25. Dezember 2023, 8:14 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Pilates am Reformer ist in den vergangenen Jahren zu einem Trendsport geworden – und zu einem lukrativen Geschäft. Zahlreiche Prominente besuchen die angesagten Boutique-Studios in Großstädten. Was genau steckt hinter Reformer-Pilates und wie sieht das Training aus? FITBOOK-Autorin Desireé Oostland trainiert seit einem Jahr am Reformer und teilt ihre Erfahrung.
Bevor wir mit meiner Reformer-Pilates Erfahrung anfangen, kurz zu meiner Sportgeschichte: Sport war schon immer Teil meines Lebens. Erst Taekwondo – bis ich meine Mutter weinend anflehte, mich abzumelden, weil mein ohnehin sensibler, pubertierender Körper, an den ich einen gelben Gürtel legen durfte, ständig gegen wesentlich erfahrenere Trägerinnen von braunen Gürteln kämpfen musste (ich spüre den Schmerz noch immer). Dann entdeckte ich durch meinen Sportlehrer Faustball für mich (kennt das noch jemand?). Und später, mit 15, lief ich mit dem Einverständnis meiner Eltern in das nächstbeste Fitnessstudio. Und dort blieb ich. Also nicht im gleichen Studio, aber bei dem gleichen Konzept: günstige Mitgliedschaft, lange Öffnungszeiten, laut scheppernde Gewichte und schreckliche Beleuchtung. Ich würde lügen, wenn ich sagen, dass ich dort gern hinging. Ich mochte aber immer, welche Auswirkungen der Sport auf meinen Körper, meine Gesundheit und meinem Kopf hatte. Doch später fand ich immer mehr Ausreden, um dem Studio zu entkommen. Stattdessen wählte ich lieber die Yoga-Stunde oder eine Pilates-Session – wenn überhaupt.
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Übersicht
Wie ich zum Reformer-Pilates kam
Im Sommer im vergangenen Jahr war ich wieder dabei, eine dieser Ausreden auszuleben, um nicht ins Fitnessstudio mit Kopfschmerz-verursachender Belichtung zu gehen. Da entdeckte ich bei Instagram eine Pilates-Abwandlung: den Reformer. Mich packte die Reformer-Lust sofort, das Trainingsgerät sah nach Spaß und Herausforderung aus. Ein wenig auch nach überteuerten Yoga-Klamotten und Gossip in den Umkleiden, aber ich wollte es dennoch ausprobieren. Also meldete ich mich für eine Probestunde an.
Heute bin ich absoluter Fan von diesem Gerät, dessen Optik sich schwer in Worte fassen lässt. Nach mehr als einem Jahr Training sehe ich viel Holz, viele Seile, viele Möglichkeiten des Widerstands und einen überdurchschnittlich intensiven Muskelkater, aber auch viel Freude, wenn ich mir den Reformer anschaue.
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So funktioniert Pilates am Reformer
Der Reformer ist ein Trainingsgerät, das Übungen in unterschiedlichen Positionen ermöglicht. Man kann einen Reformer im Stehen, Liegen, Sitzen, auf Knien, auf dem Bauch liegend oder seitlich nutzen. Über Seilzüge und Federn kann man den Widerstand einstellen, der sich anhand von farblichen Elementen bestimmen lässt. Manche Übungen erfordern einen geringeren Widerstand, während andere Übungen auf starken Widerstand aufbauen. Das Zentrum des Reformers ist eine Bank, die sich bewegen lässt. Darauf steht meist noch eine Box, die besonderes für Bauchübungen als Erhöhung sinnvoll ist. Vorn an der sogenannten „Footbar“ gibt es zudem bei vielen Geräten eine Schlaufe, unter die man die Füße schlängeln kann, um genügend Halt zu bekommen, wenn die Übung Balance und Stärke verlangt.
Das Training am Reformer bedient sich verschiedener fließender und kräftigender Yoga- und Pilates-Elemente und macht es durch die gegebenen Bestandteile noch effektiver. Auch klassischen Sit-ups und Kniebeugen lassen sich mit Widerstand auf dem Reformer ausführen und machen diese Übungen zu einer zittrigen Angelegenheit.
Wie beim Pilates auf der Matte steht auch beim Reformer die Aktivierung und Stärkung der Körpermitte, der tieferliegenden Rumpf- und Beckenbodenmuskulatur, im Vordergrund. Dabei werden die Muskeln stabilisiert und die Beweglichkeit trainiert. Das Training gilt als besonderes effektiv, weil sich damit der Körper nicht nur gesamtheitlich mobilisieren und stärken lässt, sondern der Reformer auch ermöglicht, einzelne Muskelpartien ganz gezielt aufzubauen.
Meine erste Reformer-Stunde
Zurück zu meiner ersten Reformer-Pilates-Stunde. Mit den empfohlenen Stoppersocken – oder „Anti-Rutsch-Socken“, wie man sie jetzt als Erwachsene nennt – komme ich ins Pilates-Studio und bekomme einen Reformer zugewiesen. Ich setze mich noch etwas unbedarft auf die Box, die auf dem Reformer steht. Ein Kurs findet meist mit vier bis neun Trainierenden statt (je nach Größe des Studios). So haben die Trainer im Blick, ob alle Trainierenden die Übungen auch richtig ausführen, denn die richtige Technik ist hier entscheidend. Fehler in der Haltung und Ausführung können Verletzungen hervorrufen. Es geht um Balance und vor allem um Kraft und Stabilität. Die Trainerin erklärt währenddessen einem anderen Neuling: „Der Reformer ist für alle wunderbar, außer natürlich bei komplizierten oder akuten Verletzungen oder Schmerzen!“ Und dann geht es schon los:
Die sportliche Überheblichkeit, mit der ich in dieses Studio stolziert bin – ganz der Meinung, mir würde dieses Gerät nichts anhaben können – verflog peinlich schnell. Schon beim Aufwärmen genau genommen, denn durch das Springen und die Arbeit mit Widerstandsstufen, war ich nach fünf Minuten bereits völlig neben der Spur.
Dennoch hat es einen solchen Spaß gemacht, dass ich währenddessen schon wusste, dass ich zurückkomme. Das Training ist jedenfalls viel, viel, viel anstrengender, als man meinen mag. Zwei Stunden nach meiner ersten Stunde spürte ich einen Muskelkater an den unmöglichsten Stellen meines Körpers. Und auch heute, nach ungefähr 50 Stunden, spüre ich ihn noch. Allerdings überwiegt die Freude am Training und am Ergebnis deutlich.
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Was ich heute sagen kann
Was mir besonders viel Spaß am Reformer-Pilates macht, sind folgende Punkte:
- Die kleinen Gruppen: Manchmal fühlt sich das Training wie bei einem Personal Training an. Man bekommt sehr viel Wissen und Input – auch über den eigenen Körper – vermittelt.
- Dann sind es die vielfältigen Möglichkeiten, die man durch einen Reformer im Training bekommt: Die Seile mit Schlaufen, durch die man Arme oder Beine schlingen kann, und die verschiedenen Intensitäten, mit denen man arbeiten kann. Diese Variationen sind sehr herausfordernd.
- Ich mag die Atmosphäre in den Studios, das Körpergefühl und die Verbesserungen in meiner Körperhaltung, die ich deutlich merke. Man merkt beim Training förmlich, welcher Muskel gerade beansprucht wird und man merkt auch Muskeln, von deren Existenz man bis dato keine Ahnung hatte (immer ein gutes Zeichen beim Sport).
Das macht der Reformer mit dem Körper
„Nach zehn Stunden fühlen Sie den Unterschied, nach 20 Stunden sehen Sie den Unterschied, und nach 30 Stunden haben Sie einen neuen Körper“, sagte schon Joe Pilates. Und der sollte es wissen. Ich kann das definitiv bestätigen. Nach all den Jahren im Fitnessstudio bemerkte ich, dass es für mich persönlich vollkommen ausreichend ist, ein- bis zweimal die Woche in das Studio zu gehen, um den Spaß zu behalten. Als Ausgleich besuche ich zweimal die Woche ein Pilates-Reformer-Studio und sehe dort Ergebnisse, auch an meinem Körper, die ich vorher nie erzielen konnte, obwohl ich viel mehr trainierte. Wahrscheinlich passen wir einfach besser zusammen.
Oft unterschätzt, aber sehr effektiv Was ist eigentlich Reformer-Pilates?
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Wo kann man Reformer-Pilates machen?
Mittlerweile bieten größere Fitnessstudio-Ketten und kleine spezialisierte Gyms vor allem in Großstädten Reformer-Pilates-Kurse an. Zugegeben: Pilates am Reformer kann ziemlich kostspielig sein. Die Stunden gehen in der Regel von 40 Minuten bis hin zu 1,5 Stunden. Für ein Gruppentraining liegt der Preis pro Session bei ca. 25 Euro, Einzelstunden kosten etwa 80 bis 90 Euro. Daher empfiehlt es sich, verschiedene Angebote zu vergleichen.
Wer über einen eigenen Reformer nachdenkt, sollte bedenken, dass die Geräte nicht besonders platzsparend (ca. 2,5 Meter lang und 60 cm breit) und recht teuer sind. Je nach Fabrikat und Zubehör muss man mit ca. 5000 Euro rechnen.