13. Oktober 2023, 13:57 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Wer beim Krafttraining das Muskelwachstum maximieren will, der sollte viele Aspekte bei der Ausführung beachten. Ein Punkt lautet: das richtige Tempo bei der Ausführung. Doch was ist eigentlich effektiver – eine schnelle oder eine langsame Ausführung der Übungen? FITBOOK hat nachgeforscht und Sportwissenschaftler Jörn Giersberg gefragt.
Wer erfolgreich mit Krafttraining betreiben will, der muss viele Aspekte des Muskelaufbaus beachten. Das fängt bei der richtigen Ernährung mit ausreichend Eiweiß an und endet bei der regelmäßigen, disziplinierten Ausführung des Trainingsplans. Doch dazwischen gibt es ein breites Spektrum an weiteren Einflüssen, die eine entscheidende Rolle beim Muskelwachstum spielen. Wer regelmäßig ins Fitnessstudio geht, der beobachtet meistens zwei Typen von Kraftsportlern: Die einen führen ihre Übungen bewusst langsam und sehr fokussiert aus, die anderen sehr schnell und energiegeladen. Doch welche Methode ist eigentlich erfolgreicher: Sind schnelle oder langsame Wiederholungen besser für den Muskelaufbau? Laut Studien gibt es einen klaren Favoriten.
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Übersicht
Konzentrische Phase vs. exzentrische Phase
Von einer langsamen Ausführung kann man sprechen, wenn mehr als fünf Sekunden für den gesamten Bewegungsablauf einer Übung benötigt werden. Dabei unterscheidet man zwischen der konzentrischen und der exzentrischen Phase. In der konzentrischen Phase wird der Muskel durch die Bewegung eines Gewichts angespannt, in der exzentrischen Phase wird der Muskel wieder entspannt und das Gewicht in die Ausgangsposition bewegt. Meist fällt die exzentrische Phase deutlich leichter, da man hier einfach der Schwerkraft nachgibt und das Gewicht kontrolliert „fallen lässt“. Aber schauen wir uns zunächst die theoretischen Vorteile der jeweiligen Methode an.
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Vor- und Nachteile von langsamen Wiederholungen
Der große (theoretische) Vorteil bei der langsamen Ausführung von Wiederholungen liegt darin, dass der Muskel über einen längeren Zeitraum angespannt bleibt. Je länger die Anspannung, desto intensiver der Reiz auf den Muskel. Das müsste zumindest in der Theorie ein besseres Muskelwachstum bewirken. Zudem werden die Bewegungen meist sehr konzentriert und dadurch sauber ausgeführt, wodurch Fehler und Verletzungen vermieden werden.
Der Nachteil dabei: Sehr schwere Gewichte lassen sich kaum über mehrere Sekunden bewegen und halten. Doch gerade diese regen besonders gutes Muskelwachstum an. Zudem lässt sich bei Sportlern, die viel Zeit unter Muskelanspannung verbringen (z. B. Balletttänzer und Kletterer) beobachten, dass sie eher sehnige und fettfreie Körper entwickeln.
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Vor- und Nachteile von schnellen Wiederholungen
Schnelle Wiederholungen haben zwei wesentliche Vorteile: Zum einen kann man deutlich mehr Wiederholungen ausführen. Und zum anderen kann man auch viel mehr Gewicht bewegen, wenn man energiegeladen mit Schwung und Schnelligkeit arbeitet. Bei Sportlern, die mit Schnelligkeit und hohem Gewicht bzw. Widerstand arbeiten (z. B. Springer, Boxer, Gewichtheber) lassen sich auch eher massige Muskelkörper beobachten.
Der Nachteil dabei: Bei schneller Ausführung mit hohen Gewichten ist die Verletzungsgefahr besonders hoch. Daher ist das Aufwärmen der Muskeln besonders wichtig. Es kommt aber auch auf die korrekte Ausführung an, da sonst Sehnen, Muskelfasern oder Gelenke geschädigt werden.
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Sind nun schnelle oder langsame Wiederholungen besser für den Muskelaufbau?
Schaut man sich die Studienlage dazu an, dann gibt es einen klaren Sieger. Denn obwohl die Zeit unter Spannung bei einer schnellen Ausführung kurz ist, wirkt es sich nicht störend auf das Muskelwachstum aus. Dies zeigt eine Studie aus dem Jahr 2012.1 Dabei wurden 34 untrainierte Frauen einem sechswöchigen Krafttraining unterzogen. Sie wurden in vier Gruppen unterteilt:
- Gruppe 1: Langsame Wiederholungen mit einer Intensität von 40 bis 60 Prozent
- Gruppe 2: Normale bis schnelle Wiederholungen mit einer Intensität von 40 bis 60 Prozent der Maximalkraft
- Gruppe 3: Normale bis schnelle Wiederholungen mit einer Intensität von 80 bis 85 Prozent der Maximalkraft
- Gruppe 4: Kontrollgruppe, die nicht an dem Trainingsprogramm teilnahm
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Frauen in der Gruppe 1 führten die Bewegungen 10 Sekunden lang konzentrisch und 4 Sekunden lang exzentrisch aus – also sehr langsam. Frauen in Gruppe 2 und 3 führten die Bewegungen normal bis schnell aus mit 1 bis 2 Sekunden in der konzentrischen und 1 bis 2 Sekunden in der exzentrischen Phase. Obwohl die langsamen Gruppen eine fast fünffach längere Zeit unter Muskelanspannung verbrachten, nahm die Größe des Quadrizeps (vierköpfiger Oberschenkelmuskel) nur um elf Prozent zu im Vergleich zu Kontrollgruppe. Bei Frauen, die schnell und mit hoher Intensität trainierten, wuchs der Quadrizeps um 39 Prozent im Vergleich zur Kontrollgruppe. Ein deutliches Indiz dafür, das hohe Gewichte mit schnellen Wiederholungen besser für den Muskelaufbau sind als langsame Wiederholungen mit niedrigen Gewichten.
So schnell sollten die Wiederholungen sein
Aber wie schnell sollten die Wiederholungen im Idealfall sein, um bestmöglichen Muskelaufbau zu gewährleisten? Auch dazu liefert eine andere Meta-Studie aus dem Jahr 2015 Antworten.2 Dabei haben die verantwortlichen Forscher insgesamt acht Studien ausgewertet, die sich mit der Wiederholungsdauer und dem Muskelwachstum beschäftigten. Ihre Erkenntnis: Es gibt ein relativ großes Fenster für das richtige Tempo bei den Wiederholungen. Dieses liegt zwischen 0,5 Sekunden bis 8 Sekunden. Als ideal für den gesamten Bewegungsablauf wird ein Zeitraum zwischen zwei und sechs Sekunden angesehen. Wer jedoch näher an den zwei Sekunden trainiert, kann höhere Gewichte bewegen und hat entsprechend einen höheren Boost beim Muskelaufbau.
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Exzentrische Phase wichtig für Muskelaufbau
Neben dem Tempo der Wiederholungen gibt es aber noch einen anderen Aspekt bei der Ausführung, den man nicht vernachlässigen sollte. Wie eine Studie aus dem Jahr 2017 zeigt, spielt auch die exzentrische Phase beim Muskelaufbau eine wichtige Rolle.3 Man sollte das Gewicht also nicht dank der Erdanziehungskraft fallen lassen, sondern kontrolliert unter Muskelanspannung in die Ausgangsposition bewegen. Damit nutzt man die exzentrische Phase zusätzlich zum Muskelaufbau, anstatt die Muskeln bloß zu entspannen.
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Das sagt der Fitnessexperte zu schnellen vs. langsamen Wiederholungen
Die Meinung des Sportwissenschaftlers und Personaltrainers Jörn Giersberg ist eindeutig: „Man kann auf jeden Fall sagen, dass eine schnelle und explosive Ausführung der Übungen strategisch besser ist“, so der Fitnessexperte. Das bedeute zwar nicht, dass man nicht auch mal mit langsamen Ausführungen trainieren könne. „Aber der Hauptvorteil, wenn man die Bewegung zügig ausführt, ist, dass man deutlich mehr Last bewegen kann. Und mehr Last ist immer wichtig, um mehr Muskeln aufzubauen“, erklärt der Sportwissenschaftler.
Laut ihm haben die meisten Kraftsportler und Athleten ein hohes Leistungslevel mit hohen Lasten beispielsweise im Bankdrücken, bei Kniebeugen, Klimmzügen und anderen Grundübungen erreicht. „Sie hätten ihre Muskeln nicht entwickeln können, wenn sie nur langsame Ausführungen gemacht hätten. Denn je langsamer die Ausführung, desto leichter muss das Gewicht sein“, erklärt Jörn Giersberg den Zusammenhang.
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Dennoch: Aber in diesem Fall sei es gut, wenn man bei der Übungsausführung variiert. Und es gebe durchaus Techniken, bei denen man bewusst sehr langsame Bewegungen macht. „Das hat auch Auswirkungen auf die unterschiedlichen Muskeltypen. Es gibt langsam zuckende und schnell zuckende Muskelfasern. Und wenn man das Tempo variiert, kann man auch unterschiedliche Muskelfasern ansprechen und so wieder neue Reize auslösen“, sagt der Fitnessexperte.
Insofern spricht nichts dagegen, auch mal langsame Wiederholungen auszuführen, um den Muskelaufbau zu stimulieren. Grundsätzlich sind aber eher schneller Wiederholungen mit hoher Last effektiver.
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Quellen
- 1. Schuenke, M.D., Herman, J.R., Gliders, R.M., et al. (2012). Early-phase muscular adaptations in response to slow-speed versus traditional resistance-training regimens. European Journal of Applied Physiology.
- 2. Schoenfeld, B.J., Ogborn, D.I., Krieger, J.W. et al. (2015). Effect of repetition duration during resistance training on muscle hypertrophy: a systematic review and meta-analysis. Sports Medicine.
- 3. Schoenfeld, B.J, Ogborn, D.I., Vigotsky, A.D., et al. (2017). Hypertrophic Effects of Concentric vs. Eccentric Muscle Actions: A Systematic Review and Meta-analysis. Journal of Strength and Conditioning Research.