19. Februar 2020, 17:43 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Die Mitarbeiter der FITBOOK-Redaktion sind offen für Neues und probieren deshalb einzeln und in unregelmäßigen Abständen zum ersten Mal verschiedenste Sportarten aus. Für Autorin Laura Pomer ging es an die Elektroden beim aktuell gehypten EMS-Training. Spoiler: Ein zweites Mal wird es für sie garantiert nicht geben…
Für FITBOOK zu schreiben, muss nicht bedeuten, dass man in puncto Sport und Fitnesstrends auch praktisch auf dem neuesten Stand ist. Ich beispielsweise habe erst im neuen Jahr das Training wieder aufgenommen, und zwar reichlich zögerlich. Wichtig ist mir, dass Laufband, Stairmaster oder Crosstrainer nicht zu viel meiner Freizeit und Kraft in Anspruch nehmen. Vielleicht wäre also Elektro-Myo-Stimulation, kurz EMS-Training, das Richtige für mich?
Was genau ist EMS-Training?
„EMS ist relativ leichter Kraft- oder Ausdauersport bei elektrischer Muskelstimulation. Dafür werden spezielle Anzüge zur Verfügung gestellt, die Teilnehmer vor dem Training auf die idealerweise nackte Haut ziehen sollen (Unterhose ist erlaubt). Die Zweiteiler werden durch das Studiopersonal feucht besprüht und dann an verschiedenen Stellen des Körpers mit Stromimpulsgeneratoren versehen. Damit kann der Trainer die Impulsstärke für jedes Körperteil einzeln regulieren. Durch die Stromschläge wird das Ausführen der besprochenen Übungen anstrengender. Deshalb sollten ein bis maximal zwei Einheiten pro Woche eine Dauer von 20 Minuten nicht überschreiten.“–
Mein Besuch im EMS-Studio
Ich ging mit einer Freundin zum Probe-EMS-Training, die ziemlich begeistert ist und bereits eine einjährige Mitgliedschaft in entsprechendem EMS-Studio abgeschlossen hat. Nachdem ich einige Eckdaten zu meiner allgemeinen Gesundheit angegeben und außerdem ausgefüllt hatte, wie viel ich in den Stunden vorher gegessen und getrunken hatte (und zwar jeweils: „genug“), bekam ich für mein Probetraining einen dunkelgrauen Stoff-Zweiteiler ausgehändigt. Größe Medium erwies sich als viel zu locker. Das sei letztendlich aber egal, sagte man mir, da die Stromimpulsgeneratoren in Form von gürtelähnlichen Schnallen um z.B. Arme, Bauch, Po und Beine gelegt und das Ganze fixieren würden.
Der Sportanzug war leicht feucht und roch nach Schweiß
Der Sportanzug war bereits leicht feucht, als er mir übergeben wurde. Muss das so, damit die für das Training nötigen Stromschläge ausgeübt werden können? Für mich war es jedenfalls eine unangenehme Vorstellung, diesen klammen Stoff überzuziehen – und entsprechend eklig war auch das Gefühl auf der Haut. Noch VIEL, VIEL ekliger wurde es aber, als ich einen beißenden Schweißgeruch wahrnahm. Die kurze Hoffnung, dass er von einer anderen Person in der Umkleidekabine – oder meinetwegen sogar von mir – kam, verflüchtigte sich leider schnell. Ich hatte das feuchte, stinkende Teil schon übergezogen und es schüttelte mich.
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Wie konnte das sein? Hatte man mir versehentlich durchgeschwitzte Trainingskluft gegeben? Auch die meisten Mitglieder leihen sich hier für jede Session einen (angeblich gereinigten) Sportanzug aus. Hatte die Waschmaschine versagt? Diese und ähnliche Fragen schossen mir durch den Kopf, als ich den Trainingsraum betrat. Ich wollte sie dem Personal stellen, doch gleichzeitig meiner Freundin kein blödes Gefühl geben, die ja Gefallen am EMS-Training gefunden hatte. Ich löste es also elegant. „Ich möchte nur kurz klarstellen, dass dieser Schweißgeruch nicht von mir kommt“, sagte ich lächelnd. Die erstaunliche Reaktion eines der Trainer: „Man gewöhnt sich dran.“ Dann wurde mir ein Geruchsneutralisierer großzügig unter die nun noch feuchteren Achseln gesprüht.
Augen, bzw. Nase zu und durch
Jetzt war es quasi eh „zu spät“, ich hatte den Stinker schon an und würde die 20 Minuten natürlich auch durchziehen. Konzentrieren konnte ich mich nicht wirklich. Meine Aufmerksamkeit war ganz auf das feuchtwarme Milieu unter meinen Armen und den engen Halsausschnitt gerichtet, aus dem das Transpirat meiner Vorgänger-Träger wohl genauso mangelhaft herausgewaschen worden war. Ob ich Ausschläge davon bekommen würde? Und kann man sich über Schweißkontakt vielleicht sogar mit Krankheiten anstecken? Mein Kopfkino lief auf Hochtouren.
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Das EMS-Training selbst
Ach ja, das Training. Ich hatte ehrlicherweise erwartet, dass es anstrengender werden würde. Da es mein erstes Mal war, durfte ich nur 17 Minuten lang mitmachen, insgesamt drei weniger also als meine etwas erfahrenere Trainingspartnerin. Die Sitzung lief so ab, dass wir beide nebeneinander standen und der EMS-Trainerin Übungen nachmachten. Die meisten davon waren Bodyweightübungen, die man während eines langen Stromstoßes in bestimmten Positionen halten sollte. In der Zeit würde der Effekt auf die Muskelentwicklung vermutlich besonders groß sein. Als meine Zeit vorbei war, hätte meine Begleitung wohl selbst gern aufgehört. Ich hingegen hatte keine einzige (eigene) Schweißperle auf der Haut und hätte noch weitermachen können – und wollen. So hatte sich mein Leid mit dem übel riechenden Anzug wirklich nicht gelohnt.
Was ich danach spürte
Die Stromstöße selbst fühlten sich ganz genau so an, wie man sich Stromstöße wohl vorstellt. Es kribbelt leicht oder etwas stärker, abhängig von der Einstellung. Ein witziges Gefühl irgendwie, aber eher keines, das ich persönlich mit Sport assoziieren würde. Nach den 17 Minuten, die ich mitmachen durfte, fühlten sich die Innenseiten meiner Beine leicht weich an, ansonsten spürte ich gar nichts – außer vielleicht aufgeweichte Haut an verschiedenen Stellen. Das dürfte aber daran liegen, dass ich anschließend sehr lange und gründlich geduscht habe…
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Mitgliedschaft? Nein, danke
Auf die Frage, ob mir das EMS-Training gefallen hatte und ich eine Mitgliedschaft abschließen wollte (es gibt die Möglichkeit eines nicht monatlich kündbaren entweder Halbjahres- und Ganzjahresvertrags; im Schnitt muss man wöchentlich rund 20 Euro einkalkulieren), sagte ich dem Trainer unter vier Augen, dass mich der stechende Schweißgeruch extrem gestört hatte. Seine leicht gelangweilte Reaktion: Man könne die Anzüge aufgrund ihres speziellen Materials nur im Schonprogramm bei etwa 30 Grad waschen. Nach dieser Aussage war es für mich vorbei.
Meine Freundin hatte mein Erfahrungsbericht mehr schockiert. Sie entschied deshalb, sich einen eigenen Anzug zu leisten. Sie wäscht ihn – entsprechend des eingenähten Pflegehinweises – bei 60 Grad.
Der Muskelkater ließ vergeblich auf sich warten
EMS-Training ist generell nicht ganz unumstritten. Die einen schwören auf seine Erfolge, die anderen finden es sinnlos und teuer und die dritten warnen vor gesundheitlichen Risiken durch die vermeintlich starke Belastung. Ich gehöre wohl eher zu Gruppe zwei, bei mir ließ der Muskelkater auch am dritten Tag nach dem EMS-Training vergeblich auf sich warten. Vielleicht hatte ich die Stromstärke auch zu niedrig eingestellt? Hier hätte ich mir eine bessere Beratung gewünscht: Die Trainerin hatte mich an Armen, Rücken, Bauch etc. Stromintensitäten spüren lassen und entsprechend meiner unsicheren Antwort fixiert, ob „noch mehr geht“ oder nicht. Bloß: Wie sollte ich das denn beurteilen können?
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Was ich mir gewünscht hätte
Beim Training selbst fühlte ich mich ein wenig meinem Schicksal überlassen. Um starke Muskelschädigungen zu verhindern, ist es wichtig, beim EMS von einem Trainer überwacht zu werden. Durch den Stromstoß wird die Kontraktion innerhalb der Muskeln verstärkt, was deren Wachstum anregen soll – entsprechend aber auch den negativen Effekt einer falschen Ausführung (sprich: Verletzungen) verstärken kann. Dass die Trainerin mich ein Mal auf einen Fehler hingewiesen hatte, bei dem ich mich ein paar Sekunden später selbst wieder erwischte – sie aber nicht –, gab mir kein sonderlich sicheres Gefühl.
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Bestimmt gibt es Studios, in denen Hygiene größer geschrieben wird, als es in dieser Einrichtung der Fall war. Oder wo das Personal mehr Wert darauf legt, dass man den Vorab-Gesundheitsfragebogen gewissenhaft durchliest und Laiensportler besser an die Hand nimmt.
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Fazit
Wer EMS-Training selbst ausprobieren will, dem würde ich ausschließlich ein Studio mit gutem Ruf und erfahrenem Personal (lizensierte EMS-Trainer, idealerweise mit medizinischem Hintergrund) empfehlen. Je nach Voraussetzung und Trainingsanspruch kann die Technik eine gute Idee sein. Für mich wird es beim ersten und einzigen Mal bleiben.