28. August 2018, 15:11 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Seit meinem letzten Artikel sind einige Wochen ins Land gegangen und ich kann euch beruhigen: Ich habe den Trainingstiger in mir geweckt und nehme den anstehenden Halbmarathon endlich ernst. Genauso ernst war für mich die Lage aber auch auf einer echten polnischen Hochzeit. Bleibt die Frage, welche Effekte am Ende überwogen haben…
Ich habe den Schuss gehört, könnte man wohl sagen. Nein, nicht den Startschuss beim Halbmarathon, der ertönt „erst“ kommenden Sonntag. Ich habe endlich angefangen, regelmäßig Sport zu treiben. Die letzten drei Wochen habe ich fast jeden Tag an meiner Ausdauer gearbeitet, um am 2. September in Berlin die rund 21 Kilometer in unter zwei Stunden zu schaffen. Mal war ich vor der Arbeit zwei Kilometer schwimmen, mal habe ich Tennis und Tischtennis gespielt und mich sogar beim Boxen ausprobiert. Vor allem aber war ich laufen, und das gar nicht mal so wenig. Drei Mal 10 Kilometer, einmal 7 Kilometer und dann noch eine Handvoll Kurzläufe nach der Arbeit.
Keine FITBOOK-Themen mehr verpassen – abonnieren Sie hier unseren Newsletter!
Einer davon war die Berlin-Ausgabe des sogenannten B2Run. Der beliebte Firmenlauf führte über den Olympiapark und endete nach rund sechs Kilometern im imposanten Berliner Olympiastadion. Zusammen mit vier Kollegen (drei Frauen und mein Vorgesetzter) ging es kurz nach Feierabend an den Start. Mein Chef – ein leidenschaftlicher Fußballer und ziemlich gut im Saft – erwies sich als zügige Zugmaschine, sodass die drei Kolleginnen schon bald abreißen lassen mussten. Zu zweit rollten wir das Feld von hinten auf, auch wenn ich hier und da echt Mühe hatte, dran zu bleiben. Beim Einlauf ins Olympiastadion war mir klar, dass jetzt mein Moment gekommen war, meine Karrierechancen bei Axel Springer ein für alle Mal zu zerstören. Ich setzte zum Schlussspurt an und überholte meinen Chef kurz vor der Ziellinie höhnisch grinsend.
Gleichzeitig habe ich in den letzten Wochen meinen Bierkonsum deutlich nach unten geschraubt. Keine Sorge, ich hatte nie ein Alkoholproblem. Nur schmecken Feierabendbiere einfach nicht mehr so dolle, wenn man abnehmen will und sich vor allem vor versammelter Leserschaft nicht mit einer Luschenzeit blamieren möchte.
OK, Biere waren also größtenteils tabu. Klar, dass Klare mindestens genauso verboten sein müssten. Wie praktisch, dass ich für ein verlängertes Wochenende auf einer polnischen Hochzeit irgendwo hinter Posen eingeladen war. Freitag nach der Arbeit ging es los, natürlich zu fünft in einem 20 Jahre alten Toyota ohne Klimaanlage. Bei der Hochzeitsgesellschaft angekommen, wurde uns nach einem herzlichen Cześć erstmal ein selbstgebrannter dunkler Schnaps auf den Tisch gestellt. Es war kurz nach 21 Uhr und die meisten Gäste schienen schon den ein oder anderen Verdauerli intus zu haben. Ich nippte lustlos an meinem Glas und wollte eigentlich nur ins Bett, um für Samstag und Sonntag Kräfte zu sammeln. Irgendwie fühlte ich mich beobachtet bei meinem beherzten Nichttrinken. Hatte jemand meine brasilianisch angehauchten Schluck-Finten gesehen? Ja, der Vater der Braut. Bitterböse blickte er zu mir rüber und wollte wissen, ob sein Schnaps denn nicht munden würde. Da entfleuchte es mir: „Ich bin eher so der Wodka-Typ.“ Kaum war die fatale Aussage übersetzt, stand schon ein neues Glas mit Wodka vor meiner Nase. Ich nahm einen Shot und wartete auf ein anerkennendes Kopfschütteln vom Platzhirsch. Stattdessen gab’s einen unerwünschten Refill mit eingebautem Trinkbefehl. Ich flüchtete aufs Klo und schrieb meiner Freundin, dass es an der Zeit war, die Notbremse zu ziehen und ins Hotel zu fahren.
Passend dazu: Wie finde ich den richtigen Laufschuh?
Am folgenden Tag fand die Trauung statt, natürlich auf Polnisch, sodass ich mir die Zeit damit vertrieb, die Kerzen auf dem Kronleuchter in der Kirche zu zählen. Danach ging es zur Feier-Location und hier nahm das Unheil seinen Lauf. Weil wir immer noch bei FITBOOK sind, beschränke ich mich darauf, euch mitzuteilen, dass man überraschend viel Wodka vertragen kann, wenn man nur genügend fettiges Essen in sich reingestopft hat.
Am Montag ging es zurück nach Berlin und am Dienstag mit der Bahn nach Hessen. Dort sollte mir mein Schwiegerdaddy in spe ein großzügiges Sportprogramm kredenzen. Von Tennisspielen bei 33 Grad über Boxen mit einem Schwarzenegger-Double (Artikel folgt) bis hin zu Fahrradfahren in der hügeligen Pfalz war alles dabei. Dazu begleitete ich meine Freundin joggend auf zwei Inliner-Runden, die jeweils 10 Kilometer lang waren. Mein Schnitt lag jeweils bei rund 5:20 Minuten pro Kilometer. Nicht gerade der Hit, aber immer noch im Soll, um die doppelte Distanz in unter zwei Stunden zu schaffen. Begleitet wurden wir bei unseren Touren von einem waschechten Schlittenhund.
Auch interessant: Diese Schnür-Tricks lösen typische Läuferprobleme
Neidisch schaute ich auf seinen athletisch geformten Körper, der ihn mühelos zum Pacemaker dieses ungleichen Trios aufsteigen ließ. Er rannte mühelos vor, meine Freundin rollte entspannt hinterher und ich hechelte um mein Leben. Richtiges Hundeleben, dachte ich mir. Bei Kilometer 7 bekam ich plötzlich die zweite Luft und konnte erstmals den Abstand auf das Ausreißerduo ein bisschen reduzieren.
Bei der zweiten Inliner-Runde drei Tage später war anstelle des Hundes meine Schwiegermutter dabei. Die zeigte sich nicht so verbissen, sodass ich mir dieses Mal nicht ganz so blöd (lies: langsam) vorkam. Ihr seht, an wohlgesinnten Motivatoren fehlt es mir gewiss nicht.
Heute ist mein erster Arbeitstag nach dem Urlaub. Ich glaube, die Hochzeit konditionell gut verkraftet zu haben. Und ich hoffe, dass die sechs Tage in Hessen meine Chancen auf eine Zeit „mit einer Eins vorne“ deutlich verbessert haben. Nach Feierabend will ich nochmal 10 Kilometer laufen gehen und am Donnerstag die 15 anpeilen.
Fazit: Drückt mir bitte die Daumen, ich werde es wohl gebrauchen können. Anfang nächster Woche präsentiere ich dann an gewohnter Stelle das Ergebnis. Ob „Oh, wie ist das schön“ oder Offenbarungseid: Wir werden es schon bald wissen.