5. Januar 2018, 11:09 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Würden Sie sich trauen? In Deutschlands größtem Windkanal, der Hurricane Factory Berlin, kann man sich vom Wind, den sechs Großturbinen mit je 400 PS erzeugen, in die Höhe pusten lassen und wie ein Vogel auf einem Luftstrom gleiten. Das Fitnesslevel spielt keine Rolle. FITBOOK-Praktikantin Svenja Heinol hat Bodyflying ausprobiert – und bekam Glücksgefühle.
An der Hurricane Factory Berlin angekommen, erwartete uns ein großer Raum, der mich vor allem durch seine Helligkeit, welche den riesigen Glasfenstern geschuldet war, beeindruckt hat. Das erste mulmige Gefühl machte sich bei mir breit, als ich die ersten professionellen „Bodyflyer“ im Windtunnel sah: Spielend schwebten sie in der durchsichtigen Röhre, überschlugen sich und stiegen in die Höhe. Da wurde mir auch klar, dass der Windtunnel viel höher ist, als ich erwartet hatte: Der Kanal hat eine Flughöhe von 15 Metern, die unteren sechs Meter sind verglast. Wie sollte ich das durchstehen mit meiner Höhenangst?
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Fluglagetraining und Sicherheitseinweisung
Vor der Einweisung das Einkleiden. Mit dem wuchtigen, schwarzorangefarbenen Overall fühlte ich mich wie Bob der Baumeister. Anna, die in der Hurricane Factory Berlin neben zwei anderen als Instructor arbeitet, erklärte den Ablauf des Flugs, gab Fluglagetraining (die Grundstellung, die wir beim Fliegen einnehmen sollten) und eine Sicherheitseinweisung: Man liegt leicht gebogen auf dem Bauch, Arme und Beine sind angewinkelt. Da im Kanal ordentlich Wind herrscht, ist es darin extrem laut. Also zeigte uns Anna, wie wir mit Zeichensprache während des Flugs miteinander kommunizieren können. So konnte sie uns dabei helfen, während des Flugs unsere Körperhaltung zu korrigieren.
Jetzt noch Helm, Brille und Oropax – und es ging wirklich los.
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So funktioniert Bodyflying in der Röhre
Die verglaste Röhre in der Hurricane Factoy Berlin hat einen Durchmesser von 5,2 Metern und ist 15 Meter hoch – damit können im Tunnel Fallschirmsprünge aus einer Absprunghöhe von 4000 Metern simuliert werden. Oben und Unten wird der Flugbereich von einem Stahlnetz abgegrenzt.
Sechs Großventilatoren mit einer Gesamtleistung von 2100 Kilowatt erzeugen den nötigen Luftstrom. Ein Vergleich, der die Dimension klarmacht: Laufen die Ventilatoren einen Tag lang auf voller Power, könnte man mit dem Stromverbrauch eine vierköpfige Familie ein Jahr lang mit Strom versorgen.
Der Luftstrom, auf dem geflogen wird, ist zwischen 140 und 280km/h schnell. Die Geschwindigkeit im Zylinder kann mithilfe eines Controllers gesteuert werden. Das Gewicht der fliegenden Person bestimmt den benötigten Luftstrom. Eine Person über 120 Kilo kann beispielsweise nicht im Windkanal fliegen. Ansonsten ist es jeder Person ab fünf Jahren erlaubt, zu fliegen.
„Lasst euch fallen, der Wind fängt euch auf!“
Zunächst ging es gemeinsam mit sechs anderen in die sogenannte Vorflugkammer, in der die, die gerade nicht flogen, warten mussten. Als ausgewiesener Angsthase, der auch niemals einen Fallschirmsprung machen würde, ließ ich den anderen den Vortritt und schaute mir erst einmal an, was mich erwartete. Ich war überrascht, wie gut sich die anderen Anfänger anstellten – innerlich stieg bei mir dadurch der Druck an. Ich war als Letzte dran. Mutigen Schrittes trat ich an die Verbindungsöffnung zum Windkanal.
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„Lasst euch einfach in den Kanal reinfallen, der Wind wird euch auffangen“, hatte Anna erklärt. Das tat ich auch. Mit vor der Brust gekreuzten Armen. Während ich im Fall langsam meine Arme öffnete und die zuvor besprochene Körperhaltung einnahm, merkte ich, welch starke Kräfte da auf meinen Körper wirkten. Es war extrem laut und ich bekam kaum Luft. Ich erinnerte mich daran, was Anna in der Einweisung zu uns gesagt hatte: „Luft holen nicht vergessen!“
Schon die kleinste Körperbewegung hat Auswirkungen
Das Schwerste war für mich, die Position zu halten. Schon die kleinste Bewegung eines Fußes, einer Hand oder meines Kopfes hatte sofortige Auswirkung darauf, ob ich hoch, runter, nach links oder rechts flog. Nach einiger Zeit fand ich heraus, dass sich mein Körper nach unten bewegte, wenn ich meinen Kopf hob. Senkte ich ihn, flog ich nach oben. Nach dem ersten Durchgang (eineinhalb Minuten, die mir wie zwei Stunden vorkamen) kribbelte mein Körper und ich zitterte, vor allem meine Beine.
Das unglaubliche Gefühl, zu schweben
Aus der Vorkammer sah ich einer anderen zu, die zusammen mit Anna 10 Meter in die Luft flog. Meine Höhenangst meldete sich zurück. Als ich noch einmal in die Kammer kam, wurde mir bewusst, dass gleich der Zeitpunkt kommen müsse, an dem ich an Höhe gewinnen würde. Anna legte sich über mich und dann ging es nach oben – für mich reichten schon ein paar Meter. Das Auf- und Abschweben war trotzdem ein unglaubliches Gefühl, das ich erst richtig wertschätzen konnte, als ich wieder Boden unter den Füßen hatte. Glücksgefühle pur.
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Mein Fazit
Ohne Frage – das Fliegen im Windkanal ist ein unglaubliches Erlebnis und für Menschen mit Höhenangst eine gute Möglichkeit, sich dieser zu stellen oder sie sogar zu überwinden. Ob der Flug im Tunnel tatsächlich mit einem Fallschirmsprung vergleichbar ist, kann ich nicht sagen. Der Preis ist allerdings schon sehr hoch: Für zwei Flüge à jeweils eineinhalb Minuten zahlt man zwischen 79 Euro (unter der Woche) und 99 Euro (am Wochenende). Es ist auch möglich, sechs- und neunminütige Flüge zu buchen. Das empfiehlt sich vor allem für erfahrenere Skydiver, da so ein Flug unglaublich anstrengend sein kann. Ich glaube, ich würde es wieder machen.