15. November 2023, 13:32 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Ach ja, der Rest Day … Immer wieder bekommt man als sportverrückter Freizeitathlet zu hören, wie wichtig der trainingsfreie Tag ist. Mitunter sehr zum Leid der Trainierenden, wie im Fall von FITBOOK-Autorin Nina Ponath. Weil sie sich ohne Sport einfach weniger ausgeglichen und konzentriert fühlt, hat sie für zwei Wochen sämtliche Theorien und Tipps ignoriert und einfach mal jeden Tag Workouts gemacht. Wie es ihr dabei ergangen ist und was ein Arzt und ein Sportwissenschaftler dazu sagen.
„Eigentlich müsste ich mal wieder Sport machen…“ Rund 45 Prozent sind laut einer Umfrage der Techniker Krankenkasse bekennende Sportmuffel.1 Ich zähle mich nicht dazu – was nicht heißen soll, dass ich in Sachen Sport fehlerfrei wäre. Bei mir heißt es im Gegenteil: „Eigentlich müsste ich mal wieder Pause machen.“ Oder sind sogenannte Rest Days zur Regeneration überbewertet? Ich machte den Selbstversuch: Zwei Wochen täglich Sport ohne mal einen Tag Pause zwischendurch.
Übersicht
„Ich liebe es, mich direkt morgens zu bewegen“
Sport ist für mich wie Zähneputzen. Er gehört für mich einfach zur Tagesroutine dazu. Meistens bewege ich mich direkt morgens und habe danach direkt das Gefühl, etwas „bewegt“ zu haben (habe ich im wahrsten Sinne des Wortes ja auch), ein positiver Priming-Effekt, den ich mit in den Tag nehme.
Meine sportliche Morgenroutine habe ich mir bei meinem ersten Job angewöhnt. Damals arbeitete ich in einer Agentur und musste tagsüber sehr viel sitzen – eine Höchststrafe für mich – weshalb ich morgens häufig mit meinem Hund laufen ging. So konnte ich in der Zeit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, weil so die Gassirunde erledigt war und ich auf mein Bewegungspensum gekommen bin.
Inzwischen bin ich zwar schon lange nicht mehr an meinen Schreibtisch gefesselt, und mein Hund begleitet mich als mittlerweile elfjähriger Rentner nur noch zu sehr langsamen oder sehr kurzen Läufen. Dennoch starte ich meinen Tag immer noch liebend gern mit einem Lauf, mit einer Yoga-Einheit oder einem kurzen Krafttraining. Während ich morgens trainiere, denke ich darüber nach, was ich tagsüber machen und erreichen will, weshalb mir Sport besonders in sehr intensiven Zeiten Halt gibt. Die letzten zwei Wochen waren so eine Zeit. Zwischen gefühlt tausend Artikeln, Terminen und Reisen wusste ich oft nicht, wo mir der Kopf steht, deshalb nahm ich mir vor, die goldene Regel „Rest Day is best day“ einfach mal zu ignorieren und zwei Wochen am Stück zu trainieren.
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„Was passiert, wenn ich 2 Wochen täglich Sport mache?“
Ehe es mit meinem Experiment losgeht, stecke ich für mich ein paar Regeln ab, die mich davor schützen sollen, dass das Ganze zu viel, zu verbissen, zu ungesund wird:
- Ich trainiere nur, wenn ich mich wirklich fit fühle. Dazu zählt, dass ich Anzeichen einer Erkältung, starke Müdigkeit und das Gefühl von Abgeschlagenheit ernst nehme.
- Weil mein Körpergefühl manchmal etwas na ja … sagen wir „taub“ ist, trainiere ich Schlüsselwerte wie die Ruheherzfrequenz und die Herzfrequenzvariabilität mit meiner Fitnessuhr. Beide sollen nach Möglichkeit bestenfalls relativ konstant bleiben. (Erstere steigt bei zu viel Anstrengung, letztere sinkt bei körperlicher Belastung und Stress).
- Ich will mich bewegen und weder abnehmen, zunehmen, noch neue Rekorde aufstellen. Heißt also: Ich trainiere so, wie es sich für mich gut anfühlt, und gehe nicht zu sehr an meine Grenzen. Nach einer anstrengenden Einheit folgt ein eher entspanntes Training, wie zum Beispiel Yoga oder Pvolve.
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2 Wochen tägliches Training: So sah mein „Plan“ aus
Mein Plan für die zwei Wochen war – um das ehrlich zu sagen – relativ planlos. Ich habe einfach immer so trainiert, wie es sich für mich gut angefühlt hat. Mal war das morgens ein Lauf mit meinem Hund, mal war das ein schneller Lauf ohne ihn, mit einem anschließenden Spaziergang oder eine Runde Krafttraining. Wenn ich an einem Tag intensiv trainiert habe, weil ich zum Beispiel einen schnellen oder besonders langen Lauf gemacht habe, bin ich am Tag danach „nur“ Walken gewesen oder entspannt eine langsame Runde schwimmen gegangen. So hat sich das Training weder zwanghaft angefühlt, noch habe ich jetzt nach den zwei Wochen ein schlechtes Gewissen.
Woche 1
Die erste Woche lief völlig problemlos. Ich war dreimal laufen, einmal schwimmen und habe zweimal Krafttraining gemacht (in meiner Fitnessapp habe ich Letzteres als Barre gemessen). Ich habe meistens morgens Sport gemacht, habe dann ein paar Stunden gearbeitet und bin zwischendurch immer mal mit meinem Hund kurz hinausgegangen. Weil ich allein durch Bewegung rund 1000 Kalorien verbrannt habe, habe ich darauf geachtet, genug zu essen (schätzungsweise 2400 bis 3000 Kalorien). Abends war ich müde, aber nicht erschöpft. Gegen 23 Uhr bin ich ins Bett gegangen, um am nächsten Tag um 6 Uhr wieder fit zu sein.
Woche 2
In der zweiten Woche habe ich mehr Krafttraining gemacht und zweimal den Oberkörper, zweimal Unterkörper trainiert. Dazu war ich einmal sehr kurz mit meinem Hund laufen (3 Kilometer) und zweimal schwimmen. Ich habe mich nach wie vor fit gefühlt. Nur Mitte der Woche, als eine Reise für einen Artikel nach Leipzig anstand, war ich abends dann doch sehr platt. Ob es am vielen Training oder der vierstündigen Bahnfahrt lag, weiß ich nicht. Nach einer erholsamen Nacht war am nächsten Tag aber dann alles wieder gut.
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„Was die 2 Wochen Sport mit meinem Körper gemacht haben“
Nimmt man in zwei Wochen, in denen man keinen Rest Day macht ab, baut man Muskeln auf und wie fühlt man sich? Hier muss ich euch enttäuschen: Tatsächlich hat sich relativ wenig geändert. Ich habe weder ab- noch zugenommen, was wahrscheinlich daran liegt, dass ich auch sonst nur zwei Tage die Woche auf Sport verzichte und mich, weil ich kein Auto, dafür aber einen Hund habe, ohnehin viel im Alltag bewege. Mein täglicher Kalorienverbrauch war deshalb über die zwei Wochen laut Fitnessarmband nicht anders als sonst. Meine Ruheherzfrequenz (Ruhepuls) lag bei entspannten 45 bis 48 Schlägen pro Minute, was ebenfalls normal für mich ist, die Herzfrequenzvariabilität schwankte über den Tag verteilt von über 100 (nach dem Sport) bis zu 40 (nach zeitweise sehr langen Zoom-Sitzungen und Co.).
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Täglich Sport ohne Rest Days – das sagen Experten
Tägliches Training nur bedingt zu empfehlen
Andreas Heumann ist studierter Diplom-Sportwissenschaftler und Personal Trainer aus Berlin. Er wird regelmäßig von Filmproduktionen und Prominenten angefragt, wenn es ganz schnell gehen soll. Tägliches Training empfiehlt der Sport-Experte jedoch nur bedingt. „Es kommt ganz darauf an, was man erreichen will“, sagt Andreas. Grundsätzlich sei der „Nur-im-Büro-Sitzen“-Alltag, den viele von uns haben, nicht der gesunde Normalzustand eines Menschen, weshalb tägliche Bewegung nicht verkehrt ist.
Mit Plan trainieren
Wer ein bestimmtes Ziel hat, sollte allerdings auch sein Training planen. So könne man, wenn man sich im Laufen verbessern will, sein Training in ein, zwei langsamere Läufe, einen Tempolauf und einen langen Lauf aufteilen. Wer stärker werden möchte oder mehr Muskeln aufbauen will, der kann mit einem Split trainieren. „Ich bin ein Freund davon, sich eine Bench Mark zu setzen“, sagt Andreas. Auf diese könne man dann hintrainieren und in der Zeit regelmäßige Deloads – Phasen, in denen man nur den halben Umfang oder mit einer weniger starken Intensität trainiert – vornehmen.
Der Personal Trainer selbst verlangt seinen Klientinnen und Klienten kein tägliches Training ab. Stattdessen empfiehlt er harte, smarte Einheiten, die auf das jeweilige Ziel einzahlen. „Ich bin ein Freund davon, das Training zu strukturieren und alle paar Wochen einen Deload zu machen.“
Training variieren
Sollte man einfach der Bewegung wegen Sport treiben, rät Andreas das Training zu variieren, damit es nicht zu einer Überbeanspruchung kommt. Was das angeht, haben Frauen wie ich es seiner Meinung nach gut: Diese geraten viel seltener ins Übertraining. Dafür besteht bei Frauen eher die Gefahr, die Hormone durcheinander zu bringen. „Bei Frauen kann ein zu intensives Training in Kombination mit zu starker negativer Energiebilanz oder einer zu starken Diät zu Störungen im Menstruationszyklus führen.“ Wer mehr Sport als gewohnt macht, sollte deshalb ausreichend essen.
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Auf die Bedürfnisse des Körpers achten
Mit einem zweiwöchigen Experiment ist es aber unwahrscheinlich in einen solchen Zustand zu kommen, sagt Andreas Heumann: „Das würden Sie auch in der HRV und am Ruhepuls merken.“ Wichtig bei solchen Experimenten sei, dass man auf die Bedürfnisse des Körpers achte und diese ernst nehme. Angesichts meiner „Planlosigkeit“ war der Wechsel der Sporteinheit je nach Körpergefühl dementsprechend eine gute Idee.
Fitnesslevel und Sportart spielen eine Rolle
„Bei so etwas kommt es immer ganz darauf an, von welchem Level man kommt und um welchen Sport es geht“, sagt Prof. Dr. Karsten Hollander, Leitender Disziplinarzt Lauf/Gehen, des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Der Mannschaftsportarzt betreut zahlreiche Leistungssportlerim Leichtathletik und Ski, die theoretisch fit genug sind, um auf Pausen zu verzichten. „Auf dem Level kann man auch wochenlang ohne Probleme zweimal am Tag trainieren“, sagt der Arzt. „Interessanterweise gibt es aber auch Nationen, wie Kenia, die heute ziemlich viele Medaillen hier bei der Straßenlauf-WM abgeräumt haben, und bewusst – auch aus religiösen Gründen – fast immer sonntags pausieren.“ Ein Rest Day scheint als auch im Leistungssport nicht zu schaden.
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Bewegung ist gut, aber man sollte es auch nicht übertreiben
Bewegung ist für uns Menschen natürlich. Für langes Sitzen sind wir nicht gemacht, weshalb Sport eine gute Idee ist. Zu sehr übertreiben sollten wir es dennoch nicht damit, und, wenn wir phasenweise öfter trainieren, ganz genau auf unseren Körper achten; dieser ist der beste Indikator dafür, ob wir uns schaden, oder etwas Gutes tun. Frauen sollten, wenn sie für eine Zeit lang trainieren, auf keinen Fall zu viel Cardiotraining machen, da so die Hormone durcheinandergeraten können. Wer auf ein bestimmtes Ziel hintrainiert, sollte sich lieber an einen gut strukturierten Plan halten.