24. Juli 2023, 19:21 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Vor wenigen Tagen starb der Bodybuilder Justyn Vicky im Alter von 33 Jahren nach einem Unfall im Trainingsraum, bei dem ihm eine schwere Hantel aufs Genick fiel. Tragisch – und doch muss man dazu sagen, dass der Fitness-Influencer hier unnötige und leider fatale Risiken eingegangen ist. Darüber hat FITBOOK mit Experten gesprochen. Lesen Sie im Folgenden, welche Fehler beim Training mit viel Gewicht demnach unbedingt zu vermeiden sind.
Justyn Vicky war ein indonesischer Fitness-Influencer und gerade dabei, ein neues Video für seine Fans zu erstellen, als es zu einem tödlichen Unfall kam. Der Clip, der online tatsächlich abrufbar ist, zeigt Vicky beim Versuch, aus dem Back Squat hochzukommen, auf den Schultern eine mit rund 210 Kilogramm schweren Gewichten beladene Langhantel. Die Hantel rutscht ab – sein Trainingspartner kann das nicht mehr verhindern – und bricht Vicky das Genick. Nur kurze Zeit nach Entstehen der Aufnahmen starb der 33-Jährige im Krankenhaus.
FITBOOK hat zwei Fitness-Experten gebeten, sich die Bilder anzusehen. Demnach hat der Bodybuilder bei seinem Training mit viel Gewicht fatale Fehler gemacht, die andere Kraftsportler unbedingt vermeiden sollten.
Übersicht
Worauf man beim Training mit viel Gewicht unbedingt achten muss
Sportwissenschaftler Prof. Stephan Geisler, alias der Fitnessprof, ist von Justyn Vickys Todesfall bestürzt – „doch so etwas darf nicht passieren“. Sein Umkommen sei absolut vermeidbar gewesen. „Beim Training mit viel Gewicht ist es das A und O, sich abzusichern“, mahnt der Experte. Und das hat Vicky offenbar nicht hinreichend getan.
Unterstützung von Trainingspartnern
Da es um die eigene Sicherheit gehe, empfehle es sich, einen Schritt weiterzudenken. Im Fall von Justyn Vicky – und einer mit immerhin 210 Kilogramm beladenen Langhantel – wäre es laut Geisler etwa sinnvoll gewesen, mehr als einen Trainingspartner zu haben, sprich: sich mit mindestens einer weiteren Person als „Spotter“ bei der Übungsausführung abzusichern. Ein Spotter kann etwa ein Trainingspartner sein oder alternativ ein fremder Anwesender im Fitnessstudio, den man bittet, aufzupassen und im Ernstfall einzugreifen.
Crossfitter mahnt: „Keinen unnötigen Rekordversuch unternehmen!“
Fabian Schindler ist Crossfitter und arbeitet als Kraft- und Konditionstrainer. Er findet sehr ähnliche Worte wie der Fitnessprof. So sei etwa klar, dass ein einziger Spotter im Rücken mit den bloßen Händen ein so enormes Gewicht nicht ohne Weiteres halten kann.
Was Schindler darüber hinaus ärgert: dass der Verunglückte einen unnötigen Rekordversuch unternommen habe. Ganz offensichtlich sei es ihm um einen sogenannten „1RM“ , also ein „Repitition Maximum“ (übersetzt etwa: Ein-Wiederholungs-Maximum) gegangen. Hier versuchen Kraftsportler, das für sie maximal stemmbare Gewicht für eine Wiederholung zu schaffen. Dieses Prinzip sei für Wettkampf-Athleten relevant, aber laut Schindler „für den ‚Otto Normalverbraucher‘ gänzlich ungeeignet“ – und offensichtlich gefährlich. Denn klar: Wenn man an seine Grenze geht, erhöht sich das Unfallrisiko, und je häufiger oder intensiver man es tut, desto müder die Muskeln.
Zugegeben, Justyn Vicky war in dieser Hinsicht kein „Otto Normalverbraucher“. Ein Blick auf seinen Instagram-Account zeigt, dass der extrem durchtrainierte Balinese in den vergangenen Wochen auf seinen Maximalgewichtsrekord hingearbeitet hat. Im Abstand von jeweils wenigen Tagen hat er sich von 170 auf 190 Kilogramm gesteigert, gefolgt von 200 und nun 210 Kilogramm. Viel weniger gefährlich macht das sein Vorhaben natürlich nicht!
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»5RM ist sicherer als 1RM
Schindler will generell davon abraten, 1RM-Versuche zu unternehmen, „ob nun beim Deadlift auf der Bank oder beim Back Squat“. Doch viele Kraftsportler wollen ihren 1RM-Wert kennen – dieser wird häufig in Trainingsanleitungen oder -plänen als Richtwert genutzt. Es gebe aber einen vernünftigen und risikoärmeren Umweg. Der Coach rät zum 5RM, also mit fünf Wiederholungen sein Maximum herauszuholen. Dafür gebe es online entsprechende Umrechnungstabellen. „Es ist einfach sicherer, wenn man das Gewicht zumindest ein paar Mal bewegen kann. Und mit dem Umrechner kommt man immer noch auf einen sehr akkuraten 1RM-Wert“, weiß er.
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Sicherheitsvorrichtungen der Geräte nutzen (Safety-Pins)
Noch mal zurück zur fehlenden Unterstützung bei diesem Mammut-Stemmversuch. Es gibt – selbst wenn man keinen Trainingspartner dabei hat – Möglichkeiten, sich abzusichern. So sind hochwertige Power Racks oder Squat Racks speziell dafür konzipiert, Trainierenden ein hohes Maß an Stabilität für effektive Workouts zu bieten. Sie sind mit Stangen ausgestattet, an die sich Aufhänger – sogenannte (Safety-)Pins – anbringen lassen. Wenn man nun etwa einen Squat mit Langhanteln durchführen will, insbesondere mit viel Gewicht, empfiehlt es sich, dabei innerhalb dieses Trainings-Käfigs zu bleiben. Einerseits ermöglichen die Pins die Ablage der Hantel auf einer für die Übung sinnvollen Stelle, sodass man sie etwa leicht auf die Schultern nehmen kann und niemand sie einem auflegen muss. Auf der anderen Seite sollten auch an einer niedrigen Stelle Pins gesetzt sein. Denn sollte man nicht mehr hochkommen, könnte man so die Hantelstange auf den Pins ablegen. Fitnessprof Geisler rät, sich vor der Übung gut zu überlegen, an welcher Stelle dies sinnvoll wäre bzw. wie tief man beim Training gehen werde. Falle man nämlich z. B. beim Back Squat nach hinten, könnten die Pins die auf den Trainierenden zu fallen drohende Stange „auffangen“.
„Man sieht in dem Video, dass es keine Safety-Pins gab“, warnt Schindler. Der gesamte Rekordversuch sei somit nicht sinnvoll aufgebaut gewesen. Wenn ein Gym es nicht hergebe, sicher zu trainieren, dann sei es laut dem Experten das falsche.
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Im Normalfall sind Verletzungen beim Krafttraining selten
Beiden Experten ist es wichtig, zu betonen, dass Verletzungen oder gar Todesfälle beim Training mit Gewichten sehr selten seien – so lange man es richtig mache. Deshalb sollte man den Unfall von Justyn Vicky, so tragisch er sein mag, einordnen. Er zeige nicht, dass Training mit Gewichten gefährlich ist – sehr wohl jedoch, dass Trainingsfehler es sein können.