28. November 2023, 20:39 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Sogenannte Recovery Boots massieren mithilfe von Luftdruckkammern die Beine, was die Regeneration beschleunigen soll. FITBOOK hat sich die Studienlage zur versprochenen Wirkung angeschaut und Reboots getestet.
Wer Profi-Sportlerinnen und Sportlern auf Social Media folgt, hat sie vermutlich schon des Öfteren gesehen: sogenannte Recovery Boots. Das sind diese dicken Kompressions-Stiefel bzw. -Hosen, die optisch an Raumfahreranzüge erinnern, in denen sich die Athleten nach einem anstrengenden Training oder Wettkampf auf der Couch entspannen. Das Tragen der Boots soll die Regeneration beschleunigen und somit dabei helfen, die Leistung zu steigern. Wie das funktionieren soll und ob es wissenschaftliche Belege gibt, lesen Sie hier. Außerdem hat FITBOOK das „Go Lite Pants“-Modell von Platzhirsch Reboots getestet und berichtet über die Erfahrung.
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Übersicht
Was sind Reboots und wie funktionieren sie?
Eine gute und vor allem schnelle Regeneration nach einem harten Training oder Wettkampf ist wichtig, um seine sportliche Leistung steigern zu können. Das ist vor allem für Leistungssportlerinnen und -sportler entscheidend, aber auch für ambitionierte Hobbyathleten interessant. Zu einer effektiven Erholung können unterschiedliche Faktoren beitragen – etwa lockeres Ausradeln und Stretching nach dem Workout, zügiges Auffüllen der Energiespeicher durch Proteine, Kohlenhydrate und weitere wichtige Nährstoffe, ausreichend Trinken, Massagen, Sauna oder ein Eisbad. Eine innovative Möglichkeit zur Regeneration sind Massagestrümpfe, auch bekannt als Recovery Boots. Die mechanische Massage dieser Boots soll zur leistungssteigernden Regenerationsphase beitragen.
Kompressions-Stiefel wie die Modelle von Reboots sollen – ähnlich wie Sportmassagen – Muskeln lockern und Abfallprodukte des Stoffwechsels abtransportieren, um das Entzündungsrisiko zu verringern oder die Regenerationszeit zu verkürzen. Recovery Boots bestehen aus verschiedenen Luftkammern und pumpen sich je nach Programm in unterschiedlichen Intervallen auf. Der dadurch erzeugte Druck fördert den Blutfluss, was dazu beitragen soll, dass Sauerstoff und Nährstoffe besser zu den Zellen und Geweben transportiert werden können. Je nach Gerät gibt es unterschiedliche Programme, die sich durch die Höhe des ausgeübten Drucks und die Art der Kammerbefüllung (sequenziell und wellenförmig) unterscheiden.
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Was Reboots bringen – das sagt die Studienlage
Im Fokus der Wissenschaft stand bislang die versprochene schnellere Regeneration und das Verhindern eines Muskelkaters durch Reboots. So analysierten bspw. Forscher in einer Studie aus dem Jahr 2013 nach einem sogenannten Wingate-Test – ein Ergometer-Test, bei dem 30 Sekunden maximal getreten wird, um die anaerobe Leistungsfähigkeit zu ermitteln – die Laktat-Entwicklung.1 Durch das Tragen der Recovery Boots konnte ein schnellerer Abbau der Milchsäure und somit eine schnellere Erholung nachgewiesen werden.
In einer 2020 veröffentlichten Studie führten 52 Basketball- und Handballspieler nach dem Wettkampf ein spezifisches Erholungsprotokoll durch, das Recovery Boots (IPC, kurz für „Intermittent Pneumatic Compression“) und Kaltwasseranwendungen (CWI, kurz für „Cold Water Immersion“) beinhaltete.2 Die Recovery Boots wurden für 20 Minuten aufgepumpt (sequenzieller Druck: 200 mmHg) und CWI wurde zwölf Minuten bei zwölf Grad angewendet. Dank dieser Kombination konnten die Sportler laut den Wissenschaftlern Erholung, Schmerzwahrnehmung und Hydratationsstatus während eines engen Wettkampfkalenders aufrechterhalten. Aufgrund der entzündungshemmenden und muskelerholenden Mechanismen kann IPC demnach auch bei der Behandlung eines verzögert einsetzenden Muskelkaters eingesetzt werden kann.
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Reboots-Erfahrung: FITBOOK hat Recovery-Boots getestet
Erfahrungsbericht Reboots, Teil 1
Schneller regeneriert? Schwer zu sagen
„„Nachdem ich vom Fitnessinfluencer über den Hobbyathleten bis hin zum Spitzensportler fast in jeder Kategorie schon mal jemanden in Reboots gesehen hatte, war ich sehr gespannt, ob sie tatsächlich auch Wirkung zeigen würden. Dafür habe ich mir an einem Wochenende ein recht intensives Workout auferlegt: Leg Extensions, Back Squats, Leg Curls, Wadenheber, Lunges etc. Ich wollte sicher gehen, dass ich die Einheit an den Tagen darauf in den Beinen spüren würde.Sowohl am Abend des Workouts als auch tags darauf habe ich die Reboots ausprobiert. Dabei habe ich zwei Programme gewählt: am Trainingstag „B-Intense“ und am Folgetag „A-Intense Flow“, beides für jeweils 30 Minuten.
Einmal drin in den Boots fühlten sich die Massagen überraschend gut an. Ich hatte tatsächlich das Gefühl, ordentlich durchgeknetet zu werden und etwas für die Durchblutung der Beine zu tun. Eine entspannende Wirkung während der Programme kann ich also bestätigen.
Aber haben die Reboots auch dazu beigetragen, dass ich mich schneller regeneriert gefühlt habe? Das ist schwierig zu beurteilen, da so viele sonstige Faktoren eine Rolle spielen können. Subjektiv betrachtet würde ich sagen: Die Reboots-Einheit hatte keinen merklichen Einfluss auf meine Regeneration und ich war genauso schnell oder langsam wieder fit für ein Workout wie ohne die Stiefel.
Mein Fazit: Die Massagen sind angenehm und tun nach einem intensiven Training gut, selbst wenn man nicht eine schnellere Regeneration erreichen sollte. In der Handhabung empfand ich die Reboots allerdings als etwas unpraktisch. Bis man alles zusammengebaut hat und endlich bereit ist, vergehen durchaus einige Minuten. Hinzu kommt, dass die Reboots Go Lite zwar ein geringes Gewicht suggerieren, sie aber dann doch so schwer sind, dass man sie nicht einfach so irgendwo mitnehmen würde. Insofern würde ich sagen: Für Menschen, die von ihrem Sport leben, können die Reboots ein interessantes und eventuell nützliches Gadget sein – Hobbysportler wie ich kommen aber sicher auch ohne durch ihr Trainingsprogramm.““– Nuno Alves, Chefredakteur
Erfahrungsbericht Reboots, Teil 2
Frische Beine nach dem Long Run
„„In den vergangenen Jahren bin ich schon öfter mit Reboots in Kontakt gekommen. Vor allem in meiner Lauf-Community sind sie sehr beliebt. Ein Grund mehr, warum ich sie gerne ausführlicher testen wollte. Und zwar nach einem 40-minütigem Kraftausdauer-Workout im Gym, welches mehrere Runden mit Übungen wie Lunges mit Sandsack, Rudern auf dem Rudergerät, Wallballs, Laufband, Farmer's Walk mit Kettlebells und das Ski-Ergometer umfasste. Und nach einem gut 2,5 Stunden langem Long Run in der Marathon-Vorbereitung.Nach dem jeweiligen Training habe ich mich kurz kalt abgeduscht und bin dann umgehend in die „Reboots Go Lite“-Pants geschlüpft. Die Handhabung – Reißverschlüsse passend einstellen, Kabel zwischen Luftdruckkammern und Gerät einstöpseln – empfand ich als sehr einfach und selbsterklärend. Ich habe mich für Programm „B-Intense“ entschieden. Mit der Stärke habe ich mich im Verlauf der Recovery-Session etwas gesteigert. Das Gefühl, wenn die Kammern den Kompressionsdruck auf die Oberschenkel, Waden und Füße aufbauen, ist ungewohnt. Aber man merkt sofort eine wohltuende Erleichterung, wenn der Druck sich wieder auflöst und die Luft aus den Kammern rauscht. Ich habe angenehmes Kribbeln in den Muskeln wahrgenommen. Am Gesäßmuskel fühlte es sich ähnlich wie eine Massage an.
Habe ich mich nach dem Training schneller erholt gefühlt? Nach dem Kraftausdauer-Training eher nicht – ob mit oder ohne Reboots macht da für mich keinen Unterschied. Eine deutlich schnellere Regeneration habe ich allerdings nach dem Long Run erfahren. Normalerweise sind meine Beine abends nach einem 25-Kilometer-Lauf schwer. Und auch ein bis zwei Tage später fühle ich mich noch nicht sonderlich frisch in den Beinen. Kein Muskelkater, aber man merkt eben, dass man was getan hat und die Spritzigkeit fehlt. Nach der Kompressions-Massage durch die Boots hatte ich allerdings erst gar kein Tief am Abend. Als hätten sich Laktat und sonstige Stoffe, die sich nach 2,5 Stunden laufen in den Beinen breit machen, bereits verflüchtigt. Bereits am folgenden Tag konnte ich mit der nächsten lockeren Einheit loslegen. Das kann natürlich auch von der Tagesform abhängig sein. Aber nach langen Läufen können Recovery Boots meiner Erfahrung nach sinnvoll sein.““– Alexandra Grauvogl, Redaktionsleiterin FITBOOK
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Was kosten Reboots und gibt es Alternativen?
Je nach Modell kosten Reboots zwischen 449 Euro (Go Lite Boots) und stolzen 2199 Euro (One Pro Pants). Letztere punkten durch mehrere, sich überlappende Kammern, die eine schnellere Massage ermöglichen, und weitere Zusatzfunktionen wie Personalisierbarkeit und smarte Steuerung. Ein massives Produkt, das wohl eher für den stationären Gebrauch – bspw. für Profi-Athleten im Trainingszentrum oder einer Rehabilitationsklinik – sinnvoll ist. Hobby-Sportlerinnen und-Sportler sind wohl mit den „Go“- bzw. „Go Lite“-Varianten ausreichend bedient.
Neben Reboots gibt es natürlich weitere Anbieter, die sich auf Tools zur Regeneration spezialisiert haben, und u. a. Recovery Boots anbieten. Darunter etwa Blackroll (Compression Boots für 499 Euro), Compex (Compex Ayre für 649 Euro) oder Pulsio (Pulsio Compression für 712 Euro).
Welche Preiskategorie sinnvoll ist, hängt stark von den individuellen Bedürfnissen ab. Ein Produktvergleich des Angebots eines Anbieters bzw. zwischen den Anbietern lohnt sich. Ebenso der Blick auf ein Preisvergleichsportal oder das Warten auf Rabattaktionen wie Black Week etc. Hier lassen sich häufig mehrere Hundert Euro sparen.
Quellen