28. März 2021, 9:11 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Wenn man beim Krafttraining die einzelnen Wiederholungen zählt und bei einer bestimmten Anzahl aufhört, ist es gut möglich, dass man nicht das ganze Pulver verschossen hat. Verhindert man damit gar einen größeren Trainingseffekt? Personal Trainer Timo Kirchenberger gibt darauf eine überraschende Antwort.
Um den nötigen Trainingsreiz auszuüben, ist es wichtig, bis zum Muskelversagen zu trainieren. Wer Erfahrung hat mit Krafttraining, weiß das natürlich. Daraus könnte man die Schlussfolgerung ziehen, dass das Ausführen einer bestimmten Anzahl an Wiederholungen weniger sinnvoll ist, als immer weiter und bis zum gefühlten Nichts-geht-mehr-Punkt zu trainieren. Warum diese Schlussfolgerung nicht richtig ist, erklärt der Berliner Personal Trainer und Athletikcoach Timo Kirchenberger.
Übersicht
Wiederholungen zählen ist für Anfänger wichtig
„Grundsätzlich macht es natürlich total Sinn, Wiederholungen zu zählen“, sagt Kirchenberger. Das gelte nicht zuletzt für Trainingsneulinge, die gerade zu Beginn in definierten Wiederholungsbereichen trainieren sollten, die sie ggf. mit ihrem Trainer oder ihrer Trainerin entsprechend ihrer Zielsetzung besprochen haben. Das A und O sei hier eine saubere Technik, natürlich in Kombination mit einem anspruchsvollen Gewicht.
Anfänger sollten nicht an ihre Grenzen gehen
„Fitnessanfängern, „also solchen, die erst seit etwa zwei Jahren trainieren, und Jugendlichen sowieso“, – rät Trainer Kirchenberger grundsätzlich davon ab, bis zum Muskelversagen zu trainieren. Dadurch würden sie gerade zu Beginn, wenn die Technik besonders wichtig ist, grobe Fehler machen. „Der Körper würde sich das merken und ein zu hohes Belastungsrisiko eingehen“, warnt der Fachmann. Zudem sei es nicht einmal nötig. Im Körper passiere auf jeden Fall etwas – „wenn wir entsprechend schwer trainieren, aber sauber!““–
Sollten Fitnessprofis beim Training die Wiederholungen zählen?
Seine Empfehlung, unbedingt Wiederholungen zu zählen, richtet sich genauso an Bodybuilder – wenngleich diese noch ein Stück darüber hinaus gehen sollten. Jene Fitnessprofis haben über viele Jahre hinweg auf Hypertrophie trainiert, sprich: mit der Zielsetzung, den Muskel dicker werden zu lassen. Und dabei sei tatsächlich entscheidend, dass am Ende des Satzes die letzte Wiederholung in puncto Kraftleistung kaum noch ausführbar ist. „Natürlich sollte auch hier die Technik nicht extrem leiden“, gibt Kirchenberger zu bedenken. Um einen Ansatzpunkt zu haben, sei es daher auch für Fitnessprofis wichtig, zu zählen.
Auch interessant: Wie atme ich beim Krafttraining richtig?
Erschöpfungsgrad messen über Wiederholungszahl – die RIR-Methode
Um den Trainingseffekt trotz des Mitzählens zu steigern, empfiehlt der Personal Trainer die sogenannte „RIR-Methode“. Damit könne man die Belastung managen – also einschätzen, wie viel Gewicht man beim nächsten Mal verwendet. „RIR“ steht für „Reps in Reserve“ (Wiederholungen in Reserve). Kirchenberger: „Der Athlet bzw. die Athletin sollte sich nach dem Satz fragen, wie viele Wiederholungen noch im Tank drin gewesen wären.“ Komme man auf null bis eine RIR, habe man offenbar bis ans Limit trainiert. Bei einem Wert von drei bis fünf oder mehr müsse man sich hingegen eingestehen, dass der Satz nicht anstrengend genug war. „Wir haben über die Wiederholungszahl also eine Möglichkeit, den Erschöpfungsgrad oder auch eine Tendenz dahingehen zu messen, ob das Gewicht zu schwer oder zu leicht war“, erklärt der Experte. Es spricht also tatsächlich vieles dafür, die Wiederholungen zu zählen.
Die RIR-Methode ist übrigens ein ähnlich bekanntes Mittel zum Kraftmanagement wie die RPE, also der „Rate of perceived exertion“ (Maß der wahrgenommenen Anstrengung). Das funktioniere so, dass der Klient (etwa beim Personal Training) anhand einer Skala von null bis zehn angibt, wie anstrengend eine Einheit war.
„Reps in Reserve“ Warum Sie beim Krafttraining auf diese Methode setzen sollten
Bis keine Wiederholung mehr möglich ist Ist Muskelversagen wichtig für den Muskelaufbau? Das sagen Studien
Krafttraining Kennen Sie Myo-Reps? So funktioniert die effektive Muskelaufbau-Methode
Wie viele Wiederholungen sind beim Krafttraining optimal für den Muskelaufbau?
Laut Fitnessprofessor Dr. Stephan Geisler ist die Wiederholungsanzahl – entgegen der weit verbreiteten Annahme – kein klarer Parameter für Trainingsreiz. Woran liegt das? „Acht Wiederholungen kann man nämlich sehr langsam oder auch sehr schnell ausführen und setzt dann komplett unterschiedliche Trainingsreize. So könnte man zum Beispiel „nur“ drei Wiederholungen machen, diese aber sehr langsam ausführen (20 Sekunden pro Wiederholung) und somit statt einem Maximalkraftreiz eher einen Kraftausdauerreiz setzen“, schreibt der Profi in einem FITBOOK-Expertenstück zum Thema. Dort erklärt er auch, wie man das verwendete Gewicht in Relation zur Belastungsdauer setzen sollte, um eine genaue Angabe für einen Trainingsreiz zu erhalten.