6. August 2020, 14:04 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
An manchen Tagen fühlt man sich superfit und könnte scheinbar ewig weitermachen, an anderen wiederum läuft es einfach gar nicht. Ihre Leistungsfähigkeit hängt unter anderem von der Tagesform ab. FITBOOK hat Experten gefragt, welche (teilweise überraschenden) Faktoren sich auf die Tagesform auswirken können.
Gestern noch mühelos eine gute Stunde lang gerannt und heute geht Ihnen schon nach paar Minuten die Luft aus? Keine Sorge, das kennen selbst Profis. Sinnvoll ist es natürlich zu wissen, welche Faktoren sich (wie) auf die Tagesform auswirken. FITBOOK hat darüber mit Experten gesprochen.
Vortraining
Mediziner und Marathonläufer Dr. Paul Schmidt-Hellinger empfiehlt, einen Trainingsplan zu pflegen. „So kann man nachvollziehen, wie stark man in den vorangegangenen Tagen sein Muskelsystem und seinen Energiehaushalt beansprucht hat“, so der Experte. Bedeutet, wer vorgestern und gestern viel trainiert, der ist heute k.o.? Nicht ganz.
Dem Experten zufolge kann eine kurze, schnelle Einheit am Vortag das Training, etwa einen Dauerlauf, viel leichter erscheinen lassen. Das Gleiche gelte fürs Krafttraining. Nach einer weniger harten Einheit komme es laut Schmidt-Hellinger häufig vor, dass am Folgetag die Muskelspannung besonders gut ist.
Wenn man hingegen hohe Umfänge trainiert und dadurch seine Zuckerspeicher in den Muskeln (die sogenannten Glykogenspeicher) entleert hat, ohne diese wieder aufzufüllen, kann sich das negativ bemerkbar machen. Schmidt-Hellinger betont deshalb die Wichtigkeit eines „Recovery-Snacks“ direkt nach dem Training. Generell warnt er davor, sich zu wenig Energie zuzuführen („insbesondere Kohlenhydrate sind wichtig!“) und in ein Kaloriendefizit zu rutschen. Das könne die Tagesform noch tagelang beeinträchtigen.
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Die Ernährung
Die Arbeitsgruppe Sporternährung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) befasst sich mit den speziellen Ernährungsanforderungen von körperlich aktiven Menschen. Es geht bei ihrer Arbeit sowohl um den Bedarf an Energie (sprich: Kalorien) als auch an speziellen Makronährstoffen. In dem Beitrag wird ein Konsensus-Statement des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) angeführt, demzufolge eine dem Training und Wettkampf angepasste Ernährungsstrategien die körperliche und mentale Leistungsfähigkeit maximieren könne.
Umgekehrt kann eine unzureichende Ernährung die Leistungsfähigkeit einschränken. Wichtig: Zwischen einer vollständigen (und gut bekömmlichen) Mahlzeit und der sportlichen Anstrengung mindestens zwei Stunden verstreichen lassen. Für die schnelle Energie empfehlen sich die richtigen Snacks.
Viele Sportler greifen zur Banane oder anderen (Frucht-)Zuckerlieferanten. Eine gute Idee – aber Zucker ist nicht alles. „Sportler brauchen vor allem auch ausreichend Salze“, erinnert Schmidt-Hellinger. Damit meint er Elektrolyte, also Mineralstoffe wie Magnesium, Kalzium, Kalium und Natrium. Wie wichtig Elektrolyte für diverse körperlichen Funktionen sind, haben wir hier ausführlicher erklärt.
„In der Regel signalisiert einem der Körper den Bedarf an Elektrolyten“, beruhigt der Fachmann, „mit Lust auf etwas Herzhaftes.“ Dieser Lust dann auch bitte nachkommen!
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Flüssigkeitshaushalt
Alle Kohlenhydrate aus der Nahrung bringen nichts, wenn man vergessen hat, ausreichend zu trinken. Experte Dr. Paul Schmidt-Hellinger empfiehlt daher gerade im Sommer, wenn man durch Schwitzen ohnehin an Flüssigkeit verliert, auf die Farbe des Urins zu achten. Eine sehr gelbe oder gar dunkle Färbung sei ein eindeutiges Zeichen dafür, Wasser trinken zu müssen. Genug zu trinken ist natürlich generell wichtig. Im Hinblick auf die Tagesform beim Sport kann Flüssigkeitsmangel aber schnell einen Leistungsabfall bewirken, da der Sauerstofftransport in den Muskeln erschwert ist. Die Folge: vorzeitige Muskelermüdung.
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Der Willensmuskel
Ann-Kathrin Weber ist Fitnessökonomin und Personal Trainerin mit eigenem Crossfit-Studio – und kennt einen weiteren interessanten Faktor, der auf Kosten der Tagesform gehen kann. „Mittlerweile weiß man, dass der sogenannte Willensmuskel eine Rolle spielt“, so Weber zu FITBOOK.
Die Rede ist von anstrengenden Lebensphasen, in denen man beispielsweise unter Druck ist, etwas fertigzustellen (ob nun im beruflichen Kontext oder privat). Solche Zeiten können den Betroffenen viel Kraft und Nerven abverlangen. Da erscheint es kaum überraschend, wenn Energiereserven und Willensstärke (= der Willensmuskel), die in andere Bereiche gesteckt worden sind, an der Leistungsfront fehlen.
Der weibliche Zyklus
Je nachdem, in welchem Stadium ihres Monatszyklus sich eine Frau befindet, kann ihre Tagesform besser oder schlechter ausfallen. Eine Forschungsgruppe der Ruhr-Universität Bochum hat sich mit dem Einfluss der (weiblichen) Hormone auf die Trainingsleistung befasst. Genauer gesagt: Sie untersuchten unter anderem „zyklusabhängige intramuskuläre molekularbiologische Effekte der Geschlechtshormone“.
Diese Idee ist nicht neu – zumal der Einsatz von Hormonen immer wieder Dopingdiskussionen auslöst. In einer Trainingsinterventionsstudie haben die Uni-Forscher die Hypothese bestätigen können, dass Frauen in der ersten Hälfte ihres Monatszyklus (der sogenannten Follikelphase) vor allem von verstärktem Krafttraining profitieren sollen.
„Hintergrund könnten muskelauf- bzw. abbauende (…) Wirkungen von Hormonen – etwa des Östrogens und Progesterons – sein. So steigt in der Follikelphase die Östradiol-Konzentration im Blut an und erreicht nach einem Peak (Ovulationsphase) in der Lutealphase nur noch mittlere Werte, während die Blutkonzentration des Progesterons in der Lutealphase am höchsten ist“. Wer sich in diese Thematik genauer einlesen will, kann das hier tun.
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Der Biorhythmus
„Ein wesentlicher Faktor, der die Tagesform beeinflusst, ist der Biorhythmus“, weiß Yoga-Lehrerin Christin Ola. Der Biorhythmus entscheidet darüber, ob wir uns in den Morgenstunden fitter fühlen (sprich: zur Kategorie der Lerchen zählen) oder ob uns körperliche sowie auch kreative Arbeiten am Abend leichter Fallen (wie den sogenannten Eulen).
Wer seinen individuellen Biorhythmus kennt, kann mit ihm arbeiten – und dadurch „seine Tagesziele erreichen“, so Ola. Das betrifft nicht nur, aber auch den Sport. Sie sollten es daher von Ihrem Biorhythmus abhängig machen, ob Sie morgens (z.B. noch vor dem Weg ins Büro) oder nach Feierabend trainieren. Wer entgegen seiner Natur handelt, schöpft im Zweifelsfall nicht sein volles Potential aus. Das kann soweit gehen, dass man den Spaß am Sport gänzlich verliert.
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Die Laune
Klingt trivial, ist aber so: „Wer mit sich glücklich und zufrieden ist, hat ein höheres Energielevel“, versichert Ola. Missmutig und gestresst zu sein, wirkt sich kontraproduktiv auf die Tagesform aus.
Natürlich ist es total in Ordnung und auch normal, mal schlechte Laune zu haben. Wer dagegen vorgehen will, dem empfiehlt die Yoga-Lehrerin, sich mit Meditation und Atemübungen zu befassen. „Zudem gibt es beim Yoga bestimmte Asanas (=Grundhaltungen, Anm.d.Red.), die den Hormonhaushalt regulieren und harmonisierend wirken können. Yoga kann für einen besseren Schlaf sorgen, oder auch den nötigen Energiekick am Morgen geben.“
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Mangelnde Schlafhygiene
Wer wenig oder unruhig geschlafen hat, ist am nächsten Tag nicht so richtig fit. Da steckt man natürlich nicht immer drin. Weil aber Schlaf für alle körperlichen Prozesse bedeutungsvoll ist – und so natürlich auch für die Trainingsleistung –, wollen wir Sie hier an die Schlafhygiene erinnern.
Grundsätzlich gilt: alle nötigen Maßnahmen ergreifen, um ausreichend und erholsam zu schlafen. Laut Ulrich Voderholzer, Chefarzt für Psychosomatik und Psychotherapie an der Schön Klinik Roseneck, gehören dazu „Einschlafrituale, eine entsprechend gestaltete Atmosphäre im Schlafzimmer, regelmäßige körperliche Aktivität während des Tages“ und möglichst viel Zeit an der frischen Luft. Der Experte rät außerdem dringend davon ab, Alkohol als vermeintliches Schlafmittel zu verwenden. Auch auf Koffein nach 14 Uhr sollte verzichtet werden.
Noch mehr Tipps für guten Schlaf haben wir hier für Sie gesammelt.