26. August 2024, 19:58 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Bewegung ist wichtig für die Gesundheit, am besten täglich oder zumindest jeden zweiten Tag in der Woche. Richtig? Stimmt. Aber eine neue Studie zeigt, dass Sport auch gebündelt, z. B. nur am Wochenende, effektiv sein kann. FITBOOK-Medizin-Redakteurin Melanie Hoffmann erläutert die Forschungserkenntnisse.
Im stressigen Alltag regelmäßig Zeit für Trainingseinheiten zu finden, fällt vielen Menschen schwer. Das ist aber kein Grund, dann frustriert ganz darauf zu verzichten. Denn wie eine im Fachmagazin „Nature Aging“ veröffentlichte Studie verdeutlicht, kann man Sport auch am Wochenende „nachholen“. Mit anderen Worten: Für die langfristige Gesundheit scheint egal zu sein, ob man verteilt über die Woche kürzer oder an nur zwei Tagen wöchentlich, z. B. Samstag und Sonntag, dafür konzentrierter und länger – aktiv ist.
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Übersicht
Wie viel Sport empfiehlt die WHO pro Woche?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, sich in der Woche mindestens 150 Minuten moderat zu bewegen oder mindestens 75 Minuten intensives Ausdauertraining zu machen.1
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Sport am Wochenende „nachholen“? Eine aktuelle Studie
Genau an diesen Richtlinien orientierte sich auch die aktuelle Studie. Die verantwortlichen Forscher basierten ihre Untersuchung auf Daten der UK Biobank, einer großen britischen Kohortenstudie, die die Gesundheit von rund einer halben Million Menschen trackt. Für die jetzt veröffentlichte Studie kamen die Daten von 75.629 (Durchschnittsalter 62 Jahre) infrage, von denen validierte Beschleunigungsmessdaten vorlagen. Diese waren über den Verlauf von sieben Tagen aufgezeichnet worden. Der Nachbeobachtungszeitraum betrug durchschnittlich 8,4 Jahre. In dieser Zeit beobachteten die Forscher anhand von Krankenhausdaten und Todesfällen das Auftreten neurologischer Erkrankungen – Schlaganfall, Demenz, Parkinson – sowie mentaler Störungen wie Angststörungen und Depression. 2
Anhand der erfassten Bewegungsdaten ordneten die Wissenschaftler die Probanden in drei Gruppen ein:
- Inaktiv: Personen, die in der Woche nicht die von der WHO empfohlene Aktivitätsmenge erreichten (traf auf rund 24.300 Probanden zu).
- Regelmäßig aktiv: Personen, die sich 150 Minuten pro Woche moderat bis intensiv bewegten und ihr Training über den Verlauf einer Woche aufteilten (traf auf rund 21.200 Probanden zu).
- „Weekend Warriors“: Personen, die die empfohlene Bewegungsmenge erreichten, 50 Prozent davon aber auf ein oder zwei Tage die Woche (z. B. am Wochenende) konzentrierten (traf auf rund 30.000 Probanden zu).3
In ihrer Analyse achteten die Forscher auch auf andere Lifestyle-Faktoren, die einen Einfluss auf die Gehirngesundheit und die Entstehung von Erkrankungen haben könnten: Alter, Geschlecht, Gewohnheiten wie Rauchen, Alkoholkonsum und generelle Ernährung. Auch mögliche Vorerkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck und Krebs fanden Berücksichtigung.
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Auswirkungen von nur zwei Tagen Sport auf die Gehirngesundheit
Die Auswertung der Daten lieferte Hinweise, dass Menschen, die ihren Sport auf nur zwei Tage konzentrieren bzw. am Wochenende nachholen, keinen Nachteil in Bezug auf die gesundheitliche Wirkung ihres Trainings zu befürchten brauchen.
Im Vergleich zu den inaktiven Personen hatten die sogenannten „Weekend Warriors“ ein 26 Prozent geringeres Risiko für Demenz, ein 21 Prozent kleineres Schlaganfallrisiko sowie ein 45 Prozent geringeres Risiko, an Parkinson zu erkranken. Bezüglich psychischer Erkrankungen war ihr Risiko um 40 Prozent (Depression) bzw. 37 Prozent (Angststörungen) reduziert. Dabei brauchte die Zwei-Tage-Sport-Gruppe auch nicht den Vergleich mit den regelmäßig Trainierenden zu scheuen. Die Risikoreduzierung für die besagten Krankheiten bewegten sich in einem ähnlichen Bereich.
Als die Forscher in ihrer Analyse zusätzlich nach dem Alter ihrer Probanden differenzierten, zeigte sich, dass die Risikominimierung durch „Wochenend-Sport“ für die neuronalen Erkrankungen (Schlaganfall, Demenz, Parkinson) besonders bei über 65-Jährigen ausgeprägt war. Wenn es um die Verkleinerung des Depressions- und Angststörungsrisikos ging, profitierten von den geballten Sporteinheiten unter und über 65-Jährige gleichermaßen.
Neue Forschungsergebnisse untermauern Erkenntnisse früherer Studie
Auch eine 2022 im Fachmagazin „JAMA International Medicine“ erschienene Studie hatte sich bereits mit der Frage beschäftigt, ob man Sport, statt regelmäßig über die Woche verteilt, am Wochenende bzw. an ein oder zwei Tagen nachholen könne.
Die Probanden, deren Daten die Wissenschaftler auswerteten, absolvierten die empfohlene Sportmenge entweder verteilt über mehrere Tage oder gebündelt an ein oder zwei Tagen in der Woche. Ein Beispiel: Eine Person konnte entweder an fünf Tagen in der Woche einen zügigen 30-minütigen Spaziergang machen – oder aber stattdessen an einem Tag in der Woche eine Stunde und 15 Minuten joggen.
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Ablauf der Studie
Für ihre Studie griffen die Wissenschaftler auf Daten von 350.978 Personen zurück, die ihre Informationen zwischen 1997 und 2013 im Rahmen des US National Health Interview Survey geteilt hatten. Die Probanden waren durchschnittlich zehn Jahre beobachtet worden.4
Die Forscher verglichen die Aktivität der Survey-Teilnehmer mit Sterbefällen und Todesursachen wie Diabetes, Herzerkrankungen oder Krebs. Auf diese Weise fanden sie heraus, wie sich Sport – verteilt oder konzentriert – versus keinen Sport auf die Gesundheit und Lebenserwartung auswirkte.
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Was es bringt, wenn man Sport „nachholt“
Die Erkenntnis der Wissenschaftler: Für die Sterblichkeit aufgrund der erwähnten sogenannten Zivilisationskrankheiten macht es offenbar keinen bemerkenswerten Unterschied, ob man pro Woche häufiger und kürzer oder seltener und dafür länger trainiert. Mit anderen Worten: Ja, es scheint, man kann den in der Woche versäumten Sport – etwa am Wochenende – „nachholen“, bei womöglich gleichem Effekt auf die Gesundheit. Hauptsache, man erfüllt das für die gesamte Woche empfohlene Pensum. Eine gute Nachricht also für Menschen mit stressigen Wochentagen: Auch verlängerte Trainingseinheiten am Wochenende fördern die Gesundheit.
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Einordnung der Studien
Natürlich lassen die Studien, die sich auf Daten von Momentaufnahmen stützten und diese mit später auftretenden Erkrankungen in Bezug setzten, noch viele Fragen offen. Ist der augenscheinliche Schutz vor Krankheiten wirklich kausal – und ausschließlich – auf die Sportmenge zurückzuführen? Und selbst wenn dem so wäre: Behielten alle Probanden sowohl ihr Sportpensum als auch die Verteilung ihrer Sporteinheiten langfristig bei? Beide Fragen können die Studien nicht beantworten.
Dennoch liefern sie spannende Hinweise und wichtige Argumente dafür, bei fehlender regelmäßiger Motivation oder Zeit nicht mutlos und frustriert völlig auf Bewegung zu verzichten. Sport also für die Gesundheit lieber „nachholen“ als komplett ausfallen zu lassen.