16. Juni 2023, 15:14 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Team Deutschland möchte bei den Special Olympics nicht nur Spaß haben, sondern auch sportliche Erfolge einfahren. Das gilt auch für das Hockey-Team, denn die eigenen Ansprüche sind nicht gerade niedrig. Worauf es beim Turnier und in der Vorbereitung ankommt, hat FITBOOK bei Hockey-Trainerin Norma Rettich und Spieler Kevin Waskowsky nachgefragt.
Bei den Special Olympics steht, wie wir aus unserem Interview mit Sportdirektor Tom Hauthal wissen, nicht nur der Spaß im Vordergrund. Man möchte genauso sportlichen Erfolg erzielen. Das bestätigen auch Hockey-Trainerin Norma Rettich und Spieler Kevin Waskowsky in unserem Gespräch. Die beiden sind Teil des Hockey-Teams – doch es ist nicht nur das, was die beiden verbindet. Sie sind gleichzeitig Mutter und Sohn. In unserem Interview sprechen sie darüber, wie die Vorbereitung auf die Special Olympics überhaupt abläuft, worauf es ankommt und wie man mit Specials erfolgreich zusammen arbeitet.
Übersicht
Norma Rettich und Kevin Waskowsky
Wieso Hockey?
„Ich mag Teamsportarten und das ist auch beim Hockey so“, erzählte Kevin Waskowsky, der mit einer geistigen Beeinträchtigung lebt. „Mit anderen zusammenzuspielen macht Spaß, außerdem habe ich tolle Mitspieler und eine tolle Trainerin“, führte er weiter aus, musste sich danach aber ein „Du alter Schleimer“ von seiner Mutter anhören.
Vor allem ist sie ist der Grund, weshalb Kevin mit dem Sport angefangen hat. „Ich habe mein Leben lang Hockey gespielt“, erzählte die alleinerziehende Mutter. „Das war einer der Gründe, wieso wir damals überhaupt nach Potsdam gezogen sind. Denn eigentlich komme ich aus Berlin.“ Norma Rettich ist mittlerweile seit 2018 Trainerin bei Potsdam und hat hier vieles mitaufgebaut. Dadurch machte sie sich in der Szene einen Namen und kam als Trainerin infrage.
Wie wird man Special Olympionike?
„Special Hockey findet zum ersten Mal überhaupt bei den Special Olympics statt. Im September durften daher die 18 Vereine aus Deutschland ihre jeweils drei besten Spieler und Spielerinnen auswählen“, erklärte uns die Trainerin. „Im Oktober gab es dann ein Sichtungstraining“, führte Kevin Waskowsky fort. Er gehörte zu eben jenen besten seines Teams, immerhin spielt der 27-Jährige aber auch seit 21 Jahren.
Norma Rettich dagegen konnte sich aussuchen, welches internationale Turnier sie miterleben will. Die Auswahl bestand dieses Jahr zwischen der Special Olympics in Berlin und der Europameisterschaft, welche aber in Mönchengladbach stattfinden würde. „Mit einer deutschen Mannschaft bei einem internationalen Turnier in meinem Berlin und dem Olympiastadion einlaufen ist dann aber doch noch mal ein kleiner Traum. Da fiel mir die Entscheidung nicht schwer“, verriet sie.
Wie fühlt man sich als Special Olympionike?
„Ich bin sehr aufgeregt“, offenbarte uns der 27-jährige Offensivspieler. „Ich werde das erste Mal mit nach Berlin fahren, um das deutsche Team zu vertreten und das freut mich.“ Norma Rettich wiederum ist sehr stolz auf ihn. Nicht nur als Sohn, sondern vor allem auch als Spieler. Bloß „Mama“ darf er während des Trainings weiterhin nicht sagen.
Vorbereitung auf die Special Olympics
Training außerhalb der Vorbereitung für die Special Olympics: „Wie im regulären Sport“
„Das Training ist sehr normal gehalten. Am Anfang gibt es Aufwärmphasen mit leichten Läufen und Übungen, anschließend dann Techniktraining und zum Schluss kleine Spielformen. Also ganz normale Trainingseinheiten, wie man sie aus dem regulären Sport auch kennt“, erklärte uns die Trainerin. Der einzige Unterschied liege natürlich in der Geschwindigkeit und Intensität, wie die Athleten und Athletinnen die gelernten Dinge dann auch umsetzen.
Vorbereitung der Special Olympics: In ganz Deutschland unterwegs
„Einmal im Monat hat sich die gesamte deutsche Delegation über das Wochenende in einer Stadt getroffen“, so die 59-Jährige. „Insgesamt gab es diese Treffen dadurch dreimal. Im Februar, April und Mai. Der Ablauf war dabei häufig ähnlich. Freitags Fitness, also Laufeinheiten oder Training mit dem eigenen Körpergewicht, um Motorik und Kraft zu trainieren. Der Samstag beinhaltete dann Techniktraining, also Basics wie passen, dribbeln, schlagen und Torschuss. Sonntag folgten dann meist Spiele, diese wurden gelegentlich jedoch am Samstag gespielt. Neben diesen Extra-Treffen wurden aber auch pro Woche Aufgaben an die Spieler und Spielerinnen verteilt“, führt sie weiter aus.
„Die Laufeinheiten variierten aber am häufigsten“, erklärte Trainerin Rettich uns anschließend. „Mal sind sie nur zwei oder drei Kilometer gelaufen, dafür aber teils mit schnellerem Tempo. Die Einheiten wurden dann aber auch auf bis zu zehn Kilometer gestreckt und kürze Distanzen manchmal mit Gewichten gelaufen. Die Special Olympics werden anspruchsvoll und da muss jeder so weit es geht fit sein“, sagte sie und schaute dabei ein wenig mahnend Richtung ihres Schützlings. „Die Schnellsten lagen so bei knapp fünf Minuten 50 pro Kilometer, Kevin bei sieben Minuten. Damit kann man durchaus zufrieden sein. Die Zeiten variieren aber sehr stark, vor allem zwischen den Teams.“
Was uns die Trainerin auch noch verraten hat: Das Hockeyteam wird in zwei Teams geteilt. Diesen werden Spielerinnen und Spieler dann gemäß ihrer Leistungen zugeteilt. „Wir haben ein paar drin mit Trisomie21 oder Downsyndrom und wieder andere mit stärkeren Handspastiken, von denen sie aber nicht so sehr beeinträchtigt sind. Da ist das Leistungsgefälle dann eben stärker vorhanden. Die Messungen dienen aber gleichzeitig auch dazu, den Fortschritt zu messen. Einige trainieren hart und werden dann auch belohnt.“
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Ernährung: Workshop mit Ex-Olympionikin
Wie für alle Athleten ist auch für die Hockeyspieler im Special-Olympia-Team Ernährung ein wichtiger Baustein für ihre Fitness. „Wir haben viele Smoothies gemacht“, erzählte Kevin Waskowsky. „Wir hatten allgemein einige Workshops zum Thema Ernährung als Vorbereitung der Special Olympics. Keine direkte Ernährungsberatung in Bezug auf Eiweiße oder Ähnliches, dafür aber ganz viel bezüglich Zucker, bewusstem Essen und Flüssigkeitshaushalt. Den eben angesprochenen Smoothie-Workshop hatten wir sogar mit Ex-Olympionikin Jenny Wolf, welche sich jetzt bei den Specials engagiert“, berichtete uns seine Mutter und Trainerin.
„Die Specials haben das auch wirklich optimal aufgenommen. Ein paar Tage später kam es auch dazu, dass sie dann den normalen Kindern gezeigt haben, wie man diese Smoothies macht, das war wirklich ein wunderbarer Moment als Beobachter von draußen“, erzählte die Technikleiterin.
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Pädagogik: „Wir haben gelernt, die Tasche zu packen“
„Man muss viel beachten“, verriet die Hockey-Trainerin über die Vorbereitung auf die Wettkämpfe. „Es gab diesbezüglich wirklich die unterschiedlichsten Lehrgänge“, erklärte sie uns. „Wir haben gelernt, die Tasche zu packen, oder uns zu erinnern, was wir alles Wichtige mitnehmen müssen, damit am Ende nicht das Trikot fehlt. Andererseits haben wir auch einen Lehrgang zum Thema Entspannung und Beruhigung gemacht und hatten Yoga-Training. Die Specials brauchen alle viel Aufmerksamkeit und vor allem viel Lob. Das sind Dinge, die wir zusammen vorher noch mal vertieft haben. Einfach auch um die Teilnehmenden untereinander zu stärken und dass man aufeinander aufpasst.“
„Das ist mir sehr wichtig“, hakte Teilnehmer Kevin Waskowsky ein. „Wir müssen vor allem miteinander spielen und nicht aufgeben. Dann haben wir viel bessere Chancen, auch zu gewinnen.“
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Die Special Olympics 2023
Ablauf: Jeden Tag ein Spiel
Die Special Olympics werden für alle Teilnehmenden sehr anstrengend. Immerhin betreibt ein Großteil der Teilnehmenden dort auch tatsächlichen Spitzensport. Das zeichnet sich auch im Spielplan ab.
„Wir haben ab Sonntag jeden Tag ein Spiel. Ich hoffe, dass wir vormittags spielen und es nicht so warm wird, denn dann kann ich nicht so viel laufen“, erzählte Kevin Waskowsky. Der vorläufige Wetterbericht macht ihm diesbezüglich wahrscheinlich leider ein Strich durch die Rechnung. Es soll genauso warm sein, wie in den letzten Tagen in Berlin.
„Einen genauen Plan haben wir leider noch nicht. Wir haben am Sonntag erst unsere Auswahlspiele. In diesen Spielen wird von einer Jury entschieden, gegen wen wir spielen und wie stark wir selber sind“, erklärte uns seine Mutter und Trainerin. „Da wir in den ersten Spielen in der Regel aber immer am besten sind, habe ich die Befürchtung, dass wir direkt die schwierigen Lose bekommen. Da wird es dann schwierig mit einer Goldmedaille, aber ich glaube an die Mannschaft.“
Persönliche Wünsche für die Spiele
Für Kevin Waskowsky ist das Ziel ganz klar: „Ich möchte gewinnen, Spaß und viele Zuschauer. Mir ist es wichtig, dass man immer weiterspielt und wir das auch nach einer Niederlage weiterhin machen. Aufgeben sollte man nie.“ Egal, wie das Turnier ausgeht – die Vorbereitung auf die Special Olympics haben dem 27-Jährigen jedenfalls bereits richtig gut gefallen: „Ich hatte sehr viel Spaß, die Leute kennenzulernen und mit ihnen zu trainieren. Besonders die Fitnesstage haben mir sehr viel Spaß gemacht. Eigentlich hatte ich aber fast an allem Spaß.“
Auch für seine sportliche Leiterin Norma Rettich ist das Ziel ähnlich gesetzt: „Natürlich gehört Spaß zum Sport dazu, ohne Spaß braucht man keinen Sport zu machen. Es wäre aber gelogen zu sagen, wenn ich mir als Trainerin nicht auch sportlichen Erfolg wünschen würde, da das für den Spaß auch wichtig ist. Außerdem denke ich, dass wir ein gutes Team haben.“
Das FITBOOK-Team freut sich auf die Special Olympics und hofft, dass wir auch unsere Leserinnen und Leser für das Event begeistern können. Verfolgen Sie den Auftakt der Spiele live im TV (am Sonntag, 18. Juni 2023, ab 17.10 Uhr im ZDF) oder besuchen Sie die Spiele sogar vor Ort in Berlin. Das Programm und Information zum Ticketkauf finden Sie hier. Die Sportlerinnen und Sportler haben die Aufmerksamkeit und Unterstützung verdient. Wir wünschen allen Teilnehmenden und Betreuern viel Spaß und Erfolg!