18. November 2024, 19:59 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Ein Bandscheibenvorfall kann eine schmerzhafte und langwierige Angelegenheit sein. Nach der akuten Behandlung, wenn die Beschwerden nachgelassen haben, fragen sich Betroffene häufig, wie sie selbst mit ihrem Training dafür sorgen können, dass ihr Rücken gestärkt wird und es nicht zu einem weiteren Vorfall kommt. FITBOOK-Fitnessexpertin Alina Bock hat zwei Trainingspläne zusammengestellt – fürs Fitnessstudio und fürs Home Gym.
Über neun Stunden sitzt der Deutsche durchschnittlich am Tag. Der daraus folgende Bewegungsmangel ist einer der Hauptgründe für Rückenprobleme. Mit 180.000 Erkrankungen jährlich zählt der Bandscheibenvorfall zu einer der häufigsten Rückenerkrankungen in Deutschland.1 Symptome können Rückenschmerzen, Schmerzen in den Gliedmaßen, Kribbeln, Taubheitsgefühle oder sogar Lähmungserscheinungen sein. Dabei kann man der Erkrankung der Wirbelsäule gut entgegenwirken und mit gezieltem Training nach einem Bandscheibenvorfall den Heilungsprozess beschleunigen und einen weiteren Vorfall vorbeugen.
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Übersicht
Was passiert bei einem Bandscheibenvorfall und wie wird er ausgelöst?
Die Bandscheibe besteht aus einem zentral liegenden Kern – dem Gallertkern – und Faserringen, die diesen umgeben. Der sogenannte Gallertkern, bestehend aus Knorpelgewebe, nimmt Druckbelastungen auf und leitet diese weiter. Vereinfacht gesagt, dienen Bandscheiben somit als Stoßdämpfer zwischen den einzelnen Wirbeln der Wirbelsäule.
Alterungsprozesse sowie ein Mangel an Bewegung führen zur Dehydrierung der Bandscheibe. Als Folge nimmt ihre Fähigkeit, Wasser zu binden, ab und verliert zusätzlich an Höhe. Dies führt zu Rissen in den Faserknorpelringen und zu einer Annäherung der Wirbelkörper. Durch diese Risse in den Faserringen kann nun der Gallertkern austreten. Auslöser des Bandscheibenvorfalls sind starke Überlastungen der vorgeschädigten Bandscheiben, meist durch eine Kombination aus Flexion (Beugung des Oberkörpers) und Rotation (Drehung).
Beispiel: Jahrelange Fehlbelastungen durch stundenlanges Sitzen in Kombination mit einem Mangel an Bewegung im Alltag führen dazu, dass der Gallertkern die Faserringe durchdringt. Der äußere Faserring ist jedoch noch intakt. Nun wird eine schwere Getränkekiste mit rundem Rücken über die Seite angehoben. Diese Krafteinwirkungen führen dazu, dass auch der äußere Faserring beschädigt wird und der Gallertkern austreten kann. Der Bandscheibenvorfall liegt vor.
Symptome eines Bandscheibenvorfalls
Knapp ein Drittel der deutschen Bevölkerung leiden laut Statista im Jahr 2024 unter Rückenschmerzen.2 Nicht alle davon sind von einem Bandscheibenvorfall betroffen. Was also unterscheidet die Symptome eines Bandscheibenvorfalls von herkömmlichen Rückenschmerzen?
Symptome eines Bandscheibenvorfalls neben Rückenschmerzen können sein:
- Lähmungserscheinungen (beispielsweise in Fingern, Armen, Beinen oder Füßen)
- Muskelschwäche
- Muskelhartspann, Bewegungssperre
- Ausstrahlungen des Schmerzes in ein oder beide Beine
- Nervale Störungen wie z.B. Sensibilitätsstörungen der Haut
- Verminderte oder sogar fehlende Reflexe
- Verdauungsstörungen
Die Diagnose wird von einem Arzt gestellt und meist durch ein bildgebendes Verfahren, wie dem MRT oder CT, geprüft.
Good to know: Mit ungefähr 90% zählt der Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule zu den häufigsten Bandscheibenvorfällen, da in diesem Bereich die mechanische Belastung am größten ist. Meist tritt dieser zwischen den Wirbeln L4/L5 oder L5 und S1 auf. Oftmals lässt sich der Bandscheibenvorfall genau lokalisieren, je nachdem in welchen Bereich dieser ausstrahlt. Tritt der Gallertkern beispielsweise seitlich zwischen L4 und L5 aus und drückt auf die dortige Nervenwurzel L5, strahlt der Schmerz entlang seines Versorgungsgebiets ins Bein und kann dort zu Problemen in Bezug auf die Fußhebung führen.
Auch interessant: Sollte man bei Rückenschmerzen weiter trainieren oder pausieren?
Maßnahmen, um einen Bandscheibenvorfall vorzubeugen
Laut dem DKV-Report „Wie gesund lebt Deutschland?“ aus dem Jahr 2023 sitzt der Deutsche über 9 Stunden am Tag. Bei den jungen Erwachsenen (zwischen 18 und 29 Jahren) sind es sogar über 10 Stunden täglich. Wird dies nun über Jahre hinweg in Kombination mit einer sternosymphysalen Belastungshaltung praktiziert und findet zudem wenig bis kein Ausgleich durch Sport und Bewegung statt, kommt es zu negativen Veränderungen wie der Dehydrierung der Bandscheiben und folgend einer Komprimierung der Wirbelkörper. Risse in den Faserringen können entstehen.
Der erste und einfachste Schritt ist somit, die Haltung im Alltag zu verändern. Hierfür beim Sitzen den Körper sowie das Becken aufrichten und die Schulterblätter zusammenkneifen. Außerdem hilft es, während der Arbeitszeit oder auch zu Hause öfter mal aufzustehen und sich zu bewegen.
Tipp: Bei einem Bürojob ist die sternosymphysale Belastungshaltung leider sehr gängig. Um diese zu umgehen, hilft es, sich nah an den Tisch heranzusetzen, die Maus am Tischrand zu platzieren, um die Schulterblätter zusammenlassen zu können. Den Rücken sowie das Becken aufrichten.
Zudem ist Bewegung und Sport essenziell für einen gesunden Rücken. Die Wirbelsäule muss in Bewegung gehalten sowie insbesondere die Gesäß-, Bauch- und Rückenmuskulatur trainiert werden. Dies führt zur Aufrichtung des Körpers, der Stabilisation der Wirbelsäule sowie zur Hydration der Bandscheiben. Sportarten, die sich hierfür besonders gut eignen, sind Kraftsport, Schwimmen und Radfahren.
Training und Übungen zur Rehabilitation nach einem Bandscheibenvorfall
Tritt ein Bandscheibenvorfall auf, wird gewöhnlich konservativ therapiert. In den wenigsten Fällen muss operiert werden. Bei der konservativen Therapie steht in der Akutphase die Schmerztherapie im Vordergrund. Nach Abklingen der akuten Schmerzen beginnt die physiotherapeutische Behandlung sowie im besten Fall ein Rückenaufbautraining. Hier ist das Ziel, die lokalen Stabilisatoren der Lendenwirbelsäule zu aktivieren und zu trainieren sowie eine aufrechte, gesunde und damit rückengerechte Haltung zu erlernen.
Insbesondere diese Muskeln sollten im Falle eines Bandscheibenvorfalls auftrainiert werden:
- Tiefe Bauchmuskulatur (M. transversus abdominis, M. obliquus internus abdominis)
- Langer Rückenstrecker (M. erector spinae)
- Breiter Rückenmuskel (M. latissimus dorsi)
- Trapezmuskel (M. trapezius)
- Gesäßmuskulatur (M. gluteus maximus)
Im Folgenden werden zwei Trainingspläne vorgestellt. Einer für das rehabilitative Training in einem Fitnessstudio sowie einer für zu Hause.
Trainingsplan für das Fitnessstudio
Übung | Primäre Muskel(n) | Wiederholungen | Sätze |
---|---|---|---|
Beinpresse | Gesäß-, Oberschenkelmuskulatur | 15 | 3 |
Beinbeuger | Oberschenkelrückseite, Wadenmuskulatur | 15 | 3 |
Latzug an der Maschine | Breiter Rückenmuskel, Trapezmuskel, Bizeps | 15 | 3 |
Rudern an der Maschine | Breiter Rückenmuskel, Trapezmuskel, Bizeps, hintere Schultermuskulatur | 15 | 3 |
Butterfly Reverse | Trapezmuskel, hintere Schultermuskulatur | 15 | 3 |
Unterarmstütz (Plank) mit Aktivierung der tiefen Bauchmuskeln | Bauchmuskulatur, Rückenstrecker | So lange halten wie möglich | 2 |
Trainingsplan für zu Hause
Übung | Primäre Muskel(n) | Wiederholungen | Sätze |
---|---|---|---|
Kniebeuge | Gesäß-, Oberschenkelmuskulatur | 15-20 | 4 |
Butterfly Reverse mit Theraband | Trapezmuskel, hintere Schultermuskulatur | 15 | 3 |
Rudern mit dem Theraband | Breiter Rückenmuskel, Trapezmuskel, Bizeps, hintere Schultermuskulatur | 15 | 3 |
Latzug im Liegen | Breiter Rückenmuskel, Trapezmuskel, Rückenstrecker | 15 | 3 |
Diagonales Bein- und Armheben im Vierfüßlerstand | Tiefe Bauchmuskulatur, Rückenstrecker | Jeweils 30-60 Sek pro Seite halten | 2 |
Beckenheben | Gesäß-, Oberschenkelmuskulatur | 15-20 | 3 |
Unterarmstütz (Plank) mit Aktivierung der tiefen Bauchmuskeln | Bauchmuskulatur, Rückenstrecker | So lange halten wie möglich | 2 |
Für die Bein-, Rücken- und Bauchmuskulatur gibt es unzählige Übungen. In den vorgestellten Trainingsplänen sind nur einige von ihnen aufgezählt. Der Umfang an Übungen reicht jedoch vollkommen aus. Gerne lassen sich Übungen mit der Zeit steigern oder auch austauschen. Wichtig ist, dass die Bauchmuskulatur bei den Übungen, insbesondere bei den Bauchübungen, aktiviert wird. Hierfür wird das Becken gekippt, der Bauchnabel sanft nach innen eingezogen und ein mögliches Hohlkreuz ausgefüllt. In Rückenlage kippt das Becken nach oben, der Po hebt ganz leicht von der Matte ab und der untere Rücken wird sanft gegen die Matte gedrückt.
In diesem Artikel hat FITBOOK die Aktivierung und das Training der tiefen Bauchmuskulatur nochmals genau erklärt. Die dort aufgeführten Übungen eignen sich ebenfalls gut für das rehabilitative Training. Dafür und für den oben genannten Trainingsplan empfiehlt es sich
Für das Training zu Hause empfiehlt sich vor allem die Anschaffung eines oder mehrerer Therabänder, eines Pilates Balls sowie eventuell die Anschaffung eines Gymnastikballs.
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Was man nach einem Bandscheibenvorfall vermeiden sollte
Wer von einem Bandscheibenvorfall betroffen ist, sollte insbesondere die Kombination aus Flexion (Beugung) und Rotation (Drehung) im lumbalen Bereich meiden. Zudem sollten aufrichtende Bewegungen aus einer starken Beugung nach unten erst einmal vermieden werden. Auch Stoßbelastungen, wie sie beim Springen, Joggen oder auch bei Abstoppbewegungen (beispielsweise beim Fußball oder Tennis) vorkommen, sind in den ersten Monaten nach einem Bandscheibenvorfall kontraindiziert.
„Kein Grund zur Verzweiflung“
„Von einem Bandscheibenvorfall betroffen zu sein, ist kein Grund zur Verzweiflung. Viele Menschen aus den westlichen Ländern sind durch den modernen, vorwiegend sitzenden und bewegungsarmen Lebensstil von ihm betroffen. Während meiner Zeit als Trainerin in einem Gesundheitsstudio habe ich unzählige Menschen jeden Alters bei der Rehabilitation hin zu einem schmerzfreien, bewussten und rückenschonenden Alltag begleitet. Die meisten von ihnen sind am Ball geblieben und trainieren nun regelmäßig ihre Muskulatur. Es sollte jedoch nicht gewartet werden, bis ein Bandscheibenvorfall auftritt. Wer einen bewegungsarmen und vorwiegend sitzenden Lebensstil nachgeht, oder wer eventuell bereits von Rückenschmerzen betroffen ist, dem rate ich dringend, mit Übungen und Bewegung gegenzusteuern.“