20. August 2024, 11:07 Uhr | Lesezeit: 11 Minuten
Nicht nur bei offiziellen Wettkämpfen und unter Jugendlichen in Großstädten erfreut sich Breaking großer Beliebtheit, wie zuletzt das viral gegangene Olympia-Video der Australierin Rachael Gunn zeigte. Ihre einzigartigen Moves machten sie bei den Olympischen Spielen in Paris über Nacht zum Internetphänomen. Schnelle, gleitende Bewegungen über den Boden, ein Handstand hier, eine Drehung auf dem Kopf da – Breaking gehört mit seinen Moves zu den außergewöhnlichsten Tanzarten. FITBOOK erklärt, was sich hinter der Tanzform verbirgt und welche Moves man können muss, um Breaking zu meistern.
Breaking ist viel mehr als nur ein Tanzstil: Durch ihn sind Tänzer in der Lage, ihre eigene Identität mit ihren Bewegungsabfolgen auszudrücken. Zusätzlich verbindet diese Tanzart Rhythmus, akrobatische Elemente und das Tanzen – und zählt somit auch zu den anspruchsvollen Arten. Dennoch kann man Breaking in jedem Alter erlernen und seinen Stil mit verschiedenen Moves stets weiterentwickeln. Mit dem Experten Hai Duy Pham, der auch unter dem Namen „B-Boy Eddie“ bekannt ist und in Samuel´s Dance Hall (einer Tanzschule für urbane Stile in Berlin) Breaking unterrichtet, hat FITBOOK über die Vorteile des Tanzstils gesprochen.
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Übersicht
Breaking und Breakdance – was ist der Unterschied?
Tatsächlich ist es so, dass beide Begriffe eigentlich dasselbe meinen. Die Tänzer und Tänzerinnen der Tanzform (auch B-Boys oder B-Girls genannt) nutzen allerdings die Bezeichnung „Breaker“, da sie geschlechtsneutral und anders als „Breakdancer“ nicht von den Medien geprägt ist. Gerade in der Anfangszeit der Tanzart war hauptsächlich von „Breaking“ die Rede. Und auch bei den Olympischen Spielen in Paris 2024 trug die Sportart diesen Namen.1
Die Bewegungen mögen auf den ersten Blick einfach wirken, erfordern aber neben einer hohen Disziplin auch eine Vielzahl an athletischen Fähigkeiten. Immerhin würde man Drehungen auf dem Kopf oder Bewegungen, die in ihrer Position für einige Sekunden eingefroren werden, nicht einfach ohne Kraft oder Koordination halten können.
Innerhalb der Breaking-Kultur kommt es nicht auf das Geschlecht oder Alter an. Vielmehr geht es darum, seine eigenen Elemente in den Tanz zu bringen und sich mit den Menschen innerhalb der Gemeinschaft spielerisch zu messen.
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Herkunft der Tanzform
Die Geschichte des Breaking beginnt auf den Straßen New Yorks. Genauer gesagt in der Bronx – wo in den 1970er-Jahren sogenannte „Tanzbattles“ stattfanden. In diesen traten Jugendliche – meist mit afro- oder lateinamerikanischen Wurzeln – gegeneinander an. Es wurde zu unterschiedlicher Musik wie Funk, Hip-Hop oder Pop getanzt und das Können gemessen. Neben der kreativen Entfaltung stellte Breaking aber auch eine Möglichkeit dar, sich von der Armut im Stadtteil abzulenken. Gerade in den 1970er-Jahren war dieser nämlich von Gewalt, Arbeitslosigkeit und Kriminalität geprägt.
Berichten zufolge soll eine Gruppe von Jugendlichen aus der Gegend auf die Idee gekommen sein, einen Tanz (damals noch B-Boying genannt) einzuführen, um Konflikte sozusagen auf der Tanzfläche auszutragen. So sollte von ihm bei Territorialstreitigkeiten zwischen unterschiedlichen Streetgangs Gebrauch gemacht werden – mit dem Ziel, zu verhindern, dass jemand verletzt wurde. Derjenige, der den eindrucksvollsten Tanz lieferte, soll damals die Entscheidungsmacht über die Gebiete erhalten haben. Eine schöne Vorstellung, die jedoch bisher nicht belegt werden konnte.2
Erfinder des Breaking
Zu den Wegbereitern des „Breakdance“ gehört DJ Kool Herc: Er veranstaltete Nachbarschaftspartys, wobei er mit seiner Musik die Leute auf die Tanzfläche lockte. Beim sogenannten „Break“ der Tracks verfielen die Tänzer dann plötzlich in dynamischere, energievolle Bewegungen. Mit dem Break ist der Teil eines Songs gemeint, bei dem alle Instrumente aussetzen und nur die Percussion – also die Schlag- und Effektinstrumente – zu hören sind. Dj Kool Herc perfektionierte es, durch eine Technik auf zwei Plattenspielern den Break zu verlängern, wodurch die Tänzer mehr Zeit für ihre Moves – also das „Breaking“ – hatten.
Heutzutage stellt „Breaking“ eine beliebte Sportart dar, die man nicht nur als Fan von Hip-Hop ausübt, sondern auch, um an seiner Körperkontrolle und Fitness zu arbeiten, wie man es von anderen Sportarten wie Capoeira oder Zumba kennt.
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Unterscheidung von Begrifflichkeiten im Breaking
Streetdance
Streetdance ist kein einzelner Tanzstil, sondern fungiert als eine Art Oberbegriff für unterschiedliche Tanzstile, die aus Improvisationen auf der Straße entstanden sind. Derartige Tänze konnten sowohl als eine Art der Kommunikation genutzt als auch in einem Battle (Kampf) eingesetzt werden. Streetdance wird häufig zu schnellen Rhythmen getanzt, wobei eine Melodie nicht immer direkt erkennbar ist.3 Zudem verkörpert Streetdance eine der vier Säulen der Hip-Hop-Kultur.
Häufige Streetdance-Stile sind:
- Breaking
- Popping
- Locking
- Krumping
- House
- Voguing
- Waacking
Streng genommen zählen die letzten drei Stile nicht unbedingt zu Streetdance, da sie ihre Ursprünge nicht auf der Straße, sondern im Club haben. Einige Verfechter sind daher auch für eine Trennung der genannten Stile.4
Hip-Hop
Auch Hip-Hop kann nicht nur als Tanzstil oder Musikgenre zusammengefasst werden, sondern als eine ganze kulturelle Bewegung. Dabei besteht sie aus drei Bereichen: Breaking (oder Breakdance), Rap und Graffiti, die jungen und von der Kultur ausgegrenzten Menschen eine Stimme gegeben haben. Im Sinne der afroamerikanischen Musikkultur schuf Hip-Hop eine Ausdrucksform, die starken Einfluss auf die Lebenseinstellung der Menschen hatte.5
Elemente des Breaking
Die Auswahl der Crew
Oft ist es so, dass sich B-Boys und B-Girls zu einem Team (auch Crew genannt) zusammenschließen und dann unter einem gemeinsamen Namen auftreten. Für gewöhnlich handelt es sich dabei um Menschen aus derselben Region. Allerdings ist es auch möglich, dass sich Tanzfreudige aus der ganzen Welt zu einer Crew zusammenfinden können. Als Teammitglied ist man mit der Crew, die man sich aussucht, durch offizielle Zugehörigkeit verbunden. Bedeutet: Man trainiert zusammen, unterstützt einander und tritt auch gemeinsam bei Wettkämpfen an.
Moves
Darunter versteht man die typischen Tanzbewegungen im Breaking. Sie lassen sich in vier Hauptbereiche einteilen:
- „Footwork“ oder „Downrocking“: Schritte am Boden
- „Top-Rock“: Bewegungen im Stehen
- „Power-Moves“: dynamische Drehbewegungen
- „Freezes“: statisch gehaltene Figuren
Als „Breaker“ ist es aber auch möglich, die Performance mit einem individuellen Schliff zu versehen und den Tanz mit einer persönlichen Note einzigartig zu machen.
Style
Unter dieser Bezeichnung versteht man die individuellen Interpretationen der Tänzer – also die Moves sowie auch die Art und Weise, wie man sich selbst beim Tanzen präsentiert oder mit der Musik interagiert. Dabei greifen die Tänzer auch auf Elemente anderer Tanzstile zurück und passen sie dann an ihren eigenen an. Der Stil eines Tänzers ist also abhängig von der Kreativität und der individuellen Ausdrucksweise.
Battle
Bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris konnte man sehen, wie ein „Battle“ ausgetragen wird. Jeweils 16 B-Boys und B-Girls treten in Einzelbattles gegeneinander an. Dabei improvisieren die Tänzer zur Musik und dem Beat der DJs. Mit unterschiedlichen Kombinationen ihrer Moves müssen sie es schaffen, die Jury zu überzeugen. Gewonnen hat derjenige, der die höchste Punktzahl erzielt.6
Die Jury bewertet die Leistung anhand folgender Punkte:
- Musikalität
- Originalität
- Technik
- Vokabular
- Ausführung7
Cypher
Diese Bezeichnung beschreibt einen Freestyle (Improvisation), bei dem die Tänzer einen Kreis bilden und nacheinander in der Mitte des Kreises tanzen. Durch den geschaffenen Raum haben die Tänzer die Möglichkeit, ihren Tanzstil zu präsentieren, frei zu tanzen oder aber sich gegenseitig auszutauschen. Dennoch gibt es wichtige Regeln zu beachten: Damit man einen respektvollen Umgang miteinander beibehält, ist es wichtig, dass man aggressive Berührungen vermeidet.
Handzeichen
Auch Handzeichen können im Breaking wichtig sein. Gerade wenn ein Tänzer präsentiert, können Handzeichen genutzt werden, um zu zeigen, ob etwas schlecht oder gut läuft. Tanzt man etwa einen Move doppelt, kann der Gegner dies mit der entsprechenden Fingeranzahl zeigen. Aber auch, wenn ein Move kopiert wird, kommen Handzeichen ins Spiel. So kann der Gegner darauf aufmerksam machen, indem er seine Ellbogen aufeinanderlegt. In diesem Fall spricht man auch vom sogenannten „Biting“.
Stürzt man während des Tanzes, ist von einem „Crash“ die Rede, was der Gegner durch Klatschen kommentieren kann. Bei unsauberen Moves hingegen kann der Gegner darauf verweisen, indem er die Hand schüttelt.
Grundschritte im Breaking
Im „Breakdance“ oder Breaking gibt es eine Reihe von Moves, die unterschiedlich schwer sein können. Als Tänzer entwickelt man mit der Zeit aber auch seinen individuellen Stil. In der Regel basiert Breaking jedoch auf drei Grundschritten, die man am Anfang erlernen sollte, um diese dann im eigenen Stil mit anderen Moves auszubauen.
Erster Schritt – die Basis
Bei diesem Schritt setzt man seinen rechten Fuß ungefähr eine Fußlänge hinter den linken Fuß und steht dabei in einer aufrechten Position. Anschließend stellt man den linken Fuß auf den Ballen und schwingt mit ihm über den rechten Fuß. Beide Füße sollten nun gekreuzt sein, ehe man sie wieder in eine parallele Position bringt. Die Bewegungsabfolge wiederholt man dann genauso für den linken Fuß, wobei man diesen Schritt mit verschiedenen Elementen ausstatten kann.
Zweiter Schritt – der „Uprock“
Hier beginnt der Schritt mit einem Kick. Und zwar kickt man als Tänzer das rechte Bein nach vorne und setzt es dann wieder auf dem Boden ab. Dabei verschränkt man die Hände hinter dem Rücken und geht dann, mit nach vorn geschobener Hüfte, auf die Knie. In dem Moment, wo die Hände den Boden berühren, richtet man sich erneut auf und verschränkt die Arme vor der Brust. Das Besondere: Auch hier können unterschiedliche Variationen in den Schritt einfließen.
Dritter Schritt – der „McHammer“
Bei diesem Schritt beginnt man mit einer lockeren Haltung, bei der die Arme zuerst noch seitlich hängen gelassen werden. Danach streckt man die Arme auf Brusthöhe aus, hebt gleichzeitig das rechte Knie an und stellt es in einer Bewegung erneut auf dem Boden ab. Dieselbe Abfolge macht man dann auch für das linke Bein, und fertig ist der „McHammer“.8
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Das sind die Moves
Wie bereits erwähnt, kann man die Moves beim Breaking in insgesamt vier Elemente einteilen.9 Diese umfassen:
„Footwork“ oder „Downrock“
Der Name lässt es bereits vermuten: Bei diesem Move dreht sich alles um die Fußarbeit. Er ist von schnellen und komplexen Bewegungen der Füße in unmittelbarer Bodennähe geprägt. Aber auch die Hände können dafür genutzt werden, um sich über den Boden zu drehen oder zu wirbeln. Zu dieser Kategorie gehört unter anderem der „Six-Step“, bei dem man als Tänzer sechs flüssige Schritte ausführen und sich um seine eigene Achse drehen muss. Bekannte Moves wären der „Coffee Grinder“, „Helicopter Slides“ und „Sling“ – wobei es noch zahlreiche weitere gibt.10
„Toprock“
Die Schritte in dieser Kategorie führt man im Stehen durch. Für gewöhnlich nutzt man sie als eine Art Einleitung in die eigentliche Vorstellung oder sogar als Aufwärmung. Auch hier ist es wichtig, ein gutes Rhythmusgefühl zu haben und sicher mit der Musik zu sein.
„Power Moves“
Hier ist viel Kraft, Flexibilität und Körperbeherrschung gefragt, denn „Power Moves“ gehören zu den anspruchsvollsten Kategorien im „Breakdance“. Saltos und dynamische Drehbewegungen (Spins) sind nur einige Moves, die gerne benutzt werden. Letzterer umfasst, dass der Tänzer seine Beine in einer kreisförmigen und weiten Bewegung einmal um den Körper schwingt – und das nur, während er sich auf den Händen abstützt.
„Freezes“
Auch dieses Element ist beim Breaking nicht wegzudenken. Durch die „Freezes“ ist man nämlich in der Lage, eine besonders anspruchsvolle Position über mehrere Sekunden hinweg zu halten. Dazu benötigt man allerdings nicht nur viel Kraft, sondern auch Balance und eine starke Körperkontrolle. Eine bekannte Bewegung aus den „Freezes“ ist der „Air Chair“: Bei diesem stützt man sich mit einer Hand auf dem Boden ab und streckt die Beine gespreizt oder in einer anderen Position in die Luft, wo man sie für einige Sekunden lang hält.
Experte verrät die Effekte von Breaking auf den Körper
Laut „B-Boy Eddie“ (Hai Duy Pham) kann man sich beim Breaking über folgende Vorteile freuen:
Mehr Kraft und Fitness: Breaking trainiert den ganzen Körper, es beansprucht viele Muskelgruppen gleichzeitig.
Bessere Körperkoordination: Breaking erfordert präzise Bewegungen und die Fähigkeit, verschiedene Körperteile unabhängig voneinander zu steuern.
Besseres Gleichgewicht: Durch die dynamischen Bewegungen im Breaking wird das Gleichgewicht verbessert. Viele Moves erfordern ein hohes Maß an Balance.
Spaß: Breaking ist eine kreative und energiegeladene Tanzform. Es ist sehr frei und man kann alles Mögliche einbauen.
Selbstvertrauen: Das Erlernen und Präsentieren der Moves vor anderen fördert das Selbstvertrauen.
Kreativität: Ein grundlegendes Prinzip von Breaking ist es, sich individuell auszudrücken. Tänzer entwickeln ihren eigenen Stil und schaffen einzigartige Moves.
Disziplin: Das Erlernen und Perfektionieren von Moves erfordert viel Geduld und Ausdauer. Regelmäßiges Training ist der Schlüssel und es fördert die Disziplin.
Einstieg als Erwachsener B-Boy im FITBOOK-Interview: „Es ist nie zu spät, um mit Breaking anzufangen“
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Für wen ist es geeignet?
Grundsätzlich kann jeder mit Breakdance oder Breaking anfangen, der Spaß und Freude an Bewegungen und Musik hat. Es existiert keine offizielle Altersgrenze, die man einhalten muss. Die Tanzart stellt eine gute Möglichkeit dar, Ausdauer, Motorik, Koordination und Selbstbewusstsein zu trainieren. Aber auch eigene Improvisationen oder akrobatische Elemente kommen hier nicht zu kurz. Alle Bewegungen, die man im Breakdance erlernt, können problemlos miteinander kombiniert werden – und das ohne jegliche Vorerfahrung.