15. August 2020, 7:58 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Ein umsichtiger Kraftsportler denkt nicht nur an die Belastung, sondern auch an die nötige Erholung. Denn zugespitzt könnte man sagen: Es ist weniger das Training, das uns leistungsfähiger macht, als die Pause danach! Das weiß auch unser Körper, der erst nach Workouts dafür sorgt, dass unsere Leistungsfähigkeit über das Ausgangsniveau hinaus steigt. Der Fachbegriff hierfür: Superkompensation!
Um den Begriff der Superkompensation zu verstehen, muss man ihn erst mal in seine Einzelteile aufsplitten. „Super“ kommt aus dem Lateinischen und heißt (unter anderem) „über … hinaus“, während „kompensieren“ bedeutet, einen Ausgleich zu schaffen. Im Sport bezieht man diese Begrifflichkeit meist auf die Tatsache, dass man beim Training Energie umsetzt und diese später wieder ausgeglichen und für eine bestimmte Zeit sogar etwas mehr als ausgeglichen wird (das „Super-“ in Superkompensation!). Dieses Modell beschreibt seit vielen Jahren die biologische Anpassung an Trainingsreize und ist weltweit bekannt.
Hier ein Beispiel: Wenn Sie montags die Brust trainieren, geht mit jedem Satz des Trainings etwas mehr Energie flöten. Nach dem Training sind Sie ermüdet und – Achtung, Sprachwitz – „ausgelaucht“.
Wenn Sie dann nach Hause gehen, etwas essen und trinken und sich im Schlaf erholen, baut Ihr Körper wieder neue Substrate auf und speichert sogar für kurze Zeit mehr Energie, als er zuvor hatte. Dieser „Gewinn an Energie“ sollte dann im Optimalfall genutzt werden, um das nächste Training zu gestalten und so immer etwas besser zu werden.
Grafisch dargestellt könnte das so aussehen:
Wann ist der richtige Zeitpunkt für den nächsten Trainingsreiz?
Nun wollen Sie wahrscheinlich wissen, wann dieser Punkt genau erreicht ist, bzw. wann Sie den nächsten Trainingsreiz setzen sollten. Und genau da liegt das Problem! Wenn ich das so genau wüsste, wäre ich entweder Nobelpreisträger oder Bundestrainer – oder sogar beides!
Wann der Zeitpunkt des gesteigerten Leistungsniveaus erreicht ist, hängt nämlich von sehr vielen Faktoren ab. Um nur mal einige zu nennen:
- Alter
- Trainingszustand
- Art und Intensität des Trainingsreizes
- Ernährung
- Regeneration
Aus diesen Gründen ist es nahezu unmöglich, eine allgemeine Faustformel für einen solchen „optimalen Trainingszeitpunkt“ zu formulieren.
Und es gibt noch eine weitere Schwachstelle beim Modell der Superkompensation. Die Forschung, auf denen dieses Modell beruht, hat sich in den 1970er-Jahren nur mit der Wiederauffüllung von Substratspeichern (Glykogen in Muskel und Leber) beschäftigt. Leider wurden hier andere Anpassungsprozesse, die mindestens genauso wichtig sind, aber entweder viel schneller oder viel langsamer in der Regeneration ablaufen, nicht berücksichtigt.
So kann sich ein Substratspeicher innerhalb von ein bis zwei Tagen wieder sehr gut füllen und eine solche Superkompensation herbeiführen. Aber was ist, wenn der Muskel zum Beispiel durch extrem hartes Trainings mechanisch zerstört wurde? Ein schwerer Muskelkater (Sie hatten bestimmt auch schon einen) kann ja manchmal sogar bis zu einer Woche anhalten und sollte uns verdeutlichen, dass Regeneration eben manchmal doch etwas länger dauert.
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Fazit zu Superkompensation
Trotz der beschriebenen Schwachstelle bin ich ein Befürworter dieses Modells. Warum? Weil es den Wechsel von Belastung und Erholung sehr gut darstellt. Schließlich gilt: Wenn man zu viel belastet und zu wenig regeneriert, drohen negative Folgen wie Leistungsrückgang und Übertraining. Das illustriert die abschließende Grafik.