4. Januar 2021, 17:42 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Jeder, der schon einmal verletzungsbedingt eine Trainingspause einlegen musste, weiß, wie schnell Muskeln abgebaut werden. Speziell dort, wo der Bewegungsapparat aufgrund von Schmerzen und Heilungsprozessen noch nicht belastet werden darf. Eine australische Studie hat herausgefunden, wie man den Prozess deutlich verlangsamen kann.
Die Wissenschaftler analysierten dazu einseitiges Armtraining. Sprich: nur ein Arm der Probanden wurde unterschiedlichen Trainingsreizen ausgesetzt und deren Auswirkungen auf die Muskulatur an beiden Armen gemessen. Der Muskelabbau soll auch im ruhenden Arm verhältnismäßig gering bleiben, wie die Forscher der Edith Cowan University in Crawley (Australien) mitteilten. Zwar gibt die Studie viele Anreize für den Rehabilitationssport, allerdings sollten die Ergebnisse noch mit Vorsicht genossen werden.
Vier Wochen lang nur einarmiges Training
30 Probanden nahmen an der Studie, die im „Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sport“ veröffentlicht wurde, teil. Sie mussten einen ihrer Arme vier Wochen lang für mindestens acht Stunden täglich still halten. Ein Drittel der Teilnehmer machte während dieser Zeit keinen Sport. Ein weiteres Drittel absolvierte ein exzentrisches Training, der Rest einen Mix aus exzentrischem und konzentrischem Training.
„Fitnessprof“ Dr. Stephan Geisler erklärt bei FITBOOK die Begriffe. Beim exzentrischen Training handelt es sich um das (langsame) Absenken eines Gewichts, im Fall der australischen Studie eine schwere Hantel beim Bizeps-Curl. Beispiele für exzentrisches Training mit dem Körpergewicht sind das langsame Setzen auf einen Stuhl oder das Hinunterlaufen einer Treppe. Hierbei dehnt sich der Muskel, der das Gewicht halten bzw. abbremsen muss. Beim konzentrischen Trainieren wird der Muskel gegen einen Widerstand zusammengezogen – beispielsweise beim Gewichtanheben oder dem Hinaufgehen einer Treppe. Die australischen Forscher weisen darauf hin, dass vorangegangene Studien gezeigt haben, dass exzentrisches Training effektiver beim Muskelaufbau sein soll als konzentrisches.
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2 Prozent Muskelabbau statt 28 Prozent im ruhiggestellten Arm
Professor Ken Nosaka, der an der Studie beteiligt war, fasst in SciTechDaily zusammen: „Die Teilnehmer, die exzentrisch trainiert haben, hatten die höchste Kraftzunahme in beiden Armen, es handelt sich also um einen sehr starken Cross-Transfer-Effekt.“ Die Gruppe, die ausschließlich auf diese Art trainierte, zeigte außerdem auch einen geringeren Muskelabbau im ruhiggestellten Arm.
Während die ausschließlich exzentrisch trainierende Gruppe einen Muskelabbau von gerade einmal zwei Prozent im ruhiggestellten Arm verzeichnete, waren es bei der Gruppe, die keinen Sport machte, ganze 28 Prozent. Es wird also deutlich, dass das Training die Muskeln sowohl im aktiven als auch im ruhigen Arm positiv beeinflusst hat. „Die Menschen, die nicht trainiert haben, müssen all die Muskeln und Kraft wieder aufbauen“, erinnert Prof. Nosaka.
Erkenntnisse besonders relevant für Reha-Maßnahmen
Die Studienergebnisse könnten die Rehabilitation von Menschen, die zeitweise einen Arm oder ein Bein nicht nutzen können, von Grund auf verändern, mutmaßt Nosaka. „Wenn wir Reha und Sport mit dem unverletzten Körperteil sofort beginnen, könnten wir eine Schädigung der Muskeln in der verletzten Extremität verhindern und Kraft aufbauen, ohne sie zu bewegen.“
Prof. Nosaka will die Forschung auf weitere Muskelpartien im Arm und andere Bewegungen ausweiten. Die vorliegende Studie habe sich vor allem auf den Armbeuger (Bizeps) konzentriert, da er oft als Modell verwendet wird, um die Effekte einer Ruhigstelluing auf Kraft und Größe des Muskels zu untersuchen. Natürlich sei er auch ein wichtiger Muskel für Armbewegungen. Nosaka hofft, dass seine Forschung dabei helfen kann, die motorischen Fähigkeiten, Bewegungen und die Muskelkontrolle von Schlaganfall- und Rehapatienten zu verbessern.
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Kritik an der Studie
Aber Vorsicht: Die bisherigen Erkenntnisse sind noch nicht sehr aussagekräftig. Die Studie beinhaltete gerade einmal 30 Probanden, also zehn in jeder der drei Versuchsgruppen. Das bedeutet: Kleine Variablen in jeder Gruppe, z. B. ein besonders motivierter Teilnehmer, können einen großen Einfluss auf das Gesamtergebnis haben. Für eine eindeutigere Aussage müsste weitere Studien mit mehr Probanden die These überprüfen.