25. August 2020, 6:31 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Wer schon einmal gut in Form war und dann eine Weile pausiert hat, der kommt beim nächsten Fitness-Anlauf einfacher zurück ins Training – so die Bedeutung des Begriffs „Muscle Memory“ (z.Dt. „Muskelgedächtnis“). FITBOOK hat mit einem Experten darüber gesprochen, was da im Körper eigentlich passiert.
Muskeln, die man eine Weile nicht gefordert hat, bauen bekanntlich schnell wieder ab. Dabei gibt es aber auch eine gute Nachricht: Ähnlich flink können sie wieder aufgebaut werden, ist die Trainingspause erst mal überwunden. Dieser Effekt, „Muscle Memory“ genannt, ist Fitnessfreaks und Sportwissenschaftlern schon länger ein Begriff. Der Erklärung dafür liegen unterschiedliche Theorien zugrunde.
Wie können Muskeln sich „erinnern“?
Wissenschaftler der britischen Universität in Keele sind der physiologischen Erklärung für den „Muscle Memory“-Effekt auf den Grund gegangen. Genauer gesagt: Sie haben im Rahmen ihrer Untersuchung bei acht männlichen Probanden die Wachstumsprozesse in den Muskeln kontrolliert, ihre Kraftentwicklung gemessen und auch Gewebsproben genommen. Die im Fachmagazin „Nature.com“ veröffentlichte Studie aus dem Jahr 2018 lief über einen Zeitraum von insgesamt 21 Wochen.
In den ersten sieben Wochen absolvierten die Teilnehmer einen durch die Forscher entwickelten Trainingsplan. Darauf folgte eine siebenwöchige Pausephase, bevor das Programm wieder für sieben Wochen aufgenommen wurde. Die Auswertung ihrer Messungen und Untersuchungen zeigte: Die Probanden haben in der dritten Studienphase doppelt so schnell Muskelmasse und Stärke entwickelt wie in den ersten sieben Trainingswochen.
Nach dem Abgleich aller Daten erkannten die Forscher, dass die Muskelerinnerung „epigenetische Veränderung der Erbsubstanz“ bewirkt hatte. Was das genau bedeutet, wollten wir von einem Experten wissen.
Fitnessprofessor glaubt an DNA-Veränderung
FITBOOK hat bei Prof. Dr. Stephan Geisler, Professor für Fitness und Gesundheit an der IST-Hochschule in Düsseldorf und Dozent für Olympisches Gewichtheben an der Deutschen Sporthochschule Köln, nachgefragt. Er kennt die „sehr komplexe Studie“ und erklärt uns, dass ihr zufolge auch diejenigen von „Muscle Memory“ profitieren können, die normalerweise nur langsam Muskeln aufbauen. Die Kraft der Muskelerinnerung sei stärker als die genetische Veranlagung. „Das hat man in der Studie mit verschiedenen Methylierungen der DNA nachgewiesen“, weiß er. Heißt: Durch ihr früheres Training sollen sich bei den Probanden die Grundbausteine der Erbsubstanz in ihrer chemischen Zusammensetzung geändert haben.
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„Muscle Memory“ verändert das Muskelinnere
„Eine weitere Erklärung für den ‚Muscle Memory‘-Effekt geht über die Nukleotide im Muskel“, erklärt der Fitnessprofessor, also über die Zellkerne. Dabei bezieht sich Prof. Stephan Geisler sich auf eine Studie aus Norwegen, der zufolge sich die Zellkerne im Muskeln vermehren lassen, wenn man schon viel und lange Krafttraining gemacht hat. Und logisch: Je mehr Zellkerne im Muskeln vorhanden sind und auf die Trainingsreize reagieren könnten, desto mehr Muskelwachstum.
Auch die neurophysiologische Ebene sei nicht zu vergessen, erklärt Prof. Geisler, genauer gesagt: die Ansprache der Muskulatur. „Wenn eine Bewegung gelernt und häufig umgesetzt wurde, wissen die Nerven, wie sie den Muskel ansteuern müssen“, erklärt er uns. „Dadurch ist man schneller wieder in der Sportart ‚drin‘.“ Deshalb hält der Experte eine Kombination aus allen drei Erklärungsansätzen für realistisch.
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Fazit
Sollten Sie freiwillig oder unfreiwillig – etwa aufgrund einer Verletzung – eine Trainingspause einlegen (müssen): Danach mit dem Training wieder anzufangen lohnt sich auf jeden Fall. Der Muskel erinnert sich an alles und verhilft schnell wieder zur alten Form. Da bekommt Gedächtnistraining eine völlig neue Bedeutung…