14. Juni 2024, 17:08 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Die dritte Staffel von „Bridgerton“ lockt ein breites Publikum vor den Bildschirm. Denn viele wollen wissen, wie es mit dem Heiratsmarkt der englischen Oberschicht um 1800 weitergeht. Neben dem Plot der Vernunft- und Liebesheirat spielen auch damalige gesellschaftliche Ereignisse und Freizeitaktivitäten eine große Rolle. Kate (gespielt von Simone Ashley) verweist etwa mehrmals darauf, wie gerne sie reitet. Und wir erinnern uns auch nur zu gerne an ihren Wettkampf mit Anthony (Jonathan Bailey) im Spiel Paille-Maille in der zweiten Staffel. Doch wie wurden solche Veranstaltungen bzw. Freizeitaktivitäten damals eigentlich wirklich abgehandelt? Das erklärt FITBOOK-Fitnessredakteurin Janine Riedle.
In den bisherigen „Bridgerton“-Staffeln hat man schon einiges an sportlichem Angebot präsentiert bekommen: von dem bereits erwähnten Ballspiel Paille-Maille, das mit Holzschlägern u. a. in Parks gespielt wurde, bis hin zu Pferderennen. Doch welche Sportarten gab es in der Realität des 19. Jahrhunderts tatsächlich schon? Und wie stand man generell dem Sport gegenüber? FITBOOK geht auf die Entstehung des Sports ein.
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Übersicht
Ursprung des Sports im 19. Jahrhundert in England
Damit sich der Sport, in der Form, wie man ihn heute kennt, etablieren konnte, mussten erst einige Weichen gestellt werden. Denn bis vor wenigen Jahrhunderten gingen sportliche Ereignisse oft noch mit einem hohen Grad an Brutalität einher. Um die Aggression und Verletzungsgefahr etwas einzudämmen, führte man im 18. Jahrhundert in England Regelwerke für Sportarten wie Boxen, Pferderennen und Cricket ein. Diese Vorgaben hatten aber auch gesellschaftliche Zwecke: Man erhoffte sich eine höhere Chancengleichheit bei Wetten.
Die Entwicklungen fassten im 19. Jahrhundert Fuß: Es kam zur massenhaften Verbreitung des Sports. Doch anfänglich anders, als es die Serie „Bridgerton“ glauben lässt – Sport galt als eine Freizeitbeschäftigung der Mittel- und Unterschichten, weniger aber des Adels. Die Oberschichten waren, wenn überhaupt, eher im Publikum vertreten.
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Einführung der Regeln in Erziehungssystemen
Anfangs waren die Regelwerke allerdings nicht universell. Je nach Region oder sogar einzelner Dörfer gab es andere Vorgaben. Auch exakte Regelungen bezüglich der Spielfeldgröße oder der -beschaffenheit existierten noch nicht. So friedlich wie in „Bridgerton“ dargestellt, liefen die sportlichen Ereignisse ebenfalls nicht ab: Die Spiele boten anfangs eher einen Anlass für große Massenschlägereien. Ein Ball wurde einfach in eine Menschenmenge geworfen, Regeln gab es zunächst nur wenige.1 So existierten nicht einmal Vorgaben, wie viele Spieler eine Mannschaft haben durfte.
Doch durch die Einführung gewisser Vorgaben an Schulen entwickelte sich langsam eine Norm, besonders in Sportarten wie Rugby und Fußball: Mit der Schule abgeschlossen, nahmen viele ihr Wissen mit an die Universitäten und Clubs. Durch die dort stetig voranschreitende Überarbeitung der Regeln kristallisierten sich mit der Zeit Vorgaben für Schiedsrichter und einige Regeln heraus, die man noch bis heute im Fußball kennt: Platzverweise, Strafstöße und Seitenwechsel.
Verstärkt wurde die massenhafte Verbreitung aber nicht nur durch die Einführung des Sports in Erziehungssystemen, sondern auch durch die Industrialisierung und Politik. Aufgrund der technischen Neuerungen erfreuten sich Sportgeräte, wie z.B. das Fahrrad, einer immer größer werdenden Beliebtheit. Auf politischer Ebene führte man gesetzliche Arbeitszeiten und damit auch Freizeiten ein, was die Entstehung und Manifestierung des Sports förderte.
Internationale Verbreitung
Ende des 19. Jahrhunderts schwappte die Begeisterung für Sport ins restliche Europa über. Angetrieben durch Händler, kaufmännische Führungskräfte, Professoren sowie Studierende entwickelte sich auch dort der Sport zu einer gängigen Freizeitbeschäftigung. Auch die Wiederaufnahme der olympischen Spiele in der Neuzeit trug zum rasanten Wachstum bei.
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Entwicklung in Deutschland
Das durch die Bildung vorangetriebene Sportsystem in England gewann in Deutschland Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts an Popularität. Doch zu Anfang fanden sportliche Aktivitäten oft noch in unorganisierten Gruppen statt, mit der Zeit wurden Clubs und sogar Vereine gegründet.
Ein wesentlicher Bestandteil der Entstehung des Sports in Deutschland ist in der Bildungspolitik verankert. Der Lehrer Friedrich Ludwig Jahn trieb das Interesse und auch die Bedeutung der Gymnastik voran. „Nach Jahn sollte das Turnen Körper und Charakter bilden und damit auch die Wehrhaftigkeit des deutschen Volkes stärken“, fasst der Landessportbund Nordrhein-Westfalen zusammen.2
Turnbewegung
Gymnastik bzw. das Turnen diente in Deutschland aber nicht nur als Freizeitaktivität, sondern entwickelte sich zu einer „Nationalerziehung“ und einer Art Vorbereitung auf die Befreiungskriege gegen Napoleon. So umfasste der Begriff Turnen nicht nur das Geräteturnen, sondern schloss auch Sportarten wie Laufen, Springen, Werfen und Klettern mit ein.
Aufgrund der liberalen und patriotischen Haltung, die viele Turnvereine einnahmen, wurde 1820 ein Turnverbot ausgesprochen. Nachdem man dieses 1842 wieder aufgehoben hatte, entwickelte sich eine aufsteigende Turnbewegung. Die Vereine galten als liberale Stimme und Träger der Revolution von 1848.
Gewusst?
Kaiserin Sisi war für ihre Liebe zum Reitsport und Wandern bekannt, allerdings war sie auch eine leidenschaftliche Turnerin. Die Kaiserin von Österreich-Ungarn ließ sich sogar einen Fitnessraum mit Turngeräten einrichten: eine Sprossenwand, Reck und Ringe ließ sie sich in ihr Turnzimmer einbauen.3 Für ein intensives Turntraining wechselte sie in ihren Turnsalon.
Zwar blieb Turnen eine der beliebtesten Sportarten in Deutschland, dennoch nahm Ende des 19. Jahrhunderts die Begeisterung an anderen Sportarten mehr zu. England ging hierbei als gutes Beispiel voran.4,5