25. Januar 2023, 18:14 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Länger, intensiver und somit effektiver trainieren – dies soll mithilfe sogenannter Trainingsbooster gelingen. Die Präparate versprechen dank unterschiedlicher Inhaltsstoffe die körperliche Leistungsfähigkeit zu erhöhen. FITBOOK hat mit einem Experten gesprochen und seine Einschätzung dazu eingeholt, ob die Einnahme sinnvoll ist oder eher nicht.
Wer das Maximum aus seinem Workout herausholen will, geht bis an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit. Um diese Grenzen auszudehnen, greifen manche Sportler zu Supplements – sogenannte Trainingsbooster. In den meisten Fällen handelt es sich um Pulver zum Verrühren in Wasser. Klingt vielleicht ein wenig nach Doping, gemeint sind aber (eigentlich) frei verkäufliche und zur Einnahme zugelassene Präparate sowie selbst Kaffee. FITBOOK hat über das umfangreiche Thema mit einem Sportwissenschaftler gesprochen.
Übersicht
Was sind Trainingsbooster?
Im Begriff Trainingsbooster steckt das englische „to boost“, was übersetzt „steigern“ bedeutet. Die gemeinten Substanzen oder Präparate versprechen somit, das Workout in Umfang und Intensität steigern und somit den Trainingseffekt erhöhen zu können. Das erklärt im Gespräch mit FITBOOK Dr. Simon Gavanda, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Fitness & Gesundheit an der IST-Hochschule für Management in Düsseldorf. Praktisch würde das etwa bedeuten, dass, wer Trainingbooster einnimmt, z. B. mehr Wiederholungen eines Satzes schafft und insgesamt länger trainieren kann.
Funktionsweise
„Die meisten gängigen Booster enthalten eine Kombination von Inhaltsstoffen, die den Trainierenden wacher, fitter und fokussierter machen sollen“, so Gavanda. Jene Produkte sollen eine akute Steigerung im Bereich Krafttraining und Kraftausdauertraining bewirken können, ebenso eine verbesserte Anpassung an das Training.
Gängige Inhaltsstoffe von Trainingsboostern
Zu den häufigsten Zutaten in Trainingsboostern zählten laut Gavanda Koffein und Kreatin. Daneben seien auch Beta-Alanin, Taurin, L-Citrullin, L-Tyrosin und L-Arginin gängige Zusätze. Doch was sie betrifft, ist der Fachmann skeptisch. „Die Studienlage zur leistungssteigernden Wirksamkeit jener Substanzen gibt bisher kein eindeutiges Ergebnis her“, sagt er. Über die Wechselwirkungen und Potenzierung sei wenig bekannt, ihr Einsatz also fragwürdig.
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Wirksamkeit von Koffein und Kreatin gilt als bestätigt
Zusammen mit einigen Kollegen hat Gavanda den Effekt 30 entsprechender Präparate auf Fitnesssportler im Rahmen einer Studie analysiert1. Dabei haben Kreatin und vor allem Koffein eine messbare Wirkung gezeigt. Letzteres wirke „stimulierend auf das zentrale Nervensystem und verbessert so die kognitiven Fähigkeiten und die Wachsamkeit“, so der Wissenschaftler. „Zudem steigert es die Fettoxidation und schont damit die Glykogenspeicher der Muskelzellen, was zu einem verzögerten Eintritt der Ermüdung bei intensiver sportlicher Tätigkeit führt.“ Doch ob das auch langfristig etwas bringt, also Koffein dauerhaft zu einer besseren Kraftanpassung führt – das bleibe bis auf Weiteres unklar.
Kreatin wirke da etwas anders. Demnach lassen sich durch seine Einnahme die körpereigenen Kreatinphosphatspeicher in den Muskelzellen erhöhen. Das führe laut Gavanda zu einer ganzen Reihe positiver Effekten. „Vor allem aber kann man eine Steigerung der anaeroben Leistungsfähigkeit und der Kraft beobachten.“ Heißt: Kreatin kann das schnelle Abrufen von Energie unterstützen. Als Voraussetzung nennt der Experte, dass es längerfristig eingenommen wird bzw. wurde. Der einmalige Konsum bringe demnach gar nichts.
Fraglich: richtige Dosis und geeigneter Einnahmezeitpunkt
Wichtig sei zu erwähnen, so Gavanda, dass es bei der Einnahme von Trainingboostern auf die richtige Dosierung ankommt. Diese lässt sich in den meisten Fällen der Produktverpackung entnehmen – scheinbar zumindest. Der Experte sieht hier nämlich ein bedeutendes Problem: „Ein Löffel eines Boosters wirkt sich auf den Organismus einer 50 Kilogramm schweren Dame ganz anders aus als auf den eines 100 Kilogramm schweren Mannes.“ Doch die Dosierungsempfehlung der Hersteller werde unabhängig vom Gewicht der Konsumenten gemacht.
Viele nehmen Trainingsbooster in zu hohen Dosen ein
Die logische Konsequenz sei, dass viele Sportler die Präparate falsch dosierten. Teilweise unbewusst, teilweise jedoch auch absichtlich höher, um vermeintlich mehr Effekt zu erzielen. Doch dies könne zu einer Reihe von Nebenwirkungen führen, etwa Parästhesien (Missempfindungen, Kribbeln), Schlaflosigkeit und Kopfschmerzen. Eine Überdosierung und damit verbundene Nebenwirkungen seien zwar nicht gefährlich oder geschweige denn tödlich, aber wohl zumindest unangenehm. „Hier muss man sich fragen, ob ein oder zwei Wiederholungen pro Übung mehr es echt wert sind, danach schlecht zu schlafen“, befindet Gavanda.
Daneben gebe es bei der Dosierung von Koffein noch etwas zu beachten: hohe Gewöhnungseffekte. Das bedeutet, dass die Einnahme von Koffein als Trainingsbooster regelmäßiger Dosis-Steigerungen bedarf, wenn sie immer wieder effektiv sein soll.
Unterschiedlicher Wirkeintritt der einzelnen Inhaltsstoffe
„Die meisten Hersteller empfehlen die Einnahme nur direkt vor dem Training“, so der Experte. Wenn jemand abends trainiert, sind die angesprochenen Schlafprobleme im Zweifelsfall vorprogrammiert.
Hinzu komme, dass die einzelnen Inhaltsstoffe (bis auf L-Arginin, da sei nichts Genaueres bekannt) unterschiedlich lange zum Wirken benötigten. Um einen optimalen Effekt zu erzielen, müsste man also jeweils spezifische Einnahmezeitpunkte empfehlen. Bei Koffein wäre dieser rund 60 Minuten vor dem Sport und bei Beta-Alanin eine tägliche Einnahme über mindestens vier Wochen sinnvoll. L-Citrullin, Taurin und Kreatin müsste ebenso täglich eingenommen werden und L-Tyrosin zwischen 60 bis 120 Minuten vor dem Sport.
Achtung, mögliche Doping-Falle
Per se fallen Trainingsbooster nicht unter Doping. Dennoch bestehe bei Leistungssportlern die Gefahr, dass etwaige Doping-Kontrollen positiv ausfallen können, wenn die Präparate etwa Stoffe wie Synephrin, Higenamin oder DMAA enthalten. „Es gab in der Vergangenheit schon so manchen Athleten, der durch einen Booster positiv auf Stimulanzien getestet wurde“, erinnert sich der Sportwissenschaftler. Auch hier überlässt er es natürlich jedem selbst, zu erwägen, ob man dieses Risiko eingehen möchte.
Fazit des Experten
Trainingbooster zeigen mitunter einen leistungssteigernden Effekt, zumindest auf die Kraftausdauer. Doch die Einnahme kann auch verschiedene Nachteile mitbringen.
Zusammenfassend rät Gavanda von den handelsüblichen Trainingsboostern ab. Allenfalls einen Kaffee in den Stunden vor dem Training würde er empfehlen – „und gegebenenfalls eine Ohrfeige für den Fokus.“
Nahrungsergänzungsmittel Was Sportler über die Wirkung von Kreatin auf die Muskeln wissen sollten
Supplement für die Muskelausdauer Wirkung, Dosierung und mögliche Nebenwirkungen von Beta Alanin
Fitnessbooster? Die Wirkung von L-Arginin im Körper
Quelle
- 1. Sperlich, B., Kunz, P. Düking, P. et. al. (2019), The use and dosage of pre-workout supplements amongst recreational athletes, German Journal of Exercise and Sport Research.