiter: Es sei nicht nur total okay, mal ein oder zwei Wochen nicht zu trainieren – es sei sogar ganz wichtig! „Ohne Phasen der Regeneration kein Trainingserfolg. Nicht umsonst gibt es die schöne Sportler-Weisheit: ‚In der Pause wächst der Muskel!‚“ Dass kurzes „Detraining“ kein Problem darstellt, zeigt auch eine Studie aus dem Jahr 2017: Forscher fanden damals heraus, dass eine zweiwöchige Trainingspause sich bei Männern, die regelmäßig trainieren, weder im Hinblick auf Kraftwerte noch Hypertrophie signifikant negativ auswirkt (FITBOOK berichtete).1
Auch hätten gesunde Personen keinen Blutdruckanstieg zu erwarten, nur weil sie mal zwei Wochen lang Trainingspause einlegen, versichert der Fitnessprof: „Für einen solchen Zusammenhang gibt es keine Anhaltspunkte.“
Lange Trainingspause (4 Wochen und mehr) – mögliche Folgen
Nach dem Urlaub, der Erkrankung oder den stressigen Arbeitswochen wird es laut dem Experten aber wieder Zeit, den Muskeln Reize zu setzen und zurück zur Workout-Routine zu finden. Denn jeder sollte sich bewusst sein, dass bei einer Trainingspause von (zu) langer Dauer negative Veränderungen im Körper stattfinden können. Welche genau, fasst FITBOOK zusammen.
Auswirkung auf die Stimmung
Wer es gewohnt ist, regelmäßig zu trainieren, wird an sich vermutlich schon nach ein paar Tagen ohne Workout eine gewisse Unausgeglichenheit oder gar einen Stimmungsabfall feststellen. Das kommt nicht von ungefähr. Wussten Sie, dass körperliche Ertüchtigung einen Teil der Therapie von Depressionen ausmacht? Beim Sport werden bestimmte Botenstoffe ausgeschüttet, die auch als Glückshormone bezeichnet werden. So kann es bereits kurzfristig für Abhilfe sorgen, wenn man bei schlechter Laune eine Runde joggen geht. Und: Je häufiger und intensiver man Sport treibt, desto stärker und nachhaltiger die Ausschüttung von Glückshormonen und umso größer folglich der Effekt aufs Gemüt. Nun den Sport an den Nagel zu hängen, würde sich mit einem umso steileren Stimmungstief rächen.
Von einer allzu langen Trainingspause rät auch die American Psychological Association ab. In einem Beitrag des Fachverbands kommt Professor Michael W. Otto zu Wort. Er forscht viel zum Thema Sport und Gemütslage – und weiß auch, welche Gefahren eine zu lange Sportpause mit sich bringen kann. Zahlreiche epidemiologische Daten wiesen darauf hin, dass „sportlich aktive Menschen, die plötzlich damit aufhören, eher zu Depressionen neigen, als solche, die ihre Trainingsroutine aufrechterhalten“, so Otto.2
Auswirkung auf den Kalorienumsatz
Wenn jemand mehrmals pro Woche Sport treibt, verbrennt er auf die Woche gerechnet eine bestimmte Anzahl an Kalorien (zum Kalorienrechner von FITBOOK geht’s hier lang). Während der Trainingspause werden logischerweise weniger Kalorien verbrannt. Die durch die Nahrung zugeführte – und nicht verbrauchte – Energie setzt bald an. Der Prozess beginnt unmittelbar, wenn mehr Kalorien zugeführt, als verbrannt werden. Wann das Ganze an Hüfte, Po oder Bauch sichtbar wird, ist jedoch sehr individuell.
Auswirkung auf den Blutzuckerspiegel
Eine zu lange Trainingspause kann sich negativ auf den Stoffwechsel auswirken. Das Gleiche gilt, wenn man sich generell zu wenig bewegt oder auf einmal gänzlich mit dem Trainieren aufhört. Denn beim Sport und anderen Formen körperlicher Anstrengung gelangt Zucker in die Zellen – ein wesentlicher Prozess, um die Muskeln zu aktivieren. Diabetiker profitieren von regelmäßigem Sport, da sie dadurch weniger Insulin benötigen, um ihre Zellen mit Zucker zu versorgen.
Ohne Sport steigt auch beim (noch) gesunden Menschen die Wahrscheinlichkeit auf bspw. eine Insulinresistenz. Dabei handelt es sich um eine Stoffwechselstörung, welche die Fähigkeit zur Umwandlung von Zucker in Energie nachhaltig beeinträchtigen kann. Das ist ungünstig für die Regulierung des Blutzuckerspiegels.
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Auswirkung auf die Muskulatur
Wer eine zu lange Trainingspause macht oder ganz aufhört zu trainieren, wird früher oder später muskuläre Veränderungen bemerken. Laut dem Physiologieexperte Jeremy Loenneke sind diese möglichen Veränderungen seien allerdings eher von quantitativer als qualitativer Natur. „Sie werden an Muskelmasse verlieren, aber die Kraft wird größtenteils erhalten bleiben“, wird er in einem Beitrag des US-Magazins „Outside“ zitiert.
Auswirkung auf den Blutdruck (bei vorbelasteten Personen)
Von regelmäßigem Sport profitiert das Herz-Kreislauf-System, so viel ist bekannt. Hypertoniker (= Bluthochdruckpatienten) können durch das richtige Training in regelmäßigen Abständen ihren Blutdruck dauerhaft senken. Entsprechend kann eine Trainingspause auch in diesem Punkt zur Veränderung im Körper führen. Jedoch: Eine erfolgreiche Absenkung des Blutdrucks kann durch zu lange Inaktivität wieder zunichte gemacht werden. Laut einer Studieder University of British Columbia (Kanada) kommt es nach etwa zwei Wochen Inaktivität zum Anstieg des Blutdrucks.3
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Auswirkung auf den VO2max-Wert
Der VO2max ist ein Richtwert für die bestmögliche Ausdauerleistung. Er gibt die maximale Sauerstoffaufnahme bei Belastung an – und vor allem, wie viel des Sauerstoffs der Körper effektiv verwertet. Bereits 1984 hat der texanische Physiologe Edward Coyle untersuch, wie sich der VO2max-Wert bei sportlich aktiven Menschen nach unterschiedlich langen Trainingspausen verändert. Es zeigte sich, dass der Wert bereits nach 12 Tagen um durchschnittlich sieben Prozent abfiel. Ab Tag 13 blieb der VO2max für etwa zwei Wochen relativ stabil und nahm dann bis Tag 56 ohne Training noch mal um 14 Prozent ab. Nach insgesamt 84 Tagen Detraining war der Wert um 16 Prozent gefallen.4 Zur Einordnung muss man sagen, dass es sich hierbei um keine drastische Veränderung handelt.
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Fazit
Kurze Trainingspausen von etwa ein bis zwei Wochen sind nach Ansicht von Experten kein Problem, auch die oben genannte Studie zeigt das. Im Gegenteil: Sie dienen der Regeneration, ein nicht unerheblicher Faktor für Trainingserfolg und Muskelwachstum. Längeres Detraining – also vier Wochen und mehr – haben allerdings schon negative Folgen, wir haben sie oben aufgelistet. Vor allem Sportanfänger sollten zu langes Detraining vermeiden, um sich den Wiedereinstieg in den Sport nicht zu schwer zu machen.