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FITBOOK-Redakteurin ist mitgetorkelt

Wein, Austern und Entrecôte – so war mein Marathon durch das Médoc

Médoc-Marathon
FITBOOK-Redakteurin Alexandra Grauvogl (l.o.) wurde beim Médoc-Marathon von Halbnackten überholt, probierte edle Tropfen und schlürfte Austern. Auf dem Straßenschild (u.M.) das Motto: Sauf! Foto: FITBOOK/Alexandra Grauvogl
30.08.2022, Berlin, Bild Headshot, Impressum, 
im Foto Alexandra Grauvogl

© Wolf Lux
@wolf_lux_photography
M.A. Alexandra Grauvogl

14. September 2023, 20:18 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten

Jedes Jahr gehen Tausende Starterinnen und Starter beim berühmten Wein-Marathon im Médoc an den Start. FITBOOK-Redakteurin Alexandra Grauvogl war 2023 dabei. Was sie auf den 42,195 Kilometern in den französischen Weinbergen erlebt hat, lesen Sie hier.

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„Sauf“! Der Hinweis auf einem Straßenschild in der Hauptstraße von Pauillac klingt wie eine Aufforderung und ist das Motto dessen, was die kommenden 42,195 Kilometer auf mich und ca. 7500 Teilenehmer des 37. Marathon des Châteaux du Médoc wartet. Natürlich bedeutet das französische „sauf“ auf einem Halteverbotsschild eine Ausnahmeregelung und ist keine Aufforderung zum Trinken – aber es passt einfach zu gut. Denn beim Lauf durch die Weinberge und Schlossgärten der berühmten französischen Weinregion geht es genau darum: Statt Iso-Drinks und Energy-Gels werden hier an den Verpflegungsständen die besten Weine probiert und kulinarische Spezialitäten genossen. Wer das Ziel deutlich schneller als der Besenwagen nach 6,5 Stunden erreicht, gilt fast schon als Spielverderber. Auch ich habe mir einen Fauxpas geleistet – und bin ohne Kostüm gestartet.

Zwischen nackten Köchen und Mozartkugel

Natürlich wusste ich von befreundeten Läufern, die bereits mehrfach am Médoc-Marathon teilgenommen haben, dass viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer dem jeweiligen Motto entsprechend kostümiert an den Start gingen. Aber „viele“ ist in diesem Fall leicht untertrieben – es waren eigentlich fast alle! Nur jene, die tatsächlich versuchten, den Lauf zu gewinnen oder in persönlicher Bestzeit zu laufen, – die Spielverderber also – trugen die üblichen Race-Shirts und Kompressionsstrümpfe. Der Rest verwandelte das Läuferfeld unter dem diesjährigen Motto „Gastronomie“ in einen bunten Mix aus Kellnern und Bedienungen in Dienstuniform, Weinflaschenkostümen, Brezeln, Schnecken (eine französische Delikatesse) und nackten Köchen, die mit einer Schürze lediglich das Nötigste verdeckten, dafür aber ein Nudelholz in der Hand mitschleppten.

Hot-Dog-Stand
Kreativ: Rollender Hot-Dog-Stand – mit echten Hunden! Foto: FITBOOK/Alexandra Grauvogl

Auch Schubgefährte, die an Karneval erinnerten, pflügten in der gut gelaunten Läufertraube durch die teils steinigen, schmalen Wege durch die Weinberge – hier eine überdimensionierte Mozartkugel (geschoben von mehreren Mozart-Perücken-Trägern), dort ein Hotdog-Stand (mit echten Dackeln im Lastenraum) und natürlich Asterix und Obelix, die ein Wildschwein auf dem Grill dabei hatten. Und darunter mein Bruder und ich – blutige Médoc-Anfänger in Laufshirts, die sich angesichts der hohen Temperaturen von 30 Grad gegen eine Verkleidung entschieden hatten. Fürs nächste Mal wissen wir aber Bescheid.

Die wichtigste Regel beim Médoc-Marathon

Dafür beherzigten wir aber die wohl wichtigste Regel des Médoc-Marathons: „Wer unter 6 Stunden ins Ziel kommt, hat etwas falsch gemacht!“. Nur wer sich auf der 42,195 Kilometer langen Strecke Zeit nimmt, möglichst viele der angebotenen Weine zu probieren, einen kurzen Plausch mit den freundlichen freiwilligen Helfern oder anderen Läufern zu halten, nimmt den wahren Geist dieser Laufveranstaltung auf – die in Wahrheit eine gastronomische Entdeckungstour zu den schönsten Châteaus der Region mit Start und Ziel in Pauillac ist. Grand Cru – „all you can drink, as long as you run“, quasi. Für läppische 80 Euro Startgeld. Woanders gibt’s dafür Wasser, Pulvertee und halbierte Bananen.

Motiviert bis in die Haarspitzen, alles mitzunehmen, was die Weinkeller hergeben, sind wir dann auch gestartet. Nach einem kleinen Frühstück mit Croissants am Château Grand Puy Lacoste liefen die ersten edlen Tropfen ab Kilometer 6 unsere Kehlen hinab. Es folgten Château Trintaudan – „à la votre!“ –, Château Bellgrave – „santé!“– und Château Lagrave –„Prost!“. Vier Weinproben bei Kilometer 10! Die Schlossgärten wurden pompöser, die Temperatur wärmer, die Stimmung ausgelassener. Nach etwa der Hälfte der Strecke und drei weiteren Verkostungen – wir waren am Château Lynch-Bages angelangt – musste ich mich zum ersten Mal überwinden, statt nur zum Wasser auch zum Wein zu greifen. Die Sonne knallte nun richtig, immer öfter sah man Läufer, die sich ihrer Perücken entledigten, neidische Blicke auf die oberkörperfreien Läufer mit blankem Po.

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Iso-Drinks, klebriges Energy-Gel? Gib mir Austern und Entrecôte!

Noch lagen wir gut in der Zeit, um vor dem Besenwagen (mit dem freundlichen Hinweis auch auf Deutsch: „Fin de Course/ End Line/ Ziehl Schluss“ [!], ins Ziel zu kommen. Deshalb gönnten wir uns auch den ein oder anderen Griff mehr zur außergewöhnlichen Streckenverpflegung abseits des alkoholischen Traubensafts. Hier ein Marshmallow unter den Schokobrunnen tunken, dort Chips, Cracker und Kekse knabbern, typischen Käse und selbst gemachte Macarons genießen; ja, auch die typischen Bananen-Stückchen und Orangen zur Erfrischung waren dabei – schuldig! Aber auch stolz, bei dem Gelage keine Magenprobleme oder Dünnpfiff bekommen zu haben.

Besenwagen
Der Besenwagen beim Médoc-Marathon: Wer vor ihm im Ziel ist, bekommt nach 42,195 Kilometern saufen noch eine Flasche Wein obendrauf! Foto: FITBOOK/Alexandra Grauvogl

Und immer die Vorfreude im Hinterkopf auf die letzten Kilometer, wo noch besondere Schmankerl warten sollten: die für die Region zwischen dem Atlantik und der Gironde typischen Austern und saftiges Entrecôte!

Zu Tisch und auf die Bank

Bis dahin sollte es allerdings noch ein zäher Weg werden. Bei etwa Kilometer 28 fing die Muskulatur meiner rechten Hüfte an, zu verhärten und zu schmerzen. Immer wieder versuchte ich mich auf den gepflegten Rasenflächen der Schlösser zu dehnen und zu mobilisieren. Die vielen Zuschauer feuerten mich und alle anderen, die zunehmend mit Hitze und Muskulatur zu kämpfen hatten, auf der Strecke an: „Courage, Alexandra!“ (Hab Mut! Weiter geht’s!). Das war der Schlachtruf in meinem Kopf für das letzte Drittel des Mèdoc-Marathons. Meinen Namen lasen die Anfeuernden schlicht von der Startnummer ab, aber die persönliche Ansprache bedeutete mir in dem Moment viel. Längst nahm ich nicht mehr jeden Wein zu mir, der angeboten wurde. Die Menge, die ich laufend trinken könnte, hätte nicht gereicht, um meine Schmerzen zu betäuben.

Bei Kilometer 35 wurde aus dem Leitspruch „A table!“ („Zu Tisch!“) für „auf die Bank“. Ich begab mich im Medizinzelt in die Hände eines Physios – Ende 40, gut aussehend, oberkörperfrei. Mit französischem Akzent fragte er mich auf Englisch, wie er helfen könne, stellte nach kurzer Beschreibung meinerseits und ein paar Tests die Diagnose „Iliosakralgelenk läuft nicht rund“ und fragte mich, ob er es mobilisieren solle, könnte schmerzhaft sein. Ich dachte nur: „Schlimmer wird’s bestimmt nicht!“ Und sagte: „S’il vous plaît!“. Da knackste mir ein völlig Fremder im Nahkampf-Griff die Wirbelsäule und Hüfte wieder ein. Mir war es nicht unangenehm – ob es am Wein lag, der bereits aus meinen Poren dünstete? Egal. Für die letzten Kilometer wünschte auch er mir „Courage!“. Merci, beaucoup!

Motivation ist alles!

Der Schmerz war natürlich nicht weg, aber meine Bewegung wurde wieder etwas runder. Dennoch war auf den letzten sieben Kilometern fast nur noch gehen und ein wenig traben angesagt. Zum Glück genoss mein Bruder die Entschleunigung ebenfalls und konzentrierte sich auf Weinberge – und Wein. Sprüche wie „Jetzt wär ein kaltes Bier recht!“ meinte er nur scherzhaft und äußerte sie klugerweise nicht gegenüber den Helfern.

Mozartkugel
Stolze Österreicher schoben eine riesige Mozartkugel mit Foto: FITBOOK/Alexandra Grauvogl

Mit sich kämpften nun auch immer mehr andere Läufer und Läuferinnen um mich herum. Doch an Motivation und Motivatoren fehlte es nicht. Während wir wieder mal einen steileren Weg zu einem Château hinauf schlurften, hörte ich neben uns ein Gespräch unter zwei anderen Deutschen. Der eine: „Boah, ich bin so unfit! Ich kann nicht mehr!“ Der andere: „Jetzt hör aber auf! Schau dich mal an! Du bist hier und läufst einen Marathon. Deine Kollegen bei Firma XY schleppen sich höchsten vom Parkplatz zum Schreibtisch!“ Und genau so sieht es aus! Aus „Rien ne va plus!“ wird „Allez-allez!“

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Ich für meinen Teil ließ mich dann doch vor allem durch die kulinarischen Angebote zum Weiterlaufen motivieren – endlich kam der Austern-Stand! Zu den Meeresfrüchten wurde schließlich kein Rotwein gereicht, sondern Champagner! Kühl! Und nur wenig später schnitten Helferinnen saftiges Entrecôte frisch vom Grill für die Läufer in mundgerechte Stücke! Kurz musste ich überlegen, ob ich diesen Geschmack wirklich durch das Eis am Stiel kurz vor dem Zieleinlauf überlagern möchte. Aber der Erfrischungsgedanke siegte!

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Mit geschundenen Füßen, Beinen und Leber liefen wir schließen nach 6:13:35 Stunden über die Ziellinie! Das Finisher-Präsent – eine Flasche Wein, was sonst – nahmen wir stolz entgegen. Als Distanz zeigt meine Laufuhr: 43 Kilometer! Was ist da passiert?! Nicht umsonst trägt der Médoc-Marathon den Beinamen „Der längste Marathon der Welt“ – das Torkeln bzw. die Schlangenlinien der beschwipsten Läufer nach etwa 22 Weinproben sorgt wohl für ordentlich Extra-Meter. Was für ein geniales Erlebnis!

Themen Laufen
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