16. Januar 2021, 7:54 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Einen Fuß vor den anderen setzen – einfacher kann man sich kaum fit halten. Zudem ist es kostengünstig, eignet sich für viele Fitnesslevel und kann auch während des Lockdowns betrieben werden. Aber was ist besser für den eigenen Körper: ein ausgedehnter Spaziergang oder eine Runde joggen gehen? Und wie findet man es heraus? FITBOOK hat den Orthopäden und Sportmediziner Dr. Martin Marianowicz gefragt.
Ob Spazierengehen oder Joggen – eins von beiden sollte jeder regelmäßig tun. Denn so kann man fit bleiben, die Umgebung erkunden und aktiv sein Risiko senken, an Diabetes oder Herz-Kreislauf-Beschwerden zu erkranken. Wem das alleine zu langweilig ist, der kann sich auch mit Freunden oder Familie auf den Weg machen (hier erfahren Sie, was bei der Bewegung im Freien im Lockdown zu beachten ist).
Inhalt
Die Vor- und Nachteile beim Spazierengehen
Was lässt sich spontaner umsetzen als ein Spaziergang? Bis auf ein paar feste Alltagsschuhe benötigt man keinerlei Equipment. Also einfach aufstehen und losgehen. Ob langsames Schlendern oder Power Walking – beim Spaziergehen kann man die Anstrengung leicht an das Fitnesslevel der Beteiligten anpassen. So kann man mit dem Trainingspartner zügig den Berg hoch walken, aber auch mit Großeltern oder Kindern in Ruhe die Natur genießen. Bei Knie- und Fußproblemen eigne sich das Gehen oder Walken deutlich besser als Joggen, weil die Erschütterung minimiert werde, erklärt Dr. Martin Marianowicz, Facharzt für Orthopädie, Chirotherapie, Sportmedizin und Schmerztherapie. „Vor allen Dingen, wenn die Leute nicht gelernt haben, richtig zu laufen.“ Dazu später mehr.
Jedoch sei der Gesamteffekt für das Herz-Kreislauf-System beim Spazierengehen geringerer als beim Joggen. „Die Senkung des Blutdrucks und des Blutzuckers sind natürlich bei höherer Anstrengung stärker“, so der Mediziner. Wer zudem ordentlich Kalorien verbrennen möchte, der muss für die gleiche Menge deutlich länger gehen als laufen. Ein Beispiel anhand des FITBOOK-Kalorienrechners: Eine 30-jährige Frau (1,70 Meter, 70 Kilogramm) würde bei 60 Minuten Spaziergehen etwas mehr als 200 und bei 60 Minuten Laufen (Geschwindigkeit von 8 km/h) knapp über 500 Kilokalorien verbrennen. Der Mediziner hat hier jedoch einen Tipp: „Um den hohen Kalorienverbrauch zu bekommen, muss man nicht unbedingt joggen. Man kann auch Power Walken.“ Besagte Frau würde bei 60 Minuten Power Walking rund 300 Kalorien verbrennen, beim Nordic Walking sogar locker 400.
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Mediziner rät zu Power Walking und Nordic Walking
„Wenn Sie beim Nordic Walking den Berg hinaufgehen, haben Sie die gleiche körperliche Belastung, wie wenn Sie joggen würden. Und das ohne die Belastung für Gelenke und Wirbelsäule, die Sie beim Joggen hätten“, verrät der Münchener Arzt. Wer nicht allzu viel Wert auf die Natur legt, kann diesen Effekt auch auf dem heimischen Laufband erzielen. Dort könne man beispielsweise mit sechseinhalb Stundenkilometern und sechs oder sieben Grad Steigung stramm walken. „Das ist nach zehn Minuten genauso schweißtreibend wie das Laufen.“
Das schnelle Gehen eigne sich außerdem für ältere Menschen, für die Joggen kreislaufmäßig nicht mehr möglich sei. Sie hätten zudem häufiger knöcherne Veränderungen am Rücken, wie beispielsweise eine Spinalkanalstenose, eine Verengung des Rückenmarkskanal. „Da ist das Joggen durch die Erschütterung nicht so gut“, warnt Dr. Marianowicz. Für diese Patienten sei Nordic Walking sehr gut geeignet, aber nicht nur für sie. „Für Menschen mittleren Alters ist Nordic Walking ideal, denn es richtet den Oberkörper auf, bewegt die Arme mit, trainiert die Schultern und den Nacken. Außerdem entlastet es die Wirbelsäule und die Gelenke.“ Diese Sportart erfordere jedoch auch Training. „Alle denken, sie könnten ohne Probleme Nordic Walken, aber auch das braucht eine gewisse Technik.“
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Die Vor- und Nachteile beim Joggen
Eine Technik erfordert auch das Joggen. Insbesondere eine runde Ablaufbewegung muss laut Dr. Marianowicz erlernt werden. „’Einfach nur Joggen‘ ist ja nicht gleich Joggen. Wer das richtig gut macht, hat auch gelernt, mit welcher Technik er die Füße richtig abrollt.“ Eigene Beobachtungen würden ihm häufig etwas anderes zeigen: „Wenn ich manchmal sehe, wie die Leute da rumhampeln oder hoppeln, dann kann das weder für die Füße, noch für die Knie, noch für die Hüften oder den Rücken sehr gesund sein.“ Diese Leute würden sich – insbesondere auf langen Läufen – „mehr Schaden zufügen, als das es ihnen nutzt“.
Wer bereits einen schweren Verschleiß, beispielsweise an der Hüfte oder am Knie habe, dem rät Dr. Marianowicz vom Laufen ab. Davon seien auch junge Menschen betroffen. Dasselbe gelte für Personen, die einen frischen Bandscheibenvorfall haben. Wer jedoch fit ist und Lust hat, sollte joggen: Schon 50 Minuten pro Woche können das Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben, um bis zu 30 Prozent verringern. Für Motivations-Muffel gibt es zudem zahlreiche Laufveranstaltungen, die nicht nur ein tolles Trainingsziel bieten, sondern auch Spaß machen.
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Wer jedoch ungern alleine unterwegs ist, für den eignet sich eher das Walken oder Spazierengehen – soweit man keinen Trainingspartner mit einer ähnlichen Durchschnittsgeschwindigkeit hat. Denn gemeinsames Laufen macht nur dann Spaß, wenn jeder in seinem persönlichen Tempo bleiben kann. Zwar ist Joggen ein verhältnismäßig kostengünstiger Sport – doch gute Laufschuhe, Laufhose und Funktionsshirt müssen sein, für Frauen außerdem ein Sport-BH.
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Spazierengehen oder Joggen – was ist besser?
Auf diese Frage gibt es keine pauschale Antwort. Laut Dr. Marianowicz muss man bei der individuellen Entscheidung auf zwei Aspekte achten: den des Alters und den der körperlichen Fitness. „Es muss angepasst sein an die körperliche Verfassung und an die Probleme, die man im Rücken oder den Gelenken hat“, so der Mediziner. Jüngere Menschen könnten unter Anleitung, oder wenn sie es einmal gelernt haben, ruhig joggen. Wenn sie es kreislaufmäßig trainiert hätten, auch gerne schnell und anstrengend. Prinzipiell könne man sagen: „Je älter, desto gemäßigter und je jünger, desto anstrengender.“
Allerdings müsse man sich auch nicht unbedingt zwischen Spazierengehen und Joggen entscheiden. „Es gibt vieles dazwischen, wie zum Beispiel Power Walking. Da brauchen Sie auch nur ein paar Stöcke und normale Kleidung wie beim Spazierengehen.“ Letztendlich hänge alles von der körperlichen Fitness ab und nicht zuletzt natürlich auch von den eigenen Zielen und Interessen. Wer ganz sicher gehen will, kann natürlich auch alles ausprobieren, um seine ideale Sportart zu finden. Bei Vorerkrankungen jedoch bitte vorher einen Arzt konsultieren.
Über den Experten
Dr. med. Martin Marianowicz ist Facharzt für Orthopädie, Chirotherapie, Sportmedizin und Schmerztherapie im Marianowicz Zentrum für Diagnose und Therapie in München und in der Privatklinik Jägerwinkel am Tegernsee.