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Sportdirektor im Interview

Special Olympics 2023 in Berlin „eine riesige Chance für Deutschland“

Tom Hauthal Special Olympics
Tom Hauthal ist Sportdirektor des Teams Special Olympics Deutschland (SOD). Seine Athletinnen und Athleten vertreten Deutschland bei den Spielen in Berlin Foto: SOD/Sarah Rauch / Getty Images / Collage: FITBOOK)
Janek Hennicke

14. Juni 2023, 19:46 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten

Die Special Olympics sorgen dieses Jahr für Aufsehen. Das liegt jedoch nicht nur daran, dass Deutschland Austragungsort ist, sondern auch am Gesamtbild, welches dieses Sportevent verkörpert. FITBOOK hat mit dem Delegationsleiter und Sportdirektor des Teams Special Olympics Deutschland darüber gesprochen, was das Sportevent ausmacht und von anderen abhebt.

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Erst zum dritten Mal in der Geschichte des Events finden die Special Olympics Summer Games in Europa statt. Allzu viel Aufmerksamkeit haben sie hierzulande daher noch nicht erfahren in ihrer 55-jährigen Geschichte. Doch das ändert sich langsam. Denn zum ersten Mal finden die Spiele in Berlin statt. Für Tom Hauthal, Sportdirektor und Delegationsleiter des Teams Special Olympics Deutschland (SOD), ist das definitiv etwas Positives. Zusammen mit ihm möchte FITBOOK vor den Spielen, die vom 17. Juni bis 25. Juni 2023 in der deutschen Hauptstadt stattfinden, darüber aufklären, was genau die Special Olympics sind, welcher Ansatz hier verfolgt wird und was sie von Paralympics unterscheidet.

Was genau sind die Special Olympics?

„Special Olympics ist die Sportbewegung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Beeinträchtigung. Mehrfach bedeutet dabei, dass neben der geistigen, noch eine oder mehrere körperliche Behinderungen dazu kommen können“, erklärt der Sportdirektor des SOD. „Es gibt jedoch auch Athletinnen und Athleten, die keine Beeinträchtigung haben und als sogenannte ‚unified Athleten‘ teilnehmen. Diese werden jetzt auch bei den kommenden Spielen in Berlin zahlreich vertreten sein“, führt er fort. Denn die Special Olympics sollen vor allem für eins stehen: Ein gemeinsames Miteinander, bei dem man niemanden ausschließt.

Wie viele Disziplinen beinhalten die Special Olympics?

„In Deutschland haben wir im Moment 32 offizielle Wettbewerbssportarten, die unter dem Dach SOD zusammengefasst werden. Dieses Jahr werden 26 Sportarten in Berlin ausgetragen, wobei die deutsche Delegation an 25 teilnimmt, also an fast allen“, erläutert Hauthal.

Zu den Sportarten, die 2023 im Programm der Special Olympics sind, gehören:

  • Badminton
  • Basketball und Basketball 3×3
  • Beach-Volleyball
  • Boccia
  • Bowling
  • Freiwasserschwimmen
  • Fußball
  • Futsal
  • Gewichtheben
  • Golf
  • Handball
  • Feldhockey
  • Judo
  • Kanu
  • Leichtathletik
  • Turnen
  • Radfahren
  • Reiten
  • Rhythmische Sportgymnastik
  • Roller Skating
  • Schwimmen
  • Segeln
  • Tennis
  • Tischtennis
  • Turnen
  • Volleyball

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Wie viele Athleten und Athletinnen sind Teil des SOD?

„Allein in Deutschland spricht man aufgrund der besonderen Struktur und den Unterschieden zu den Paralympics von inzwischen 25.000 bis 40.000 Athletinnen und Athleten. An den Weltspielen selbst nehmen dabei insgesamt 413 Sportlerinnen und Sportler teil. Bezieht man das jedoch auf die gesamte Delegation, dann kommt man, inklusive der Ärzte, Physios, Trainer etc. auf 573 Personen für das Team Deutschland“, erklärt Tom Hauthal. Damit stellt Deutschland auch die größte Delegation aller Länder, was laut dem Sportdirektor häufig der Fall ist.

Zum Vergleich: An den Olympischen Sommerspielen 2021 in Tokyo nahmen mit 430 Athleten und Athletinnen aus Deutschland auch nicht viel mehr teil.

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Was unterscheidet die Special Olympics von den Paralympics?

„Allgemein wird gesagt, dass der Unterschied vor allem im Fokus der Beeinträchtigungen liegt. Bei der Paralympics nehmen hauptsächlich Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung teil. Das stimmt auch so zu 99 Prozent“, pflichtet Hauthal bei. „Es gibt jedoch auch bei den Paralympics einzelne Disziplinen, in denen ‚ID‘-Athletinnen und -Athleten antreten dürfen – also Personen mit kognitiven Behinderungen. Weiterhin gelten dort jedoch Voraussetzungen und Anforderungen, die sehr hoch sind.“

Hintergrund: ‚ID‘ steht für Intellectual Disabality.

„Das ist auch der Hauptpunkt, welcher die Special Olympics vorrangig von den Paralympics unterscheidet“, erklärt der Delegationschef. Die Special Olympics sollen jedem Menschen mit geistiger Beeinträchtigung ermöglichen, auf einem Wettbewerbsniveau anzutreten. „Der Weg von lokal zu international ist bei uns viel kürzer. Bei den Paralympics muss stattdessen eine gewisse Mindestleistung erbracht werden“, erklärt Tom Hauthal.

Auch wenn die Athletinnen und Athleten des SOD nicht so hohe Anforderungen wie die Teilnehmenden von Olympia und Paralympics erfüllen müssen, bezeichnet der Leiter der „Special Olympics Deutschland“-Delegation seine Schützlinge als Spitzensportler. „Aufgrund ihrer Beeinträchtigungen gibt es einfach Athletinnen und Athleten, die nie die Anforderungen der Paralympics erreichen werden. Die physischen Voraussetzungen sind einfach komplett andere. Dennoch erreichen sie Spitzenwerte.“ Es diesen Menschen trotzdem zu ermöglichen, Sport zu machen und alles zu geben, ist daher der Ansatz der Special Olympics.

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Ist es gut oder schlecht, Paralympics und Special Olympics zu trennen?

„Ich glaube, da gibt es kein besser oder schlechter“, meint Hauthal. „Der Leistungsanspruch bei den Paralympics ist vollkommen legitim. Unser Ansatz – und ich arbeite seit 14 Jahren für die SOD und habe da viel Herzblut investiert – ist im Gegensatz dazu die Entwicklungsmöglichkeit unserer Athletinnen und Athleten.“ Das bedeute, zu betrachten, was die Menschen nach ihren Voraussetzungen heraus leisten können und wie sie sich weiterentwickeln. „Damit haben wir einen sehr einzigartigen Ansatz, welcher selten im Sport genutzt wird – für mich zu selten“, führt er fort.

Sein Vorschlag wäre generell den Leistungsansatz überdenken, „sodass zum Beispiel nicht immer das Schnellste auch das Beste ist, sondern vielleicht auch das, was trotz schwerer Voraussetzungen geschafft wird“. Falls sich zum Beispiel jemand von 20 auf 16 Sekunden beim 100-Meter-Sprint verbessert, müsse man das würdigen, argumentiert Hauthal.

„Ich denke, wir sind eine gute Ergänzung. Ich würde mir für die Zukunft aber wünschen, dass mehr unserer Athletinnen und Athleten für das paralympische Team gewonnen werden. Denn diese Menschen betreiben meiner Meinung nach Spitzensport und bei den letzten Paralympics war leider kein deutscher ‚ID‘-Sporttreibender vertreten. Das beweist, dass es die Special Olympics auf jeden Fall braucht.“

Was bedeutet die Wahl von Berlin als Austragungsort?

„Ich denke Berlin und vor allem Deutschland können sehr froh darüber sein, dass die Spiele hier stattfinden. Immerhin sind die Special Olympics 2023 das erste Multi-Sport-Ereignis für Deutschland seit den Olympischen Sommerspielen 1972 in München. Das zeigt, was für eine Dimension diese Veranstaltung hat“, erklärt Tom Hauthal.

Neben dieser Bedeutung habe Berlin aber auch einen sehr symbolischen Charakter. „Berlin ist die Stadt, die dafür bekannt ist, Mauern einzureißen. Und dasselbe wollen wir auch ein Stück weit tun. Das Thema Inklusion ist auch in Deutschland nicht überall angekommen. Wir möchten genauso Hindernisse überwinden und die Gesellschaft für unsere Zielgruppe zugänglich machen. Auch, damit sich die Sportlandschaft breiter aufstellt.“ Er ist überzeugt: „Diese Spiele sind dabei eine riesige Chance für Deutschland.“

Was sollte aus dem Interesse an den Special Olympics resultieren?

„Erst einmal sollte sich niemand schlecht fühlen, weil er bis zu diesem Jahr noch nie von den Special Olympics gehört hat. Außerdem steht eigentlich auch nicht das Wort Special Olympics im Vordergrund, sondern das Gesamte dahinter. Es geht darum, auf die Lebenssituation der Menschen aufmerksam zu machen und generell Aufmerksamkeit zu schaffen. Diese Spiele sollten dafür genutzt werden, das Interesse dahin gehend auszubauen und nicht nur auf die Gesellschaft umzumünzen. Das sind aber einfach Prozesse, die erst nach und nach passieren.“

Dennoch würde sich Hauthal wünschen, dass die Politik mehr für die Sportlandschaft macht, insbesondere bei der Förderung und den Leistungsprinzipien. „Vielleicht sollte der Begriff Spitzenleistung dehnbarer gemacht werden, so wie ich es bereits angesprochen habe. Genauso sollte man – und dafür stehen wir auch als Verband – die Möglichkeit haben, zu wählen, wo und wie man Sport treibt. Dazu gehört auch, mehr Angebote zu schaffen für Menschen, die nicht im Leistungssport mithalten können“, führt der Delegationsleiter weiter aus.

Was wünschen Sie sich für diese Spiele?

„Wir sind eine Sportveranstaltung, wir sind ein motiviertes Team und natürlich bleibt der Grundgedanke ‚Dabei sein ist alles‘. Trotzdem kann ich eins versichern: Die Athletinnen und Athleten wollen sportlichen Erfolg haben. Das sage ich auch als Sportdirektor und Delegationsleiter des Team SOD, wir wollen sportlichen Erfolg haben. Wir möchten uns bestmöglich präsentieren und dazu gehört auch, die bestmögliche sportliche Leistung zu erbringen. Jedoch immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass Erfolg nicht nur über Medaillen zu messen ist, auch persönliche Verbesserungen gehören dazu“, erklärt der SOD-Teamchef.

Außerdem würde er sich wünschen, „dass wir uns natürlich auch als hervorragende Gastgeber präsentieren. Zum einen als Organisationsteam, aber auch als Team Special Olympics Deutschland. Wir wollen gute Gastgeber sein, damit sich die 180 bis 190 teilnehmenden Nationen hier wohlfühlen. So kann man daraus vielleicht auch ein kleines Sommermärchen, wie bei der WM 2006, für alle entstehen lassen. Sodass am Tag der Abreise gesagt wird: Das waren tolle und vielleicht sogar die besten Weltspiele.“

Zu guter Letzt hat Hauthal noch einen Wunsch: „Mir wäre es wichtig, dass diese Spiele nachklingen. Dieses Interesse muss beibehalten werden, damit wir nicht wieder auf den Stand von vor drei oder vier Jahren zurückrutschen. Dazu gehört auch, dass die Hemmschwelle von Vereinen sinkt, wenn Leute mit Beeinträchtigung vor der Tür stehen.“

Mehr zum Thema

Quellen

  • Special Olympics World Games. Our Sport. (aufgerufen am 13.06.2023)
  • Special Olympics Deutschland. Sportarten bei SOD. (aufgerufen am 13.06.2023)
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