28. Oktober 2023, 8:12 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Wandern im Turbogang – das verbirgt sich hinter der neuen Trend-Sportart „Speed Hiking“. FITBOOK-Autorin Nina Ponath, die als echtes Nordlicht nur Flachland vor der Tür hat, hat es im Urlaub in den Dolomiten ausprobiert. Wie sich das Turbo-Wandern angefühlt hat, was es bringt, wo man dem Sport nachgehen kann und was man alternativ tun kann, wenn man selbst nicht das Glück hat, Berge vor der Haustür zu haben, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Wandern, das klang für mich bisher immer ein bisschen nach Freizeitspaß für aktive Ü50er, denen der Golfplatz zu steif ist. Sport, bei dem man nicht wirklich ins Schwitzen kommt. Im Urlaub war ich auch schon so manches Mal wandern, was dann meistens so aussah, dass meine Freundin, mit der ich im Urlaub war, und ich die Berge mit hochkletterten und die meiste Zeit über so viele Fotos machten, dass wir von Mountain-Bikern, schwatzenden Rentner-Gruppen und mitunter sogar vorbeitrottenden Eseln überholt wurden. Mit solchen Touren zahlten wir zweifellos auf unser Bewegungskonto ein (10.000 Schritte und so) – so richtig wie Sport fühlte sich das aber eher nicht an. Muss es natürlich auch nicht, denn gerade im Urlaub kann und sollte man es auch mal entspannt angehen lassen. Wer aber wandert, um damit Muskeln und Kondition zu fordern, kann jetzt einen Zahn zulegen. Stichwort: „Speed Hiking“.
So nennt sich neue Art zu wandern, bei der wir im Schnellschritt über Stock und Stein huschen. Die Sportart wird wie normales Wandern in den Bergen ausgeübt und verspricht so ein atemberaubendes Naturereignis, während gleichzeitig Muskeln und Ausdauer ganz schön gefordert werden sollen. Ob das tatsächlich so ist, habe ich auf einer Reise in den Dolomiten im Selbstversuch ausprobiert.
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Übersicht
Was ist Speed Hiking?
Beim Speed Hiking legt man lange Entfernungen auf anspruchsvollen Wanderwegen und über Gelände in schneller Bewegung zurück. Dabei werden auch Höhenmeter überwunden. Anders als beim klassischen Wandern spielt beim Speed Hiking Geschwindigkeit eine tragende Rolle: Man geht schnell. Der Sport eignet sich sowohl als eigene Sportart als auch als Vorbereitung für einen Wettkampf in einer anderen Sportart (Marathon, Triathlon etc.).
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Die passende Ausrüstung
Weil Speed Hiking sich immer mehr zur neuen Trend-Sportart mausert, ist daher eine ganze Industrie aus Bekleidung und Ausrüstung entstanden. So wirklich braucht man diese aber nicht, Lauf- und Outdoor-Sachen tun es völlig, wie ich finde. Für meine Speed-Hiking-Tour habe ich meine normalen Joggingschuhe und Sportsachen – eine kurze Laufhose, ein Shirt und eine dünne Laufjacke – eingepackt. Obwohl noch Spätsommer war und es in den Dolomiten noch knapp 20 Grad waren, habe ich es nicht bereut, die Jacke mitgehabt zu haben. In den Bergen kann es ganz schön kühl sein, wenn man höher kommt.
Wanderstöcke hatte ich nicht dabei, was mich stellenweise etwas „ausgebremst“ hat. Je steiler die Strecke ist, desto sinnvoller sind Stöcke. Auch ein Rucksack für Verpflegung – so eine Tour kann ganz schön lange dauern – und gegebenenfalls eine Stirnlampe für die Abendstunden können sinnvolle Ergänzungen sein. Ein GPS-Gerät, eine Flasche Wasser, Geld für die Einkehr in eine Hütte und ein paar Müsliriegel sind man je nach Länge der Tour ebenfalls empfehlenswert.
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Für wen eignet sich das Wandern auf Geschwindigkeit?
Wandern ist ein Sport, der sich grundsätzlich an alle Menschen richtet, die sich gern in der Natur aufhalten und keine konkreten körperlichen Beschwerden haben. Auch Speed Hiking richtet sich an diese Zielgruppe, mit der Einschränkung, dass man für eine Speed-Hiking-Tour schon eine gewisse Grundfitness mitbringen sollte. Wer regelmäßig einen Ausdauersport betreibt und kleine Runden pausenlos durchlaufen kann, sollte hierbei keine Probleme haben. Im Zweifelsfall sagen einem aber auch die Guides, wenn die Gefahr einer Überforderung besteht.
Ich war in einer Gruppe von Speed-Hikern unterwegs, die von einem Guide angeführt wurde. Die meisten Tour-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer waren überdurchschnittlich fit und in ihrer Freizeit sportlich aktiv; viele von ihnen waren auch das Wandern gewohnt. Speed Hiking findet meistens in der Gruppe statt und ist ein soziales Kollektiverlebnis.
Muss man sich auf Speed Hiking vorbereiten?
Personal Trainerin Jenny Seehusen rät, sich vor dem Wandern auf Geschwindigkeit mit einem Konditionstraining wie beispielsweise Laufen, Radfahren oder Schwimmen vorzubereiten. „Falls Trekkingstöcke verwendet werden sollen, ist es ratsam, vorher die richtige Anwendung und Technik zu üben“, sagt die Trainerin. Zudem sei ein angemessenes Aufwärmen sowie die Berücksichtigung des Geländes und der eigenen körperlichen Fähigkeiten entscheidend, um den Sport sicher und effektiv genießen zu können.
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Was bringt die Sportart?
Davon abgesehen, dass Speed Hiking wie die meisten Outdoor-Sportarten der Psyche guttut, beansprucht man bei dem Sport gleich mehrere Muskelregionen gleichzeitig. Durch die hohe Steigung beim Wandern profitieren vor allem die Po- und Beinmuskulatur, gleichzeitig muss auch der Rumpf Stabilität halten. Auch das Herz-Kreislaufsystem profitiert von dem Sport, man verbrennt eine Menge Kalorien.
So viele Kalorien verbrannte ich beim Selbstversuch „Speek Hiking“
Bei mir waren es 350 Kalorien bei 3 Kilometern und knapp 200 Höhenmetern, für die wir etwas mehr als 40 Minuten brauchten. Bei der Tour waren wir aufgrund der vielen, vielen Höhenmeter allerdings eher langsam unterwegs. Üblich sind beim Speed Hiking durchaus auch Geschwindigkeiten von 5 bis 6 km/h oder mehr.
„Speed Hiking beansprucht zur Fortbewegung intensiv die Beinmuskulatur, einschließlich der Gesäßmuskulatur, sowie die Rumpf- und Armmuskulatur, um das Gleichgewicht und die Stabilität aufrechtzuerhalten. Beim Einsatz von Trekkingstöcken wird zusätzlich die Schultermuskulatur aktiviert und die Armmuskulatur noch stärker einbezogen“, sagt Personal Trainerin Jenny Seehusen. Das Wandern sei so ein effektives Ganzkörpertraining.
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Vor- und Nachteile des anspruchsvollen Wanderns
Speed Hiking hat eine Menge Vorteile für die Gesundheit und ist sowohl Muskel- als auch Konditionstraining. Mit einer einzigen Sportart erreicht man hier also gleich mehrere Dinge gleichzeitig. Dazu ist der Sport sanfter für die Gelenke als Joggen und deshalb auch für Menschen geeignet, die Knie- oder Hüftschmerzen haben. Für Menschen, die sehr ungeduldig sind und immer viel schaffen wollen (wozu ich mich zähle), ist Speed Hiking eine tolle Alternative zum üblichen Wandern, weil man weniger das Gefühl hat, auf der Stelle zu treten und in vergleichsweise wenig Zeit viel erreicht. Da liegt aber meiner Meinung nach auch der Nachteil des Geschwindigkeits-Wanderns: Man kommt weniger zum Abschalten und Innehalten. Wer sich vom Wandern vor allem ein Naturerlebnis und Entspannung verspricht, ist mit dem herkömmlichen Tempo deshalb besser aufgehoben.
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Man sollte den Anspruch von Speed Hiking nicht unterschätzen
Speed Hiking ist eine tolle Sportart für alle, die sich gern in der Natur aufhalten und ihre Kondition stärken wollen. Von dem schnellen Wandern profitieren Muskeln und Kondition gleichermaßen, sodass der Sport ideal ist, um die Grundlagenausdauer zu stärken und sich auf einen Wettkampf vorzubereiten. Auch wenn sich Speed Hiking am normalen Wandern orientiert und diesem im Bewegungsablauf ähnelt, sollte man den Sport nicht unterschätzen. Im Schnellschritt zu wandern ist definitiv weitaus anstrengender, als gemütlich durch die Berge zu bummeln. Was man am Ende lieber mag, muss jeder für sich selbst entscheiden.