8. August 2023, 13:55 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Obwohl Jogging zu den effektivsten Ausdauersportarten gehört, lassen sich viele Menschen nicht dafür begeistern. Ein weiterer Nachteil: Es trainiert vorwiegend die Muskelausdauer und weniger die Kraft. Wer sowohl Ausdauer als auch Muskulatur stärken will, sollte „Rucking“ mal ausprobieren.
Manchmal muss man das Rad nicht neu erfinden, um etwas zu verbessern. So ähnlich verhält es sich mit dem Trendsport „Rucking“. Denn eigentlich handelt es sich hierbei um eine neue Variante eines bestehenden, sehr natürlichen Bewegungsablaufs: des Gehens und des Laufens. Sowohl das Gehen als auch das langsame Laufen sind bekanntermaßen ideal, um Körperfett zu verbrennen und die Kondition zu erhöhen. Allerdings haben beide Bewegungsabläufe keinen großen Einfluss auf den Muskelaufbau. Ganz im Gegenteil: Intensiver Ausdauersport verhindert eher den Aufbau von großer Muskelmasse. Und genau hier spielt das „Rucking“ seine Stärke aus, denn es steigert nicht nur die Ausdauer, sondern auch die Muskelkraft. FITBOOK hat alles Wissenswerte zu dem Trendsport zusammengetragen.
Übersicht
Was ist das Besondere am „Rucking“?
„Rucking“ ist ganz einfach erklärt. Dabei handelt es sich um das Gehen, Wandern oder Laufen mit einem Gewichtsrucksack. Das heißt, man beschwert den Rucksack bewusst mit Gewicht, um die Belastung beim Gehen oder Joggen zu erhöhen. Ein schwerer Rucksack auf dem Rücken erhöht die Trainingsintensität schon beim Gehen deutlich. Und somit ist es eine gute Alternative für Menschen, die nicht Joggen möchten oder aus gesundheitlichen Gründen nicht können.
Für Jogger und (Berg)-Wanderer wiederum steigt der Schwierigkeitsgrad mit einem schweren Rucksack auf dem Rücken enorm. So kann man beispielsweise die Trainingsdauer verkürzen, da man durch die höhere Intensität einen vergleichbaren Trainingseffekt in kürzerer Zeit erzielen kann. Zudem werden mit einem Gewichtsrucksack nicht mehr nur die Beine trainiert, sondern auch die Rumpfmuskulatur (Bauch und Rücken) sowie die Schultern.
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Woher kommt der Trendsport?
Das kilometerweite Tragen eines schweren Rucksacks beziehungsweise einer schweren Ausrüstung dürfte vielen Menschen bekannt vorkommen: Es ist eine bekannte Trainings- und Einsatzroutine beim Militär. Denn Soldaten müssen nicht nur kämpfen, sondern auch ihre schwere Kampfausrüstung oft kilometerweit tragen.1
Bei der Bundeswehr spricht man von einem Leistungsmarsch. Dabei müssen die Soldaten eine bestimmte Marschleistung innerhalb einer vorgegebenen Zeit erreichen. Das Gewicht der Ausrüstung, die getragen werden muss, beträgt mindestens 15 Kilogramm. Unter dieser Belastung müssen die Soldaten (je nach geforderter Stufe) folgenden Zeiten erreichen2:
- Stufe 1: 6 Kilometer in 60 Minuten
- Stufe 2: 9 Kilometer in 90 Minuten
- Stufe 3: 12 Kilometer in 120 Minuten
Bei diesen Belastungen gehen die Soldaten an ihre Grenzen und oft darüber hinaus. Wie gefährlich das sein kann, zeigt ein Fall aus dem Jahr 2017, bei dem ein junger Soldat bei solch einem Marsch ums Leben kam, während weitere Soldaten kollabierten.3 Wer mit dem „Rucking“ anfängt, sollte also zunächst mit geringem Gewicht und kurzen Strecken beginnen und sich langsam steigern.
Tipps der Redaktion
„„Als ehemalige Spitzensportlerin in der Sportfördergruppe der Bundeswehr habe ich ebenfalls an Märschen durchs bergige Gelände mit 20-Kilogramm-Rucksack teilgenommen. Zusätzlich mussten wir weitere schwere Ausrüstung wie Maschinengewehre und Magazine abwechselnd tragen. Es war unheimlich intensiv und brachte jeden von uns an die Grenzen – angefangen von der Atmung bis hin zu Kraft und Kraftausdauer. Am Abend spürten wir wirklich jeden einzelnen Muskel des Körpers. Eigentlich super, weil das für ein sehr effektives Training spricht. Allerdings muss ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass ein so hohes Gewicht und eine intensive Belastung für Anfänger und weniger gut Trainierte absolut ungeeignet sind. Reihenweise hatten Kameraden, die weniger fit waren, danach mit Knie-, Rücken- und Fußproblemen zu kämpfen, weil ihre Muskulatur nicht ausreichte, um das Gewicht sauber zu halten. Die Folge: Fehlbelastungen der Gelenke und der Wirbelsäule sowie Verletzungen. Nach sechs, sieben Kilometern im unwegsamen Gelände kam es häufiger zu umknickenden Sprunggelenken, weil Konzentration und Kraft nachließen – trotz Bergstiefel unter hohem Lastgewicht fatal! Deshalb die dringende Warnung: Bitte unbedingt langsam an Zusatzgewicht auf dem Rücken beim Wandern und Joggen gewöhnen, schrittweise Distanz bzw. Dauer erhöhen und erst dann ins Gelände oder auf Berge.““– Alexandra Grauvogl, Redaktionsleiterin FITBOOK
Welche Vorteile hat das „Rucking“ im Vergleich zum Gehen und Laufen?
Im Fitnessbereich hat sich schon vor Jahren der Trend etabliert, Gewichte an Hand- und Fußgelenken, als Gürtel oder Weste zu tragen. Sie dienen vorrangig dazu, den Kalorienverbrauch und somit die Fettverbrennung anzukurbeln. Durch das Beschweren des eigenen Körpers wird das Herz-Kreislauf-System stärker beansprucht und das erhöht wiederum den Kalorienverbrauch.
Somit ist auch das „Rucking“ wesentlich effektiver als Gehen und Laufen ohne ein zusätzliches Gewicht. Denn der schwere Rucksack auf dem Rücken sorgt für eine höhere Belastung des gesamten Körpers. Das sorgt nicht nur dafür, dass beispielsweise Beine und Gesäß stärker arbeiten müssen, sondern auch der Oberkörper. Insbesondere die Körpermitte – die sogenannte Core-Muskulatur – wird beansprucht, da sie für die Stabilität und die aufrechte Haltung wichtig ist. Beides wird beim Gehen oder Laufen mit einem Gewicht auf dem Rücken besonders gefordert.
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Studie untersuchte Trainingseffekt von „Rucking“
Die Wirksamkeit des „Ruckings“ untersuchte eine australische Studie aus dem Jahr 2019.4 Dabei absolvierten fünfzehn gesunde junge Männer mit einem Durchschnittsalter von 22,6 Jahren ein zehnwöchiges Trainingsprogramm. Neben gängigen Kraftübungen haben sie auch mit einem Lastenrucksack trainiert. Vor und nach dem Testzeitraum mussten sie eine Strecke von fünf Kilometern in einem Tempo von 5,5 km/h absolvieren, während sie dabei einen Rucksack mit 23 Kilogramm Gewicht trugen. Zudem wurde auch die Leistung bei Übungen wie Squat Jumps, Push-ups und Sit-ups gemessen.
Am Ende des Trainingsprogramms, das auch aus „Rucking“ bestand, haben sich alle Probanden deutlich verbessert. Besonders die empfundene Anstrengung beim 5-Kilometer-Lastentragen war deutlich geringer. Auch die Steigerung der Maximalkraft bei gesprungenen Kniebeugen, Push-ups und Sit-ups war signifikant, berichten die Forscher. Zudem verbesserte sich der Wert für die maximale Sauerstoffaufnahme der Probanden (VO2max), die ein Indikator für die Ausdauerfähigkeit ist.
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Welche Varianten gibt es beim „Rucking“?
Das „Rucking“ ist sowohl für Anfänger als auch für Fortgeschrittene gut geeignet. Denn jeder kann selbst das zu tragende Gewicht, das Bewegungstempo sowie Streckenprofil und Distanz bestimmen und variieren. Dabei gibt es drei grundlegende Varianten.
- „Rucking“ beim Gehen: Als Anfänger sollte man mit dem „Rucking“ beim Gehen auf einer ebenen Strecke anfangen. Also einfach etwas Gewicht (3 bis 5 Kilogramm) in den Rucksack packen und damit im schnellen Schritt gehen.
- „Rucking“ beim Wandern: Wer schon erste Erfahrungen mit dem „Rucking“ hat, kann damit auch ins hügelige Gelände oder in die Berge zum Wandern. Das Auf und Ab erhöht den Schwierigkeitsgrad deutlich.
- „Rucking“ beim Laufen: Fortgeschrittene mit guter Kondition können den Gewichtsrucksack oder eine Gewichtsweste auch beim langsamen Joggen nutzen. Damit wird die Intensität und Belastung deutlich erhöht. Leider auch für die Gelenke, Sehnen und Knochen. Deswegen ist hier Vorsicht geboten. Man sollte sich mit niedrigem Gewicht an die Belastung gewöhnen.
Das sollten Sie beim „Rucking“ beachten
Obwohl das „Rucking“ denkbar einfach ist, sollte man es damit langsam angehen. Denn ein zusätzliches Gewicht am eigenen Körper fordert nicht nur das Herz-Kreislauf-System, sondern beansprucht auch Muskulatur, Gelenke, Sehnen und Knochen. Wer noch gar keine Erfahrung hat, sollte auf folgende Punkte achten:
- Langsam anfangen und mit wenig Gewicht (3-5 Kilogramm), um sich an die Belastung zu gewöhnen
- Zu Beginn werden maximal 10 Prozent des eigenen Körpergewichts empfohlen und eine Strecke von maximal 2 Kilometern
- Gewicht und Distanz nach und nach steigern, um rund 10 bis 15 Prozent pro Woche
- Das maximale Gewicht sollte jedoch nicht mehr als 25 Prozent des eigenen Körpergewichts betragen
- Es ist wichtig, den Rucksack möglichst weit oben zwischen den Schulterblättern und sehr fest am Körper zu tragen. Das Gewicht darin sollte fixiert sein und nicht herumspringen – insbesondere beim Laufen.
- Beim „Rucking“ ist es wichtig, eine aufrechte Haltung zu haben
- Als Equipment sind spezielle Gewichtswesten ideal. Diese liegen sehr eng am Körper an und können unterschiedlich schwere Gewichtsplatten optimal aufnehmen.
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Quellen
- 1. ResearchGate: The History of the Soldier’s Load (aufgerufen am 2.8.2023)
- 2. Wikipedia: Leistungsmarsch (aufgerufen am 2.8.2023)
- 3. Zeit: Tod nach Bundeswehr-Marsch beschäftigt Staatsanwalt (aufgerufen am 2.8.2023)
- 4. Wills, J.A., Saxby, D.J., Glassbrook, D.J., et al. (2019). Load-Carriage Conditioning Elicits Task-Specific Physical and Psychophysical Improvements in Males. Journal of Strength and Conditioning Research.