17. August 2020, 12:03 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Wussten Sie, dass hinter Höhentraining dasselbe Prinzip steckt wie bei Doping mit EPO? Wie diese Trainingsmethode genau funktioniert und warum auch Hobbysportler davon profitieren können, hat FITBOOK bei einem Experten für Höhenforschung in Erfahrung gebracht.
Höhentraining wird auch als natürliches Blutdoping bezeichnet, weil der zugrunde liegende Wirkmechanismus in beiden Fällen derselbe ist. FITBOOK hat sich die Trainingsmethode von Dr. Stephan Pramsohler vom Hermann Buhl Institut für Hypoxie (Höhenforschung) erklären lassen.
Wie funktioniert Höhentraining?
„Ab einer Höhe von etwa 2000 bis 2500 Metern herrscht ein geringerer Luftdruck vor. Als Folge nimmt der Sauerstoffpartialdruck im Körper ab und die Konzentration von Sauerstoff im Blut reduziert sich“, erklärt der Sportmediziner gegenüber FITBOOK. Diesen – eigentlich negativen – Rahmenbedingungen versuche der Körper mit mehreren Anpassungsmechanismen entgegenzuwirken.
Herrscht im Blut Sauerstoffmangel, bildet die Niere vermehrt Erythropoetin (besser bekannt als EPO) und als Folge auch mehr Hämoglobin und rote Blutkörperchen (Erythrozyten). Zusammengenommen mit einer besseren Durchblutung der Muskulatur sorgen diese Mechanismen dafür, dass sich der Sauerstofftransport im Blut verbessert.
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Ab wann setzt der Effekt ein und wie lange hält er an?
Der Unterschied zu verbotenem Doping (Einnahme von EPO-Tabletten, Eigenblutdoping) im Hinblick auf Wettkämpfe: In den Bergen hält der Effekt der natürlichen Anpassung an die Sauerstoffknappheit vergleichsweise kurz an. Der Höhentrainings-Experte beziffert ihn auf mehrere Wochen.
Laut Stephan Pramsohler ist ein ziemlicher großer Trainingsaufwand notwendig, damit der Effekt des verbesserten Sauerstofftransports überhaupt auftritt. Mindestens 15 Stunden Training über einen Zeitraum von drei Wochen gelten als Minimum, damit der Körper ausreichend rote Blutkörperchen produziert, um die Ausdauerleistung merklich zu verbessern, so der Experte.
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Profitiert jeder Sportler von Höhentraining?
Ein weiteres Thema seien Anpassungsschwierigkeiten beim Höhentraining: Im Hochgebirge muss der Körper deutlich härter arbeiten, um die gleiche Leistung wie im Flachland abrufen zu können (daher auch die schnellere Atmung und der erhöhte Puls). Viele Sportler würden daher berichten, dass sie sich schlapp und wenig leistungsstark fühlen.
Dass an diesem Gefühl etwas dran ist, das hat eine Auswertung mehrerer Studien ergeben. Fazit der Forscher: Ja, die Leistung beim Ausdauertraining in den Bergen nimmt ab – und zwar schon minimal ab einer Höhe von 600 bis 800 Metern! Ab 1000 Metern seien Einbußen von zwei bis vier Prozent zu erwarten, ab 2000 Metern dann von mindestens vier Prozent. Aber wie passt diese negative Auswirkung mit der erhofften Leistungssteigerung zusammen?
„Weniger effektiv als angenommen“
Sportwissenschaftler Stephan Pramsohler sieht die aktuelle Studienlage über das Höhentraining als nicht sonderlich überzeugend an – zumindest, wenn es um die Leistungssteigerung für Sportler gehe: „Physiologisch vorteilhafte Anpassungen beim Sauerstofftransport finden zwar statt, gleichzeitig sind die Sportler aber nicht in der Lage, die maximale Intensität beim Training abzurufen. Diese beiden Effekte scheinen sich zu neutralisieren, weshalb die Methode unterm Strich weniger effektiv ist, als vor einigen Jahren noch angenommen.“
Hypoxie-Training im Fitnessstudio
Um in den Genuss der positiven Effekte von Höhentraining zu kommen, muss man nicht mehr zwangsläufig ins Hochgebirge aufbrechen. Mittlerweile wird in den meisten großen Städten Training bei Sauerstoffknappheit (Fachbegriff: Hypoxie-Training) angeboten. Hierbei wird in abgedichteten Räumen gezielt Stickstoff zugeführt, wodurch der prozentuale Sauerstoffanteil absinkt und die zuvor beschriebenen Anpassungen beim Sauerstofftransport stattfinden. Ebenfalls nach demselben Prinzip operieren bestimmte Hypoxie-Masken. Wer hauptsächlich Krafttraining macht, sollte diese übrigens eher nicht tragen.
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Hobby-Bergsteiger sollten sich natürlich akklimatisieren
Ein solches Training soll den Körper schon zu Hause auf die erhöhte Belastung bei anspruchsvollen Bergtouren vorbereiten. Dadurch sei man nicht nur fitter beim Wandern, sondern reduziere vor allem das Risiko der gefährlichen Höhenkrankheit. Denn: Ausreichende körperliche Vorbereitung und Akklimatisierung, wie sie von professionellen Alpinisten in der Regel betrieben wird, kommt bei Hobby-Bergsteigern häufig zu kurz. Darunter leidet dann nicht nur die Fitness, sondern es steigt auch die Gefahr für die gefürchtete Höhenkrankheit. Und die kann im schlimmsten Fall sogar tödlich verlaufen.
Wichtig zu wissen für Wanderer und Hobby-Bergsteiger: Kein Studio und kein Gerät kann eine natürliche Akklimatisierung vor Ort gleichwertig ersetzen.