7. November 2024, 11:22 Uhr | Lesezeit: 12 Minuten
Bei einer muskulären Balance befinden sich die Muskeln in einem sich ergänzendem Verhältnis, wodurch das Gelenk in Stellung gehalten wird. Bedeutet: Hauptspieler und Gegenspieler gleichen sich aus. Bei einer muskulären Dysbalance ist dieses Verhältnis aufgrund verkürzter bzw. abgeschwächter Muskeln gestört. Wie Sie herausfinden können, ob eine muskuläre Dysbalance vorliegt, erklärt FITBOOK-Fitnessredakteurin Janine Riedle.
Entgegen der Begrifflichkeit ist bei einer Muskelverkürzung der Muskel anatomisch gesehen nicht verkürzt.1 Es handelt sich dabei um eine verringerte Dehnbarkeit des Muskels, was bedeutet, dass er für seine Länge nicht die volle Ausdehnung bewältigen kann. Von einem abgeschwächten bzw. verlängerten Muskel ist dagegen die Rede, wenn dieser eine niedrige Spannung aufweist. Beides kann nicht nur zu Einschränkungen im Alltag führen, sondern auch zu Fehlbelastungen, schlechten Haltungsformen, verringerter Leistung und Schmerzen. Deshalb ist es wichtig herauszufinden, ob muskuläre Dysbalancen vorliegen – z.B. mittels des sogenannten Janda-Tests.
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Übersicht
Inhalt des Janda-Tests
Eins vorneweg: Wer sich nur einen Überblick verschaffen möchte, kann den Test für muskuläre Dysbalancen zu Hause durchführen, ohne dabei an seine (Schmerz)Grenzen zu gehen. Für eine genauere Einschätzung oder bei Schmerzen ist es immer noch ratsam, sich diesem Test mithilfe eines Arztes, Fitnesstrainers oder einem anderen Spezialisten zu unterziehen.
Beim Janda-Test konzentriert man sich auf die Muskeln bzw. Muskelgruppen, die häufig zur Abschwächung (phasisch) oder zur Verkürzung (tonisch) neigen. Zu den tonisch neigenden Muskeln zählen:
- Wadenmuskulatur (M. soleus)
- Rückenstrecker (M. erector spinae – pars lumbalis)
- Hüftbeuger (M. iliopsoas)
- Oberschenkelrückseite (M. ischiocrurales)
- Brustmuskulatur (M. pectoralis major)
- Kniestreckmuskulatur (M. rectus femoris)
Phasisch neigende Muskeln sind:
- Bauchmuskulatur (M. rectus abdominis)
- Gesäßmuskulatur (M. adductores)
- Schultermuskulatur/Muskulatur des oberen Rückens (M. rhomboidei und mittlerer Anteil des m. trapezius)
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9 Testübungen mit 3 Stufen
Ob muskuläre Dysbalancen vorliegen, wird anhand von 9 Übungen getestet. Übung 1 bis 6 befasst sich mit möglichen Verkürzungen, Übung 7 bis 9 mit Abschwächungen. Je nach Übung bewertet man seine Muskelfunktion anhand festgelegter Parameter oder nach subjektiver Einschätzung und ordnet sie einer der drei Stufen zu:
- Stufe 3: Starke Verkürzung bzw. Abschwächung des Muskels.
- Stufe 4: Einschränkung des Muskels, mit passiver Unterstützung (verkürzt) oder vereinfachter Ausführung (abgeschwächt) kann die Bewegungsamplitude aber erreicht werden.
- Stufe 5: Keine Einschränkung des Muskels.
1. Wadenmuskulatur
Die erste Übung im Test dient dazu, herauszufinden, ob muskuläre Dysbalancen im Unterschenkelbereich bestehen. Zuerst mit geschlossenen Füßen aufrecht hinstellen, Arme gerade nach vorne strecken. Nun den Körper absenken und in die Hocke gehen. Achtung: Die Fersen müssen dabei auf dem Boden bleiben.
- Stufe 3: Die Fersen sind leicht angehoben (1 bis 2 Zentimeter über dem Boden) in Turnschuhen. Dieses Ergebnis bedeutet eine erhebliche Verkürzung.
- Stufe 4: Wenn die Fersen in Turnschuhen auf dem Boden bleiben und sich die Übung somit durchführen lässt, spricht man von einer leichten Verkürzung.
- Stufe 5: Wenn man die Übung sogar barfuß schafft, liegt eine normale Dehnbarkeit der Wadenmuskulatur vor.
Dehnübung bei Verkürzung
Wenn bei Ihnen Stufe 3 oder 4 zutrifft, sollten Sie den Muskel regelmäßig dehnen, um der Verkürzung entgegenzuwirken. Ein Beispiel für eine Dehnübung:
- Vor einer Wand so aufstellen, dass man die Handflächen bei gestreckten, gerade ausgerichteten Armen abstützen kann.
- Nun macht man zuerst mit dem linken Bein einen Ausfallschritt nach hinten, das Bein ist durchgestreckt, die Ferse am Boden. Das rechte Bein ist leicht gebeugt, die Ferse befindet sich ebenfalls auf dem Boden.
- Jetzt das linke Bein abwinkeln und leicht nach unten gehen, wobei die Ferse stets auf dem Boden bleibt. Nun sollte man eine Dehnung in der Wadenmuskulatur verspüren. Das Ganze mit dem anderen Bein wiederholen.
2. Rückenmuskulatur
Bei dieser Übung ist es sinnvoll, eine Hilfsperson hinzuzuziehen, man kann sie aber auch allein durchführen. Außerdem benötigt man ein Maßband und eine Bodenmatte, auf die man sich aufrecht hinsetzt, die Knie sind leicht gebeugt. Zur Unterstützung kann man sich eine Faszienrolle oder ein Kissen unter die Knie legen. Nun führt man bei fixiertem Becken die Stirn in Richtung Oberschenkel. Falls eine zweite Person anwesend ist, kann diese die Hüftknochen in der aufgerichteten Position fixieren, damit man das Becken nicht nach vorne kippt. Am tiefstmöglichen Punkt misst man den Abstand zwischen Stirn und Kniescheibe.
- Stufe 3: Wenn der Abstand von der Stirn zur Kniescheibe größer als 15 Zentimeter ist, geht man von einer starken Verkürzung der Rückenmuskulatur aus.
- Stufe 4: Wenn der Abstand zwischen 10 und 15 Zentimetern liegt, hat man eine leicht verkürzte Rückenmuskulatur.
- Stufe 5: Es liegt keine Verkürzung vor, wenn der Abstand weniger als 10 Zentimeter beträgt.
Mögliche Dehnübung bei Verkürzung
- Aufrecht hinsetzen, die Knie sind leicht gebeugt, die Fußsohle befinden sich auf dem Boden.
- Die Arme in die Mitte zwischen die Beine führen, um die Außenseite des Unterschenkels den Fuß fassen. Dabei wird der Kopf mittig zwischen den Beinen abgesenkt.
3. Hüftbeuger
Bei dieser Übung des Tests konzentriert man sich auf muskuläre Dysbalancen im Hüftbereich. Dafür muss man sich auf eine Liege legen, sodass ein Fuß noch den Boden berühren kann. Zu Hause könnte sich das Bett oder etwa das Sofa eignen. Darauf legt man sich rücklings, die Hüfte sollte sich auf Höhe der Kante befinden.Der rechte Fuß bleibt stabil auf dem Boden. Das linke Knie umgreift man mit beiden Händen und zieht es sich so weit zur Brust wie möglich, falls eine zweite Person anwesend ist, kann sie das rechte Bein fixieren. Die Beweglichkeit ist dabei von der Hüftstreckung der anderen Seite abhängig. Anschließend das Bein wechseln.
Ein kleiner Tipp: Hilfreich ist es, sich dabei zu filmen, um anschließend die Position des Oberschenkels besser einordnen zu können, falls man die Übung allein ausführt.
- Stufe 3: Der ruhende Oberkörper bildet die Horizontale. Wenn sich der Oberschenkel darüber befindet, hat man eine starke Verkürzung.
- Stufe 4: Wenn der Oberschenkel auf der Horizontalen liegt, hat man eine leichte Verkürzung.
- Stufe 5: Wenn sich der Oberschenkel bis zu 10 Grad unter der Horizontalen befindet, liegt keine Verkürzung vor.
Dehnungsbeispiel bei Verkürzung
- Um den Hüftbeuger zu dehnen, macht man einen weiten Ausfallschritt nach vorne und beugt das vordere Knie, sodass man das hintere Bein am Boden ablegen kann.
- Hüfte nach vorne schieben, den Oberkörper aufrichten. Anschließend die Übung auf der anderen Seite durchführen.
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4. Oberschenkelrückseite
Um festzustellen, ob man muskuläre Dysbalancen im Oberschenkel hat, kann man dies mit einer einfachen Übung im Liegen überprüfen. Sinnvoll ist es hier, eine Bodenmatte unter zulegen, bevor man sich rücklings der Länge nach darauf platziert. Nun greift man mit beiden Armen zunächst das rechte Bein und zieht es nach oben, ohne dass das Knie angewinkelt wird. Das linke Bein darf dabei nicht vom Boden abheben. Die Zehenspitzen sollte man nach unten abwinkeln. Auch hier kann es bei der Einschätzung helfen, sich zu filmen.
- Stufe 3: Wenn man das Bein nur bis 70 Grad anheben kann, liegt eine erhebliche Verkürzung vor.
- Stufe 4: Zwischen 70 und 80 Grad spricht man von einer leichten Verkürzung.
- Stufe 5: Ab 90 Grad liegt keine Verkürzung vor.
Dehnungsbeispiel bei Verkürzung
Um die Beinrückseite zu dehnen, kann man bspw. die Testübung einfach durchführen. Hier noch eine weitere Dehnübung:
- Im Stehen wird die rechte Ferse auf einer leichten Erhöhung abgelegt, die Zehen werden zum Körper hin angezogen. Das rechte Bein ist dabei durchgestreckt.
- Die Hände positioniert man mittig am Gesäß und beugt den Oberkörper mit geradem Rücken so weit nach vorne, bis man eine Dehnung in der Beinrückseite verspürt. Diesen Ablauf wiederholt man mit dem anderen Bein.
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5. Brustmuskulatur
Bei dieser Testübung sollte man eine Bodenmatte verwenden, auf man sich rücklings liegt, die Beine sind angestellt. Dabei muss die gesamte Wirbelsäule auf dem Boden liegen, ebenso die zur Seite ausgestreckten Arme. Nun führt man die Arme so lange auf dem Boden entlang nach oben über den Kopf, wie die Handrücken noch weiter am Boden bleiben können.
- Stufe 3: Wenn der Bodenkontakt der Arme nur bis unter 160 Grad bestehen bleibt, spricht man von einer starken Verkürzung.
- Stufe 4: Eine leichte Verkürzung liegt vor, wenn der Bodenkontakt nur zwischen 160 und 180 Grad gewährleistet werden kann.
- Stufe 5: Wenn der Bodenkontakt noch nach 180 Grad bestehen bleibt, hat man keine Verkürzung.
Dehnungsbeispiel bei Verkürzung
- Seitlich eng neben eine Wand stellen, den zur Wand zeigenden Unterarm und die Handfläche abstützen. Ellbogen und Schultergelenk befinden sich dabei auf einer Höhe.
- Nun den Oberkörper zur freien Seite herausdrehen, der Unterarm und die Handfläche bleibt unverändert.
6. Kniestreckmuskulatur
Um herauszufinden, ob das Kniegelenk von muskulären Dysbalancen betroffen ist, gibt es eine einfache Testübung, für die man ein Maßband benötigt. Man legt sich dafür ausgestreckt auf dem Bauch auf eine Bodenmatte. Zunächst sind auch beide Arme nach oben ausgestreckt. Nun greift man zuerst mit der rechten Hand das rechte Fußgelenk und zieht es zum Gesäß, ohne die Hüfte zu beugen. Hilfreich ist es nun, dass eine zweite Person den Abstand zwischen Ferse und Gesäß misst. Optional kann man den Abstand mit den Fingern ertasten und anschließend abmessen. Anschließend dasselbe auf der linken Seite durchführen.
- Stufe 3: Wenn der Abstand zwischen Gesäß und Ferse mehr als 15 Zentimeter beträgt, liegt eine Verkürzung vor.
- Stufe 4: Bis zu einem Abstand von 15 Zentimetern liegt eine leichte Verkürzung vor.
- Stufe 5: Wenn man mit der Ferse sein Gesäß berühren kann, hat man keine Verkürzung.
Dehnungsbeispiel bei Verkürzung
- Mit geschlossenen Beinen einen festen, aufrechten Stand einnehmen.
- Das Bein anwinkeln und zum Gesäß führen und mit der Hand derselben Seite greifen und heranziehen. Anschließend das Bein wechseln.
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7. Bauchmuskulatur
Um eine muskuläre Dysbalance in Form einer abgeschwächten Bauchmuskulatur herausfinden, gibt es zwei Tests. Hier stellen wir die Variante vor, die man problemlos allein durchführen kann, man benötigt allerdings eine kleine Erhöhung. Man kommt in die Rückenlage mit angewinkelten Beinen und positioniert den Gegenstand hinter den Fersen. Die Arme zeigen Richtung Knie und man beginnt die Schulterblätter langsam vom Boden zu lösen, indem man sich aufrollt.
- Stufe 3: Wenn die Schulterblattspitzen selbst mit der Erhöhung nicht vom Boden erhöht werden können, liegt eine erhebliche Verkürzung vor.
- Stufe 4: Wenn man die Schulterblattspitzen mit der Erhöhung vom Boden lösen kann, ohne aber nicht, liegt eine leichte Verkürzung vor.
- Stufe 5: Wenn man die Schulterblattspitzen mit und ohne Erhebung mit vor der Brust verschränkten Armen vom Boden lösen kann, ist die Bauchmuskulatur nicht abgeschwächt.
Beispiel für Kraftübung bei Abschwächung
Die folgende Übung benötigt man eine Erhöhung, die sich auf Kniehöhe befindet.
- Vor die Erhöhung rücklings legen, die Beine im 90 Grad Winkel darauf ablegen.
- Nun den Oberkörper langsam aufrollen und die Schulterblätter vom Boden lösen.
8. Gesäßmuskulatur
Für diese Testübung benötigt man einen Kasten oder etwas ähnlich hohes, z.B. ein Stuhl oder ein Beistelltisch. Der Oberkörper wird auf der Erhöhung abgelegt, mit die Hände hält man vor der Brust oder fasst seitlich den Gegenstand. Die Knie befinden sich im 90-Grad-Winkel am Boden. Nun führt man den Oberschenkel in die Waagrechte langsam und kontrolliert nach oben, ohne die Beugstellung des Knies zu verhindern. Falls Schmerzen im Rücken aufkommen, kann ein Kissen unter den Bauch zur Unterstützung gelegt werden. Wenn das Anheben nicht möglich ist oder große Unterschiede zwischen dem rechten und linken Gesäßmuskeln bestehen, sollte man das nochmal genauer untersuchen und sich ein dafür angepasstes Trainingsprogramm erstellen lassen.
- Stufe 3: Wenn man es nur einmal schafft, das Bein in die Waagrechte zu heben, liegt ein erhebliches Kraftdefizit vor.
- Stufe 4: Wenn man es fünfmal schafft, das Bein in die Waagrechte zu heben, liegt ein leichtes Kraftdefizit vor.
- Stufe 5: Wenn man es fünfmal schafft, das Bein in die Waagrechte zu heben, liegt man im Normbereich. Bedeutet: Die Gesäßmuskulatur ist nicht abgeschwächt.
Beispiel für Kraftübung bei Abschwächung
Um die Gesäßmuskeln zu kräftigen gibt es einige Übungen wie etwa die Kickbacks an der Multi-Hip-Maschine oder am Kabelzug. Hier stellen wir eine einfache Körperübung vor, die man überall leicht ausführen kann:
- Der Länge nach auf den Bauch legen. Der Kopf kann auf den Armen mittig abgelegt werden, der Blick ist nach unten gerichtet.
- Nun winkelt man zuerst das linke Bein im 90-Grad-Winkel an und hebt es in dieser Kniebeugestellung an. Zur Stabilisierung kann der Fuß dabei angezogen sein. Nach einigen Wiederholungen anschließend das Bein wechseln.
9. Schultermuskulatur/ Muskulatur des oberen Rückens
Die letzte Übung des Tests dient dazu, herauszufinden, ob muskuläre Dysbalancen im oberen Rücken bzw. der Schultermuskulatur vorliegen. Dafür legt man sich auf den Boden und hebt die Beine an, sodass sich Hüfte und Oberkörper sowie das Kniegelenk im 90-Grad-Winkel befinden. Die Arme seitlich am Boden Halten, der Unterarm zeigt nach oben. Den kopf leicht anheben, ohne dass das Kinn auf der Brust abliegt. Nun versucht man, den Burstkorb vom Boden abzuheben, indem man die Ellbogen in den Boden drückt. Nur das Gesäß und die Ellenbogen sollen bei dieser Übung noch Bodenkontakt haben.
- Stufe 3: Wenn man nur die Schultern vom Boden lösen kann, liegt ein erhebliches Kraftdefizit vor.
- Stufe 4: Der Oberkörper kann zwar vom Boden gelöst werden, allerdings nicht zehn Sekunden gehalten werden – man spricht von einem leichten Kraftdefizit.
- Stufe 5: Wenn man es schafft, den Oberkörper mehr als 10 Sekunden vom Oberkörper zu lösen, hat mein kein abgeschwächte Schulter- bzw. obere Rückenmuskulatur.